Kapitel 3

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Die Patroullie erreichte das Lager, als die Sonne hinter den Baumwipfeln unterging und mit ihren sanften Strahlen den Himmel in eine rötliche Farbe tauchte.
Hintereinander drängten sich die Katzen durch den Farnwall. Ein lautes, angsterfülltes Jaulen ertönte auf der Lichtung. Kurz darauf drängte sich Nachtschweif mit gesträubtem Pelz und mit vor Angst und Ehrleichterung weit aufgerissenen Augen durch die Katzenmenge.
»Oh nein«, hörte Finsterjunges Braunjunges noch leise piepsen, bevor die besorgte Mutter ihre Jungen erreicht hatte. Nacheinander leckte sie jedem über den Kopf und schob die drei mit ihrem Schwanz nah an sich ran.
»Wo wart ihr bloß? Ich habe mir ja solche Sorgen gemacht. Das ganze Lager hat nach euch gesucht!«, jammerte Nachtschweif.
Nicht das ganze Lager bemerkte Finsterjunges mit einen Seitenblick auf Schimmerpfote und Kleepfote, die immer noch auf ihrem Platz vor dem großen Eichenstamm saßen und so unschuldig wie möglich dreinschauten.
Bevor Mohnjunges eine Antwort geben konnte, kam ihr Haselnusspelz zuvor, der das Geschehen beobachtet und sich zu der Familie gesellt hatte.
»Ich habe deine Jungen im Wald ausfindig gemacht, als sie sich aus dem Lager geschlichen haben um auf die Jagd zu gehen-«
»Wir haben feuchtes Moos für die Ältesten zum Trinken geholt!«, unterbrach Finsterjunges den Heilerschüler wütend und deutete auf ihre Ladung Moos.
Haselnusspelz warf ihr einen warnenden, hasserfüllten Blick zu.
»Wir waren nur hungrig und wollten kurz jagen«, unterstützte Mohnjunges ihre Schwester.
»Und ich habe einen Spatz gefangen!«, ergänzte Braunjunges prahlend mit strahlenden Augen.
Nachtschweif sah ihre Jungen mit einem unergründlichen, zweifelnden Blick an.
Finsterjunges hatte gehofft, dass ihre Mutter auf der Seite der drei Geschwister stehen würde, doch in ihren Augen müsste ein Heilerschüler wohl eher die Warheit sagen.
Dann sah sie auf das Moos.
»Und als Strafe sollten sie Moos für die Ältesten sammeln?«
Haselnusspelz schüttelte den Kopf.
»Die Beute und das Moos bringen sie sofort zu den Ältesten. Doch Habichtflug hat eine gerechte Strafe für die Ausreißer gefunden«, miaute der braune Kater und berichtete tollkühn von Habichtflugs Worten.
Erneut juckte Finsterjunges der Pelz vor Zorn und Verzweiflung, als der Heilerschüler die gleichen, schadenfrohen Betonungen verwendete wie Habichtflug zuvor, um sie zu verärgern.
Haselnusspelz beendete seine Erzählung mit einem triuphiernden Blick auf Nachtschweifs Jungen.
Sie klappte das Maul kurz auf, um etwas zu sagen, schloss es aber wieder und senkte betrübt den Blick.
»Wenn es Habichtflug beschlossen hat, muss es wohl so sein«, murmelte Nachtschweif wohl eher zu sich selbst.
Die Geschwister wechselten einen entsetzten Blick.
»Aber dann werden Nesselschweifs Junge noch vor uns zu Schülern!«, klagte Mohnjunges.
Nachtschweif sah auf ihre kleine, graue Tochter hinab.
»Das Wort eines Anführers ist Gesetz«, miaute sie leise.
Finsterjunges starrte ihre Mutter überrascht an.
»Es war Habichtflug, nicht Fleckenstern, der uns dazu verdonnert hat, vier Monde für die Ältesten zu sorgen.«
»Doch ich unterstütze und verstehe Habichtflugs Tat. Ihr habt das Gesetz der Krieger gebrochen, indem ihr euch fortgeschlichen habt«, ertönte eine tiefe Stimme hinter den Katzen.
Finsterjunges wirbelte herum und sah sich einem schwarz-weiß gefleckten, großen Kater gegenüber, der auf sie hinabsah.
»Fleckenstern, wir..-«
»Ich weiß, wie du dich fühlst, Finsterjunges. Betrogen und Hintergangen. Ich selbst wurde auch schon oft bestraft, bevor ich meine neun Leben vom SternenClan erhielt. Aber ihr seid noch Junge, viel zu klein um die erschreckende Reaktion von Habichtflug zu verstehen. Und deshalb habe ich seine Strafzeit auf nur zwei Monde beschränkt. Aber bevor ihr mit eurer Aufgabe anfangt, habe ich noch etwas zu sagen. Denn zu einem Kriegerleben gehört mehr als nur kämpfen und jagen. Die Ältesten sind ein wichtiger Bestandteil eines jeden Clans. Denn sie waren selbst einmal furchtlose, tapfere Krieger. Doch nun sind sie alt geworden, können sich nicht mehr um sich selbst kümmern, und brauchen Hilfe von den Jüngsten, denn die werden wachsen und wachsen, sie werden zu Schülern und Kriegern, bis sie in den Ruhestand gehen und ebenfalls in den Ältestenbau umziehen. Ohne sie wäre der SchattenClan nichts«, miaute Fleckenstern ruhig.
Finsterjunges starrte ihn voller Verwunderung an. Sie erkannte, wieviel Warheit und Weisheit in seinen Worten steckte.
»Tut mir leid, Fleckenstern. So habe ich die Sache nich nie betrachtet«, murmelte sie schuldbewusst und neigte den Kopf.
»Ist schon in Ordnung. Und jetzt bringt das Moos und die Frischbeute zu Kurzohr und Graublick«, beauftragte Fleckenstern mit einem Zucken seiner Schwanzspitze.
Die drei Jungen gehorchten sofort und hoben ihr Moos wieder auf.
»Ich kann euch helfen, das Moos zu tragen«, bot Wiesenpfote an, der die Situation vom Schülerbau aus beobachtet hatte. Fleckenstern schien es gleichgültig zu sein, denn er sah den Schüler kurz an und wandte sich wieder zu Nachtschweif.
Wiesenpfote nahm Braunjunges das Moos ab, der sich schnaufend damit abmühte, auch noch seinen Spatzen zu tragen. Er blinzelte den größeren Kater dankbar an und eilte in großen Sprüngen auf den Eichenstamm zu.
Als die vier Katzen eintrafen, hoben Schimmerpfote und Kleepfote trotzig die Köpfe und stolzierten davon. Finsterjunges sah ihnen wütend nach. Es war allein ihre Schuld, dass sie nun von Habichtflug bestraft wurden.
Sie betrat nach Mohnjunges den Ältestenbau und legte das Moos vor ihre Pfoten.
»Mach dir nichts draus. Die haben noch nie irgendeiner Katze gegenüber einen höflichen Tonfall eingeschlagen, außer vielleicht den Ranghöheren«, wisperte ihr Wiesenpfote ins Ohr, der ihre Blicke wohl bemerkt hatte.
Graublick hob müde den Kopf und stellte die Ohren auf. Er war fast vollkommen blind und konnte sich nur noch auf sein Gehör und Geruchssinn verlassen. »Ah, da sind ja die Ausreißer«, krächtzte der alte Kater. »Die Nachricht von eurer Strafe hat sich in Windeseile im Lager verbreitet«, erklärte er rasch, als ob er bemerkt hatte, wie die Geschwister einen fragenden Blick wechselten.
»Wir haben hier feuchtes Moos und Frischbeute für euch«, miaute Braunjunges.
Kurzohr kam aus dem Schatten gehumpelt und setzte sich neben ihren Baukameraden. »Wurde auch langsam mal Zeit«, murrte sie.
Die Jungen schoben ihren Moosvorat und den Spatzen zu den Ältesten.
Gierig drückte Kurzohr ihre Schnauze in das Moos, damit das Wasser hervortrat, und leckte es anschließend durstig auf. Graublick blinzelte dankbar und bediente sich an der Frischbeute.
»Den Rest könnt ihr den Königinnen geben«, sagte Graublick, nachdem beide Ältesten jeweils zwei Mooskugeln ausgesaugt hatten.
»Das übernehme ich«, bot Wiesenpfote an.
»Ich komme mit«, fiepte Finsterjunges und hob mit dem Schüler den Rest Moos auf.
Zusammen gingen die beiden Freunde über die Lichtung auf die Kinderstube zu. Nesselschweif und Nachtschweif teilten sich vor dem Bau ein Kaninchen und genossen die letzten, warmen Sonnenstrahlen des Abends.
Igelpelz und Rostfell lagen nahe bei ihren Gefährtinnen. Rostfell fuhr liebevoll mit der Zunge über Nesselschweifs angeschwollenen Bauch. Als die zwei jungen Katzen näherkamen, spitzte er die Ohren.
»Wir haben noch wassergetränktes Moos für euch«, miaute Finsterjunges an die Königinnen gewandt und legte ihre Last vor den beiden Kätzinnen ab.
Wiesenpfote tat es ihr gleich und nickte Nachtschweif und Nesselschweif freundlich zu.
»Wie lieb von euch, danke«, schnurrte Finsterjunges Mutter und fing an zu trinken.
Finsterjunges sah zu ihrem Vater, der mit zusammengekniffenen Augen auf einen Punkt hinter ihr starrte.
Sie drehte sich um, um zu sehen, was Igelpelz beunruhigte, und entdeckte Haselnusspelz, der sich in ein Gespräch mit Habichtflug vertieft hatte.
Zitternd bemerkte Finsterjunges, dass die Blicke der beiden Kater ab und zu zu der Familie vor der Kinderstube wanderten.
»Ich vertraue diesem flohhirnigen Fellknäuel nicht«, knurrte Igelpelz.
»Ständig steckt er seine Schnauze in Dinge, die ihn nichts angehen, und ich glaube, dass er dich und unsere Jungen viel zu oft im Visir hat.«
Ein eisiger Schauer fuhr Finsterjunges über den Rücken. Sie hatte auch bemerkt, dass Haselnusspelz sie öfter vom Heilerbau aus innig beobachtet hatte, aber dann hat sie sich immer herausgeredet, dass er warscheinlich nur sichergehen wollte, ob es den Jungen von Nachtschweif gut geht, da die beiden nach den Erzählungen ihrer Mutter gut befreundet sind.
Aber was hält er in Wirklichkeit von uns?
Nachtschweif peitschte nervös mit dem Schweif. »Hör auf dir solche Vorwürfe gegen den Heilerschüler vorzuschreiben, Igelpelz. Haselnusspelz ist ein Freund. Er würde niemals meinen Jungen irgendetwas zuleide tun.«
»Nein, Nachtschweif. Du hörst auf deinen alten Baukameraden so zu verteidigen. Du weißt so gut wie ich, dass er irgendetwas im Schilde führt, und ich werde herausfinden, was«, knurrte ihr Gefährte und warf Haselnusspelz einen warnenden Blick zu, der daraufhin Habichtflug ein Signal gab und die beiden verschwanden im Farnwall.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 22, 2016 ⏰

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