Untitled Part 1

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Es ist nun auf den Tag genau sechs Jahre her, seid ich ihr zum ersten Mal begegnet war. Ich erinnere mich, als wäre es erst gestern gewesen:
Die untergehende Sonne am Horizont, die alles in ein sanftes orange tauchte.
Der einsame Kirschbaum auf dem kleinen Hügel, der in voller Blüte stand.
Ich, wie ich langsam, eben diesen Hügel zu dem prachtvollen Baum, hochlief.
Und schließlich sie, eine zierliche Gestalt, dessen Körper von einem kurzen, weißen Sommerkleid bedeckt wurde, welches zärtlich im Wind flatterte. Sie stand mit dem Rücken zu mir, sodass ich ihr Gesicht nicht sehen konnte. Eine leichte Briese ließ ihr dunkles, langes Haar herumwirbeln und es schien, als würden die herabfallenden Blütenblätter um sie herumtanzen.
Plötzlich, als hätte sie meine Anwesenheit gespürt, drehte sie sich zu mir um. Ich zuckte leicht zusammen und blickte ihr direkt in ihre traurigen Augen. Eine glitzerne Träne lief ihre Wange herab. Sofort wischte sie sich über die Augen und lächelte mich an.
Ich lief rot an, was man jedoch dank dem Sonnenuntergang nur sehr schwer erkennen konnte.
Dies war meine erste Begegnung mit ihr. An diesem Abend freundeten wir uns an, saßen gemütlich unter dem Kirschbaum, lachten und unterhielten uns bis spät in die Nacht. Weswegen sie damals so traurig war, hab ich sie nie gefragt...

Den Tag darauf lief ich gleich nach der Schule erneut zu dem Kirschbaum, in der Hoffnung sie dort wieder zu sehen. Und tatsächlich. Als ich den Hügel hinaufstolperte, saß sie bereits an den Baum gelehnt, in einem rosa Meer aus Kirschblüten. Ich sezte mich zu ihr.
Die Zeit, die ich mit ihr verbringen konnte genoss ich sehr. Sie hatte etwas besonderes an sich, dass mich die Zeit vergessen ließ. Seither trafen wir uns jeden Abend nach der Schule an diesem Ort.
Wenn ich nun an die Zeit zurückdenke, läuft ein kalter Schauer über meinen Rücken und mein Herz beginnt zu schmerzen...
Eines Tages realisierte ich schließlich, dass ich mehr für sie empfand als Freundschaft. Genaugenommen verliebte ich mich in den Moment in sie, als ich sie zum ersten Mal sah, inmitten der fallenden Kirschblüten.
Ich nahm all meinen Mut zusammen, um ihr meine Gefühle zu gestehen, doch noch bevor ich meinen Mund öffnen konnte, kullerte eine Träne ihre Wange herab und sie sah mich mit diesem traurigen Blick an. Die darauf folgenden Worte, ließen mich erstarren.
Sie erzählte mir von ihrer Krankheit, wie viele Ärzte sie untersucht hätten und wie sie alle zu der unglücklichen Diagnose kamen, dass sie nicht mehr lange zu leben hatte und es keine Aussicht auf Heilung gab.
Ich versuchte sie zu ermutigen, doch egal was ich sagte, innerlich zerbrach meine Welt in tausend Scherben.
3Tage später, starb sie...
An diesem Tag verlor ich mein Lachen, meine Emotionen, mich selbst.
Ich aß kaum was, schlief zu wenig, weinte nie wieder und liebte niemanden mehr, so wie ich sie geliebt hatte. Es fühlte sich an als hätte mir jemand den Boden unter den Füßen entrissen und ich fiel in ein schwarzes Loch. An diesem Tag wurde ich zu einer leeren Hülle.
Seit ihrem Tod ging ich jeden Tag zu diesem Ort. Ich wollte sie wiedersehen, doch jedesmal holte die Realität mich ein. Sie wahr weg, würde nie wieder kommen und ich musste es akzeptieren.
Der Schmerz in meiner Brust wurde unerträglich, also beschloss ich ein letztes mal diesen Hügel hinaufzusteigen, um damit abzuschließen.
Es war genau wie damals: Die untergehende Sonne am Horizont, der Kirschbaum in voller Pracht, der Wind, der an meiner Kleidung zerrte und... Ein Mädchen.
Ich blieb stehen. Meine Augen weiteten sich und mein Körper begann zu zittern, was jedoch nicht an der Kälte lag.
Vor mir stand ein kleines Mädchen, etwa in dem selben Alter, indem sie damals gewesen war. Auch sie trug ein helles Kleid, der Wind wehte durch ihre dunklen langen Haare und die Kirschblüten wirbelten sanft um sie herum.
Als sie sich dann schließlich umdrehte, setzte mein Herz einen Schlag aus. Dieses Mädchen sah meiner ersten Liebe so unglaublich ähnlich. Wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich gesagt, der Tag vor 6 Jahren wiederholte sich in diesem Moment. Selbst der Ausdruck in ihren Augen und die darauf folgende Bewegung, mit der sie sich die Tränen aus dem Gesicht wischte, spiegelte sich in meiner Erinnerung wieder.
In dem Moment, indem sie mich dann traurig anlächelte, gaben meine Beine nach und ich sank auf die Knie. Ich spürte,wie etwas warmes meine Wangen hinunterlief und ich Salz schmeckte, als Tränen meine Lippen erreichten. Das war das erste Mal, dass ich wieder weinte.
Das Mädchen stürzte besorgt auf mich zu und fragte, ob alles in Ordnung mit mir sei, doch ich konnte ihr nicht antworten. Der Klang ihrer Stimme, die Art wie sie lief und Sprach... einfach alles erinnerte mich an sie.
Nachdem ich mich einigermaßen wieder unter Kontrolle hatte, stand ich auf und sah mir das Mädchen nochmal an.
Vorsichtig streckte ich eine Hand nach ihr aus, um mich zu vergewissern, dass sie real war. Ich fürchtete, meine Hand würde durch sie hindurchfassen, sodass ich sie nicht berühren konnte... doch dann spürte ich ihre weiche Wange auf meiner Handfläche. Sie sah mit ihren großen Augen zu mir auf. Anstatt von mir zurückzuweichen, fragte sie mich erneut, ob alles in ordnung sei.
Ich schluckte schwer und schüttelte ungläubig den Kopf.
Daraufhin führte sie mich zu dem Baum und wir setzten uns unter ihn. Eine Zeit lang schwiegen wir nur. Ich versuchte immer noch zu verarbeiten, was hier grad passierte.
Schließlich beendete ich die Stille die zwischen uns herrschte: "Ich kannte mal ein Mädchen... Du siehst ihr wirklich unglaublich ähnlich."
Das Mädchen zuckte zusammen und sah mich mit gläsernen Augen an. Dann senkte sie bestürzt den Kopf: "Du hast sie geliebt, oder?"
Als ich ihr bestätigte, dass ich sie geliebt hatte und es sogar immer noch tat, bemerkte ich, wie Tränen ihre Wangnn hinunter kullerten. Dann seufzte sie traurig und reichte mir einen weißen Briefumschlag, den ich verwundert entgegen nahm. Ich öffnete ihn langsam und zog einen Zettel heraus. Behutsam faltete ich ihn auseinander und fing an zu lesen. Meine Hände begannen zu zittern, als ich verstand von wem der Brief geschrieben war.

First LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt