Kapitel 12: Offene Rechnung

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Watson griff zu seiner Waffe und richtete sie auf Mordokai. "Dieses Mal entkommst du mir nicht." sagte er mit einem ernsten Gesichtsausdruck. Flink entsicherte er die Waffe und sein Finger glitt zum Abzug. Wenige Millimeter, bevor er ihn drücken konnte, verharrte sein Finger davor. Ganz gleich wie sehr er sich auch anstrengte, er kam nicht weiter, wie als wäre sein Finger steif. Mordokai kam ein paar Schritte näher auf ihn zu, sein Mantel wehte im schwachen Wind und seine tief schwarzen Augen schienen auf einmal zu funkeln. Dean schaute angsterfüllt zum Stein rüber wo Clara sass, doch diese war nicht mehr dort. Vielleicht versteckt sie sich oder ist davon gelaufen, wie sie Mordokai bemerkte, dachte Watson bei sich. Lous Lippen bewegten sich, doch Dean verstand kein Wort. "Was?" fragte er und es schien als würde der Wind merklich zunehmen. Wieder bewegten sich seine Lippen, doch Dean konnte nichts vernehmen. Doch dann, wie das Rauschen des Windes, wurden Worte immer lauter und klarer. Er hörte sie. Nicht visuell. Sie waren in seinem Kopf. "Er hat es dir nie erzählt." sagten sie und Dean fragte sich, wie das möglich war. Mordokai sein Gesicht war zu einer grausamen Fratze verkommen. Der sonst ruhige und sogar irgendwie sympathische alte Mann, wirkte wie eine verzehrte Gestalt seiner selbst. "Er hat es dir einfach nicht erzählt." klangen die Worte weiter. Dean wollte sich an den Kopf greifen, doch kein Körperteil liess sich mehr von ihm gehorchen. Seine Augen versuchten den alten Mann zu fixieren, doch immer wenn er glaube es zu schaffen, verschwamm seine Gestalt wieder, wie eine Fata Morgana oder ein Hologramm. Seine Gestalt flimmerte und festigte sich dann wieder. Jeden Schritt den er näher kam, wurde das Flimmern extremer, Kopfschmerzen machten sich bei Dean bemerkbar und er wollte schreien. Kein Ton verlies seine Kehle. Seine Augen fingen an zu jucken, konnte nicht mal mehr seine Augenlider schliessen. Irgendwie versuchte er sich zu bewegen, irgendeine Reaktion seines Körpers hervorzurufen, doch nichts klappte. Dieses komisch aussehende Bild, wie ein Mann dort steht, mit gezogener Waffe und sich nicht mehr rührt.

Der Geist trieb seinen Leihkörper immer weiter den Hang hinauf, ohne seine Verletzungen zu schonen. Wie lange er wohl durchhalten würde, dachte sich James und beobachtete das Schauspiel widerwillig. Immer mehr humpelte sein Körper und immer öfter zog er das Bein hinter sich her. "Möchtest du dir nicht mal eine Pause gönnen?" fragte James mitfühlend. "Wozu?" gab der Geist von sich. "Es ist dein Körper und nicht meiner." "Aber du hast ihn nun. Wäre es dann nicht ein wenig fahrlässig, ihn so zu verhunzen?" gab James irritiert von sich. Der Geist brach in schallenden Gelächter aus. "Aber doch nur bis ich hier weg bin." Nun war James mehr als verwundert. "Und dann?" "Ganz einfach. Sobald wir die nächste Stadt oder ein Dorf erreichen, finde ich schon etwas neues. Besser in Schuss und nicht so zerstört, wie deiner." Ein wenig Hoffnung machte sich in James breit. "Das heisst, wenn du weg bist, ist es wieder mein Körper?" Der Geist blieb stehen. "So ganz ... würde ich das nicht sagen." fing er an. "Ich werde deinen Körper verlassen, mir ein Leben aufbauen und einfach darum beten, dass er mich nicht mehr Jagt oder überhaupt an mich denkt. Nun, um auf deine Situation zurück zu kommen, die meisten Wirte, sterben danach." James würde bleich werden, wenn er noch könnte, als er das hörte. "Wenn alles gut läuft, was ich aber nicht glaube, dann wandert deine Seele in meinem Namen zurück und Mordokai verliert seine Daseinsberechtigung. Wäre das nicht wundervoll?" Der Geist schmunzelte und machte sich wieder auf den Weg, weiter den Hang hinauf. James fing an zu grübeln. Irgendwie muss es doch möglich sein, diesem Schicksal zu entfliehen. Doch ganz gleich wie er es sich zurecht legte, zumindest er würde immer den Kürzeren ziehen.

"Hast du so etwas Schönes schon mal genossen?" beendete Lou die Stille. Dean blickte über das Plato und sah wie die Blätter, im starken Wind, durch die Luft tanzten. Der Himmel war pechschwarz und langsam fielen Regentropfen zu Boden. Er konnte sie nur mehr sehen, auch wenn er wusste dass sie gerade auch ihn trafen, spürte er sie nicht. Wie bei einem grossen, festlichen Ball, drehten die Blätter ihre Pirouette, wirbelten umher und flogen weiter. Eine kleine Windhose sammelte die am Boden liegenden Blätter auf und hob sie in die Luft. Der Regen schien ihnen nichts auszumachen, immer weiter erhoben sie sich in die Luft. Grüne, rote, braune und orange Blätter. Ein Farbenspiel, was man nur selten so still beobachtete. Dean konnte sich nicht daran erinnern wann er das letzte Mal auf seine Umgebung geachtet hatte. Mordokai statt nun neben ihm und begutachtete das Schauspiel. Watson war nun fest im Bann dieses Naturereignisses als Lou wieder das Wort an ihn richtete, diesmal hörte er es. "Er hat es dir nie erzählt, oder? Damals, im Wald. Nicht mal in den zehn Jahren, die euch noch blieb." Seine Stimme klang fast fürsorglich und gewillt, die richtigen Worte zu finden. Dean versuchte zu sprechen und es war wie ein Wunder, als sich seine Worte formten und sein Mund, sowie Stimmenbänder wieder gehorchte. "Was soll er mir nicht gesagt haben?" fragte er ruhig und schien sich mit seinem Schicksal abgefunden zu haben. "Was der Preis war." sagte Lou ruhig und blickte immer noch zu den tanzenden Blättern. Der Regen wurde stärker und dicke, dunkle Tropfen prasselten auf beide nieder, wie Geschosse aus einem Maschinengewehr. Erzürnt blickte Watson auf seinen Arm und beobachtete wie die Regentropfen seinen Arm und die Waffe runter liefen. Es hatte sich mittlerweile eine Pfütze unter ihm gebildet und er fragte sich, ob seine Schuhe schon durchgeweicht waren. "Du hast ihn aus der Schlucht geholt und dafür deine üblichen Jahre bekommen. Was also soll er noch gezahlt haben?" Mit ein wenig Verwunderung blickte Mordokai nun Dean an und verkniff sich ein grinsen. "Denk mal darüber nach. Erinnerst du dich noch an die letzten Worte deines Vaters zu dir?" Angestrengt versuchte Dean sich zu erinnern und das Einzige was ihm einfiel waren die folgenden Worte, die sein Vater eindringlich und mit Nachdruck zu ihm sagte: "Du hast genau nur einen Versuch Mordokai aufzuhalten. Hörst du? Nur einen! Wenn du die Chance hast, streck ihn nieder. Das ist alles was ich dir schenken kann." Es lief ihm kalt den Rücken runter, als er die Worte hörte und wusste, dass er seine Chance vertan hatte. Er hätte im Wald von Sankt Mary nicht zögern dürfen. Doch da entkam er ihn. Mordokai sah die Angst in seinen Augen und konnte sein grinsen nicht mehr unterdrücken. "Na, weisst du es also wieder. Das ist schön. Und nun überleg dir mal, was dein lieber Vater nun ausgehandelt hatte. Na, kommst du drauf?" Die Wut mischte sich mit der Angst und der Verzweiflung. "Das kann er nicht..." Doch Lou unterbrach ihn. "Doch, das konnte und das hat er gemacht. Deine Seele für nur einen Versuch mich zu erwischen." Sein Arm fing an zu zittern und die Waffe vibrierte leicht, so dass die Regentropfen abprallten und in hunderte kleinere Tropfen zersplitterten. Langsam beugte sich sein Arm und die Waffe richtete sich gegen seinen Kopf.

Als die ersten Regentropfen fielen, blickte Clara hoch und zu Dean rüber. Verwundert darüber, wieso er mit gezogener Waffe dort stand und sich nicht rührte, stand sie auf. "Dean?" fragte sie vorsichtig. Doch keine Reaktion kam von seiner Seite aus. Langsam ging sie auf ihn zu, Schritt für Schritt, und mit jedem Meter den sie näher kam, wurde es dunkler und der Regen wurde mehr. "Dean?" fragte sie wiederholt und leicht ängstlich. "Alles in Ordnung?" Doch er zeigte keine Reaktion. Sie schaute zum Himmel und sah, das er mit dunklen, schwarzen Wolken behängt war. Der Regen prasselte nur so runter und dicke runde Tropfen durchnässten ihre Kleidung in wenigen Augenblicken. Als sie wieder zu Dean schaute, hielt er sich die Pistole an die Schläfe. "Dean! Um Himmelswillen! Was machen sie da?" rief sie und endlich drehte er leicht den Kopf und schaute sie mit Tränen in den Augen an. "Ich habe versagt." schluchzte er kaum hörbar durch den Regen. Clara schaute ihn verwundert an. Als ob dies nun nicht wahr wäre, was sie gerade sah. "Wie meinst du..." Der Schuss der Pistole unterbrach sie und wie angewurzelt blieb sie stehen mit einem Schock zurück gelassen. Die Knochensplitter und Gehirnmasse verteilte sich im Regen und sein Körper fiel leblos zu Boden. Langsam sickerte das Blut aus der Schusswunde, vermischte sich mit Schlamm und Wasser und rinn in den weichen Erdboden. Stille legte sich über die Szene und Clara stand nur dort, durch genässt, frierend und traute sich nicht auch nur zu atmen.

Die Mordokai Trilogie: Die JagdWo Geschichten leben. Entdecke jetzt