1. Blattwechsel

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Nachdem die Geisterkatzen wieder verschwunden waren, war ich sofort wegetreten und wurde erst wieder in die Wirklichkeit zurückgeholt, als es schon dämmerte und mich eine schmale Pranke in die Seite stieß. „Was hast du hier zu suchen?", murmelte der Kater leise und ich konnte seinen Blick auf meinen Wunden spüren, die mir Steinfall zugefügt hatte. Müde öffnete ich die Augen und sah einen schmal gebauten, rauchgrauen Kater vor mir stehen. „Du", flüsterte ich kraftlos und erhob mich wackelig auf meine Beine. „Wie hast du mich gefunden?", fragte ich sofort nach und musterte den Krieger. Ein verwirrtes Stechen kam in meiner Brust auf, als ich seine Augen sah, die genau den meinen glichen. „Regenbachs Junge haben mir erzählt, dass du aus dem Lager gerannt bist", miaute der Kater. Und alle Erinnerungen, die ich in meinem tiefen Schlaf vergessen hatte, kochten wieder heiß und schmerzhaft in mir auf. Und auch die Erinnerung an diesen Kater, der sich um mich gesorgt hatte und sich auf die Suche nach mir gemacht hatte. „Rabenfrost muss sich deine Wunden ansehen", fuhr Krähensturz fort und bedeutete mir, ihm zu folgen. Die Art, wie leichtfüßig er über den Boden, voller vertrockneter Blätter hüpfte, ohne auch nur ein Rascheln zu erzeugen, ließ mein Herz verkrampfen. Alles an seiner Körperhaltung, sein schmales Gesicht, die langen Beine, die schmale Brust, ließ mich mich an 'sie' erinnern. Krähensturz war mein Sohn, eine andere Erklärung gab es dafür nicht. Wir brauchten eine Weile, bis wir das Lager wieder erreichten, da ich mich ziemlich weit entfernt hatte. Kurz bevor wir den riesigen Baum sichteten starrte ich zu Krähensturz rüber. In seinen Augen lag eine Verkrampftheit, die ich nicht verstand. „Krähensturz", hob ich rau an. Der Kater wandte seinen Blick kurz mir zu, als Aufforderung zu sprechen. „Du bist mein Sohn", miaute ich, fast klang es wie eine Frage. Der Kater wurde langsamer und blieb schließlich stehen. Zwei hellblaue Augen starrten sich entgegen. „Vater", flüsterte Krähensturz. Er klang überrascht. „Was ist?", fragte ich verwundert über seine Reaktion. „Du hast mich verstoßen."

Keuchend kamen wir im Lager an. Den restlichen Weg waren Krähensturz und ich nur schweigend gegangen und auch die anderen Katzen ließen die Stille zwischen uns nicht verfliegen. „Hat dich jemand angegriffen?" -"Krähensturz, wo hast du ihn gefunden?" -"Mäusedreck, lasst mich doch mal vorbei!" Rabenfrost, unsere alte Heilerkatze kam mit seinem Sohn Nebelwolke zu mir gelaufen und beäugte die klaffenden Wunden an meinem Pelz. Mein Blick lag immer noch auf Krähensturz, doch er mied meine Augen immer noch und wandte sich an seine Schülerin Schneepfote. Verdammt, schau mich doch an. Sprich mit mir. Erzähl mir, was mein Kopf verdrängt hat! „Jetzt hör doch endlich mal auf zu knurren!", fauchte mich der jüngere Heilerkater an, der genau seinem Vater gleich sah, bis auf seine grünen Augen, die er von seiner Mutter hatte. Ich grollte noch ein letztes Mal und funkelte die beiden Heiler wütend an.
„Du hast dir nichts schlimmes getan. Die Wunden sind nur oberflächlich und nicht wirklich tief. Säuber sie und pass auf, dass kein Schmutz rankommt", murmelte Nebelwolke und erhob sich, zusammen mit seinem Vater.
Alleine saß ich im Kriegerbau, verlassen von den anderen Katzen, die damit beschäftigt waren, den Clan auf die bevorstehende Blattleere vorzubereiten. Vertieft in die gleichmäßigen Bewegungen, mit denen ich über meine Wunden strich, merkte ich nicht, wie ein Kater den Bau betrat. Sein Duft erinnerte mich an verkohltes Feuer und als er sich neben mich setzte, glühten seine hellblauen Augen mich an. Seine Stimme ähnelte fast dem Krächzen eines Raben, als er anfing zu sprechen:„Als Regenbachs Junge Krähensturz erzählt haben, dass du aus dem Lager gelaufen bist, ist er sofort auf die Suche nach dir gegangen." Ich erstarrte und wandte den Kopf dem alten Kater zu. Erst jetzt sah ich die grauen Haare an seiner Schnauze, die schon zahlreich gewachsen waren. „Was willst du, Löwenflamme?", murmelte ich leise. „Mit meinem Sohn reden, bevor er auf die Idee kommen könnte, noch mehr dummes Zeug zu tun." Ich erhob mich langsam, woraufhin mein Vater es mir gleichtat, nur noch langsamer und müder. „Und wie lautet deine Antwort?", fragte der Kater und starrte mich abwartend an. „Nicht hier." Obwohl mein Körper komplett gegen jede Bewegung protestierte, schleifte ich mich aus dem Bau. Etwas abseits des Lagers blieb ich stehen und miaute:„Über was willst du mit mir sprechen?" Ich musterte den Pelz meines Vaters, der ziemlich struppig und verfilzt aussah, so als hätte er nicht die Nerven dazu, ihn zu putzen, als würde ihn etwas sorgen. „Rankenblüte erwartet Junge", seufzte Löwenflamme leise und schaute zu Boden, als würde er sich schämen. Ich wusste, dass mein Vater seine Gefährtin nie geliebt hat und sein Blick in diesem Moment verriet es auch. Meine Augen schweiften über das Lager und blieben auf der grauen kleinen Kätzin liegen, die sich mit einem leicht gewölbten Bauch in der kühlen Sonne rekelte. „Du bist fast ein Ältester, Löwenflamme", murmelte ich,„Und Rankenblüte war gerade erst mal ein Junges als du zum Krieger ernannt wurdest!" Mein Vater funkelte mich sauer an. „Das ist mir bewusst!", knurrte er,„Aber ich dachte du weißt, dass ich das nur für sie getan habe?!" Schweigen. „Ich werde die Geburt der Jungen vermutlich nicht mehr mitbekommen", fuhr mein Vater leise fort. Ich blickte ihn an. Daran, dass er sich bald den Sternenclan anschließen könnte, hatte ich noch nie gedacht. „Du wirst sicherlich noch die Schülerzeremonie mitbekommen. So alt bist du doch noch gar nicht! Sogar Luchszahn könnte bis dahin noch leben, obwohl er einen Blattwechsel älter ist als du!" Doch meine Worte schienen Löwenflamme nicht zu beruhigen. „Wir können nur hoffen", flüsterte er und ein Schauder durchfuhr sein Fell. Mir wurde klar, dass er nicht an einen natürlichen Tod dachte, doch warum? Verwirrt legte ich mich auf die Seite und ließ die kühle Sonne meinen Winterpelz bestrahlen. „Wie geht es Erdblüte und ihren Jungen?", fragte ich nebenbei. Der ältere Kater erhob sich und murmelte:„Besuch sie doch selbst, schließlich bist du ihr Bruder. Als deine Gefährtin mit deinen Jungen trächtig war, hat sie euch doch auch die ganze Zeit besucht." Mein Magen zog sich für einen Moment zusammen, als ein Bild der hochschwangeren Tigerkätzin durch meinen Kopf flog. Doch ich murrte nur:„Später vielleicht." Und mein Kopf sank müde zu Boden. Das letzte, was ich bemerkte, war wie mein Vater zurück in den Ältestenbau lief. Ich hatte ihn gehasst. Doch seit ich in der gleichen Situation gefangen war wie er, lernten wir uns gegenseitig die Trauer zu nehmen.

//Ich mag das Kapitel nicht wirklich, aber meeh, wat solls :c//

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 26, 2016 ⏰

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