Kapitel 2

39 4 0
                                    

»Finsterjunges«, schimpfte er streng. »Was hast du so allein im Wald veloren?«
Sein misstrauischer Blick bohrte sich förmlich in das Junge und raubte ihr die Worte. Ihr wurde heiß vor Verlegenheit und sie fuhr nervös ihre Krallen ein und aus.
»I-Ich.. Wir..-«
»Wir?«
»Ich und Mohnjunges u-und Braunjunges wollten feuchtes Moos f-für die Ältesten zum Trinken holen«, stotterte sie kleinlaut.
Haselnusspelz Ohren zuckten verächtlich.
»Gerade sah es noch so aus, als ob du auf der Jagd wärst«, miaute er kalt.
Finsterjunges senkte beschämt den Kopf und bearbeitete die dunkle Erde mit den Krallen.
»Wer hat euch beauftragt, den Ältesten Wasser herbei zuschaffen?«, verlangte der Heilerschüler zu wissen.
»Schimmerpfote und Kleepfote«, antwortete Finsterjunges und hoffte, dass sie beiden Kätzinnen eine große Strafe dafür bekommen würden, dass sie drei Junge allein in den Wald geschickt hatten.
»Ach ja? Und seit wann nehmt ihr Befehle von Schülern entgegen? Sind sie etwa in euren Augen vom SternenClan als Anführer mit neun Leben auserwählt worden?«
Die kleine Kätzin schüttelte den Kopf.
»Na also. Ihr habt ihr nichts zu suchen. Und jetzt zeig mir, wo sich deine beiden Geschwister aufhalten«, beauftragte er streng und scheuchte das winzige Junge vor sich her. Sie stolperte über eine herausragende Wurzel, doch Haselnusspelz kümmerte sich nicht um sie und lief unbeirrt weiter. Finsterjunges rappelte sich auf und lief hinter dem braunen Kater her.
Auf der Lichtung, wo sich die drei Katzen aufgeteilt hatten, blieben sie stehen. »Hier haben wir beschlossen auf die Jagd zu geben«, gab Finsterjunges zu und sah zu Boden. Aus den Augenwinkel konnte sie erkennen, wie Haselnusspelz beunruhigt mit dem Schwanz schlug, als Braunjunges aus dem Unterholz herausstolziert kam. Zwischen seinen Kiefern hing der Spatz, den er vorhin verfolgt hatte. Mit vor Stolz leuchtenden Augen legte er die Beute triumphierend vor Haselnusspelz ab. Ihm schien es nichts auszumachen, dass sie bei ihrem verbotenem Jagdausflug erwischt wurden, ganz im Gegenteil, er war anscheinend froh, dass eine weitere Katze Zeuge seiner ersten erfolgreichen Jagd war.
Doch Haselnusspelz schien nicht so erstaunt von Braunjunges Fang zu sein, wie der kleine braune Kater erwartet hatte. Er sah zuerst auf den Spatz und dann misstrauisch auf Braunjunges, dessen Schweif steif in die Höhe ragte. »Die Beute kannst du den Ältesten bringen. Zusammen mit dem Moos. Gleich um die Tanne dort hinten liegt der kleine Teich, wo ich Bachminze gesammelt habe«, knurrte er und schnippte mit der Schwanzspitze in die besagte Richtung. Braunjunges nickte gehorsam. Dann kam auch Mohnjunges auf die drei Katzen zu. Auch sie war wie Finsterjunges leer ausgegangen und ihr kleiner Schweif sträubte sich, als sie den Heilerschüler sah, der sie mit böse funkelten Augen anstarrte.
»Folgt mir. Wenn ihr dann das feuchte Moos und die Beute den Ältesten gebracht habt, geht zu Habichtflug. Er wird eine schöne Strafe für euch parat haben«, miaute Haselnusspelz mit einem schadenfrohen Unterton. Finsterjunges Nackenfell kribbelte vor Angst. Würde Habichtflug den Jungen verbieten, das Lager je wieder zu verlassen? Oder noch schlimmer, würde er dafür sorgen, dass sie nie ihren Schülernamen erhalten würden?
Mit vor Unbehagen schmerzenden Pfoten taumelte sie hinter den drei Katzen her. Haselnusspelz führte sie zu dem kleinen Teich. Aus einem Felsbrocken floss ein kleiner Rinnsal in das Wasser und plätscherte leise. Der Duft nach Bachminze stach Finsterjunges in die Nase. Diesen Geruch kannte sie aus Zimtpelz' Bau.
Etwas aufgeheitert dadurch, dass sie einen schwierigen Geruch erkannt hatte, stolzierte sie zum Ufer.
Fettes, saftiges Moos bewucherte den Waldboden. Haselnusspelz setzte sich hinter die Jungen und erklärte: »Trennt das Moos mit eurer Kralle ab und klopft die groben Erdbrocken von den Wurzeln. Dann tunkt das Moos mit der grünen Seite ins Wasser und stapelt es am Ufer.«
Eilig hüpfte Finsterjunges mit Mohnjunges und Braunjunges an den Teichrand und tat, was ihnen befohlen wurde. Finsterjunges fuhr eine Kralle aus, hob einen Moosball vorsichtig mit den Zähnen an und schnitt die Wurzeln behutsam ab. Dann fuhr sie mehrmals mit der Pfote über die Erdbröckchen, bis sie sich lösten. Mit dem Moosball zwischen den Zähnen begab sich das Junge nahe ans Wasser, beugte sich nach vorne und ließ das Moos in den Teich sinken, bis es sich vollgesogen hatte. Sie legte den triefnassen Klumpen neben sich und wiederholte den Vorgang mehrmals, bis sich neben ihr ein kleiner Berg von Moos angehäuft hatte. »So, das reicht«, miaute Haselnusspelz und schnippte mit der Schwanzspitze. Die Jungen hoben ihren Moosvorat auf und schleppten sich mühsam zu Haselnusspelz, der keine Anstalten machte, den kleinen Katzen etwas abzunehmen. Er sprang auf die Pfoten und war einen Herzschlag später auch schon mit der Bachminze im Unterholz verschwunden.
Finsterjunges bemühte sich, den braunen Pelz des Heilerschülers nicht aus den Blickfeld zu verlieren. Ihre Beine trommelten gegen das nasse Moos, welches aus ihrem Maul hing, und kurz darauf waren ihre Beine und die Brust klitschnass. Geekelt durch die eiskalte Nässe rümpfte Finsterjunges die Nase.

Am Waldrand wartete Haselnusspelz kurz auf sie, und Finsterjunges ließ sich erschöpft auf den Bauch sinken.
»Ich kann nicht mehr«, keuchte Mohnjunges durch ein maulvoll Moos und kauerte sich neben Finsterjunges.
»Also gut. Ruht euch kurz aus«, murmelte Haselnusspelz und legte die Bachminze und Braunjunges Spatzen ab, den er vermutlich unterwegs mitgenommen hatte.
Braunjunges kam außer Atem auf die Katzengruppe zu und spuckte seine Ladung Moos aus. »Zwischen meinen Zähnen klemmen lauter Moosfetzen!«, beschwerte er sich und fuhr sich mit der Zunge über die obere Zahnreihe.
Haselnusspelz' Blick verharrte bei den drei Geschwistern.
Ein unbehagliches Gefühl strömte durch Finsterjunges Körper und ließ ihren Pelz kribbeln.
Es schien, als lauerte Haselnusspelz im Sprung, kurz davor seine Klauen in die Jungen zu schlagen. Er gleichte einem Adler, der im Ahnengebirge lebte und im Schatten kauerte, über seiner hilflosen Beute wie eine riesige Regenwolke aufragte, um sie einen Herzschlag später zu verschlingen.
Ein Rascheln im Unterholz und näherkommende Pfotenschritte, die auf den nackten Erdboden trommelten, rissen Haselnusspelz aus seiner bedrohlichen Haltung. Die Sonnenhochpatroullie kam zwischen den Bäumen auf die vier Katzen zu.
An der Spitze stolzierte Habichtflug, dessen Blick zwischen den Jungen und dem Heilerschüler hin und her strich.
Haselnusspelz neigte kurz den Kopf vor dem Zweiten Anführer.
»Haselnusspelz, was hast du hier mit den drei Jungen von Nachtschweif zu suchen? Sie sind noch nicht groß genug für ihren ersten Ausflug«, knurrte Habichtflug misstrauisch.
»Oh, es war nicht meine Absicht, den Anschein anzuzetteln, dass ich mit diesen Jungen freiwillig unterwegs bin. Ich fand sie bei meiner Kräutersuche am kleinen Teich, wo sie mir versucht haben, die Lüge zu verkaufen, dass sie im Auftrag zweier Schüler nasses Moos für die Ältesten besorgen sollen. Sie sind ausgebüchst und wollten jagen, doch ich habe sie davon abgehalten«, miaute Haselnusspelz.
Finsterjunges sprang empört auf die Pfoten. Sie hatte nicht gelogen!
Habuchtflug nickte und sah auf die Jungen. »Wie ich sehe, haben sie aber doch Moos gesammelt.«
Haselnusspelz zuckte mit den Ohren.
»Ja, nachdem sie mir ihre kluge Ausrede erzählt haben, fand ich die Idee eigentlich sehr sinnvoll.«
»Verstehe«, murmelte der dunkelbraune Kater.
»Aber ich habe einen Spatzen gefangen!«, rief Braunjunges dazwischen und flankierte stolz seine Beute.
Habichtflug sagte nichts, sondern sah Braunjunges nur mit einem unergründlichen Ausdruck in den bernsteinfarbenen Augen prüfend an.
Dann wandte er seine Aufmerksamkeit von den Jungen ab und erhob wieder die tiefe Stimme: »Als Strafe für ihre Lügen und den Ausbruch werden sich diese Jungen für vier Monde jeden Tag um die Ältesten kümmern, ihr Nestmaterial wechseln, ihnen Frischbeute und Trinken besorgen, ihren Kot aufräumen und ihren Pelz öfters nach Zecken untersuchen, die sie dann ordentlich entfernen werden. Ich werde Fleckenstern von dieser Idee berichten, und ich bin mir sicher, dass er mir bei dieser Strafe Zustimmung geben wird. Ich werde eure Taten ab und zu überprüfen. Und wenn ihr euch nicht anstrengt, werde ich eure Strafe verlängern und somit eure Schülerzeremonie noch weiter verzögern«, sagte er spöttisch und zuckte amüsiert mit den Schnurrhaaren, als die drei Geschwister ihn mit offenem Mund und aufgerissenen Augen ungläubig anstarrten.
Haselnusspelz' Schwanzspitze zuckte schadenfroh. »Gute Entscheidung, Habichtflug. Ich denke dass die Jungen mit dieser gerechten Strafe nie wieder auf die Idee kommen, noch einmal unbefugt das Lager zu verlassen.«
Finsterjunges knurrte zornig.
Diese Strafe war auf keinen Fall gerecht!
Eine panische Vorahnung überschattete Finsterjunges' Gedanken. In zwei Monden hätte ihre Schülerzeremonie stattgefunden, und nun saß sie für zwei weitere Monde im Ältestenbau fest, wärend die jüngeren Jungen von Nesselschweif schon Schüler waren und vergnügt mit ihren Mentorin das Lager verließen, um im Wald zu trainieren.
Jedoch wiedersprach keine Katze Habichtflug, der Rest seiner Patroullie schnurrte hämisch, am lautesten vergnügte sich der riesige Krieger Schwarzkralle.
»Wir gehen jetzt gemeinsam ins Lager zurück. Breitfuß, Wirbelwind. Passt auf das die Jungen nicht weglaufen«, beauftragte der Zweite Anführer und die beiden Krieger trennten sich aus der Reihe.
Mit hängenden Köpfen hoben die Jungkatzen ihr Moos wieder hoch und trabten, flankiert von den zwei Kriegern, über die Hügelebene zurück in Richtung SchattenClan-Lager.

{PAUSIERT} SchattenwegeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt