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Ich kenne Nash seit der Grundschule. Wir gingen damals in eine Klasse, als er noch bei seiner Mutter in Deutschland lebte.
In der Vierten zog er dann in die USA.
Wir besuchen uns, noch immer, so oft wie möglich, aber zwölf Stunden Flugzeit und der Fakt, dass wir beide studieren, erschwert den Versuch, uns regelmäßig zu treffen.
Ich kenne seine Spontanität nur zu gut, dennoch bin ich positiv überrascht davon, dass er nun gerade vor meiner Tür steht und um Einlass bittet.
"Oh, das ist übrigens Cam.", erklärt er, während wir die Treppe zu meinem Zimmer hoch laufen.
Ich drehe mich um und mustere den Jungen, der hinter Nash geht.
Sein Gang ist aufrecht, stolz, hochnäsig.
Angeber.
Er sieht sehr gepflegt aus, jedes Haar liegt dort, wo es hingehören soll.
Macho.
"Hi, Cam. Ich bin Cas.", sage ich gleichgültig.
"Hey", erwidert er, genauso kalt, "Schön, dich kennen zu lernen."
Ich schaue ihn verwundert an.
"Warte, was? Du sprichst Deutsch?"
Ich öffne meine Zimmertür und trete ein.
Nash legt grinsend einen Arm um Cam.
"Ja klar, er studiert deutsche Literatur. Viertes Semester."
Ich schaue aus dem Fenster und nicke desinteressiert.
Um ehrlich zu sein, fühle ich mich in der Nähe von diesem komischen Typen ziemlich unwohl.
"Und", betont Nash laut, "Er hat noch keine Freundin. Also, just sayin'."
Ich schaue stur aus dem Fenster und antworte gar nicht.

Als Cam sich später auf Toilette entschuldigt, flüstert Nash:
"Was ist los? Du wirkst so, als ob du ein Problem mit ihm hättest?"
Ich schaue zur Tür, um mich zu vergewissern, dass er uns auch nicht hören kann. Sie ist geschlossen. Dann blickte ich auf die Gummibärchentüte in meiner Hand.
Dann schaue ich wieder zu Nash.
"Ich wette, er ist ein richtiger Weiberheld, ist es nicht so? Guck' doch mal, wie er rumläuft. Wie so ein Player. Er bringt bestimmt jeden Tag irgendeine Tussi mit nach Hause, ich sag' dir das. Und dann, dann macht er mit ihnen seine Späßchen und dann schickt er sie wieder weg.", sage ich, nur leider kann Nash mich nicht so ernst nehmen, da ich während des Redens immer mehr Gummibärchen in mich hinein stopfe.
"Ich sag' dir das, Nash. Der Typ hat ein ganz gewaltiges Problem, mal emotional aufzumachen."
Nash schaut mich an, als hätte ich ihm gerade erklärt, dass New York in Japan liegt.
"Cas, ich hab' ihn dir HEUTE vorgestellt. Woher willst du wissen, wie er tickt?", sagt er, "Und leg' jetzt mal die Gummibärchen weg.", und reißt mir die Tüte aus der Hand.
"Wie auch immer, Nash. Was macht er hier?", sage ich und betone jedes Wort einzeln.
"Naja", grinst Nash, "Ich hab' gedacht, da er ja Literatur studiert, und du auch... Dann könnt ihr euch vielleicht, unter Umständen, eventuell, ja auch mal... Austauschen?"
Ich schaue ihn genervt an.
"Ich studiere englische Literatur, Nash. ENGLISCHE. Und er DEUTSCHE."
Er klatscht in die Hände.
"Eben! Da habt ihr zwei euch ja viel zu erzählen! Ach und außerdem war er das letzte Mal vor zwei Jahren in Deutschland. Und er wollte gern mal wieder hier her, versteh das doch."
'Versteh das doch.', äffe ich ihn in Gedanken nach. 'Versteh das doch.'

Da ich in einer Mitwohnung wohne, ist meine Auswahl an Schlafplätzen natürlich ziemlich begrenzt, aber wir beschließen, dass Nash und ich in meinem Doppelbett, und Cam auf der Couch schlafen würden.

Das Wochenende ging verhältnismäßig schnell um. Mein Plan, Cam die ganze Zeit komplett zu ignorieren, klappte nicht so ganz, denn er
und ich unternahmen ziemlich viel miteinander. Nash hatte mich gezwungen, ihm und Cam die Stadt zu zeigen, obwohl Nash ja schon oft hier gewesen war. Aber wenn er nicht mitgekommen wäre, hätte ich Cam wahrscheinlich irgendwo ausgesetzt.
Ich sprach trotzdem so wenig wie möglich mit ihm und auch jetzt gerade, als ich mich von Nash und ihm verabschiede, beschränke ich mich auf ein einfaches "Tschüß.", während ich Nash herzlich umarmte.

purple fries [a Cameron Dallas story]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt