16: Ein nie endenes Problem

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Die graue Elizabeth schien es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, mir wir eine äußerst nervige Klette bis vor die Haustür zu folgen. Wahrscheinlich erhoffte sie sich davon, tatsächlich doch noch die Prophezeiung zu bekommen. Dass sie dafür sorgte dass ich, weitgehend, trocken blieb, war nur ein weitere Indiz dafür, dass sie eine falsche Schlange war, die mit allen Mitteln versuchte ihre Ziele zu erreichen. Möglicherweise eine graue Schlange, aber es war eine Schlange. Und Schlangen waren gefährlich. Zumindest glaubte ich das, genau kannte ich mich damit auch nicht aus.
"Wenn du denkst, dass ich dir alles gebe, was du willst, nur weil du mir den ganzen Tag folgst, muss ich dich enttäuschen"
"Musst du nicht"
"Was ich damit eigentlich sagen will: Verzieh dich. Allein schon das du mir aufgelauert bist, ist einfach gruselig. Geh weg!"
Sie versuchte anscheinend bestördt auszusehen.
"Ich bin dir nicht aufgelauert"
"Doch"
"Nein"
"Doch"
Sie seufzte.
"Dieses Gespräch wird von Minute zu Minute unsinniger"
Sie schnippte gegen eine Strähne ihrer dunklen Haare.
"Okay, du willst mir die Prophezeiung offenbar auf keinen Fall geben. Das kann ich verstehe. Zwar nur schwer, aber ich kann. Tu mir dann zumindest einen Gefallen: Sorge dafür, dass Jake sie ebenfalls nicht bekommt"
Ich lachte.
"Hör zu, ich hab keine Ahnung, warum du an diesem mittelalterlichen Gedicht so interessiert bist und ich weiß auch nicht, was zwischen dir und Jake passiert ist..."
Naja, zumindest wusste ich es nicht besonders detailliert...
"...aber eines weiß ich ganz sicher: Darum, dass irgendjemand, insbesondere Jake die Prophezeiung je bekommen könnte, darüber musst du dir nie wieder Sorgen machen. Wirklich nie"

Ich schloss die Haustür hinter mir und atmete tief durch. Dann schüttelte ich mich, wie ein Hund und feine Regentropfen spritzen aus meinem Haar. Ich verstand immer noch nicht, was Elizabeth mit dieser Aktion hatte bezwecken wollen. Irgendwie benahmen sich heute alle ein wenig seltsam. Ich selbst eingeschlossen. Immerhin hatte ich eben erst versucht das Feuer zu beschwören und war dann eine Runde laufen gegangen. Freiwillig!

Ich war jedenfalls ziemlich froh darüber, dass ich das Prophezeiungsproblem ein für alle Male los war. Ich sollte Jake wirklich dankbar dafür sein, dass er sie verbrannt hatte. Ein Haufen Asche war in jedem Fall besser als eine Prophezeiung in Elizabeths Händen. Dabei fiel mir jedoch ein...
"Oh Mist!"
Ich schlug mir mit der flachen Hand gegen die Stirn. Jake hatte ihr die Prophezeiung doch schon einmal gezeigt, kurz bevor sie uns zu einer ziemlich gruseligen Partie Gläserrücken eingeladen hatte. Allerdings hatte Alec das Orginal zu diesem Zeitpunkt bereits entwendet. Die Kopie, die Jake Elizabeth gezeigt hatte, hatte der Feuerschatten zwar erfolgreich vernichtete, aber wer sagte denn, dass Jake nicht noch eine besaß? So etwas würde ihm richtig ähnlich sehen. Ich war so blöd! Warum war ich da nicht schon früher drauf gekommen? Vielleicht war das Verbrennen auch nur eine einzige Show gewesen, um mich davon zu überzeugen, dass die Prophezeiung verloren war. So ein AMO! Ich beschloss ihn bei der nächsten Gelegenheit darauf anzusprechen. Aber erst einmal brauchte ich eine Dusche.

Eigentlich hatte ich wirklich vor gehabt, Jake nach dem Abendessen auf dieses Thema anzusprechen. Ehrlich, ich hatte mir bereits den perfekten Wortlaut zurechtgelegt. Als ich ihn jedoch in der Küche zu Gesicht bekam, verwarf mein Gehirn die dafür gedachte, nicht besonders freundlichen Worte automatisch.

"Ach du liebe Güte! Was ist den mit dir passiert?"
Beas Augen weiteten sich erschrocken als ihr Pflegesohn den Raum betrat. Wie eigentlich immer, war er der letzte der zum Abendessen erschien, wir Anderen saßen schon vor gefüllten Tellern. Ruby kommentierte seinen Auftritt mit:
"Du Armer"
Während Billy die Stirn runzelte und Aiden vollkommen unbeteiligt in seinen Erbsen herum stocherte Ich weiß nicht, was ich für einen Gesichtsausdruck hatte, aber wirklich intelligent war er vermutlich nicht. Jake ging auf nichts davon wirklich ein, ignorierte uns vollkommen und ließ sich seelenruhig auf seinen Platz fallen. Dann bugsierte sich eine Menge an Essen auf seinen Teller, die er es wohl in hundert Jahren nicht schaffen würde das zu essen würde. Das Bea immer noch wie hypnotisiert auf den Bluterguss, den seine rechte Wange zierte, schien in ebenso wenig zu interessieren wie die Tatsache, dass er aussah als hätte er gerade ein Praktikum bei der allgemeinen Waldmüllabfuhr hinter sich.

"Jake, was hast du gemacht?"
"Ich bin gestolpert. So etwas passiert sogar mir ab und zu"
Er ließ die Gabel sinken, wahrscheinlich, weil ihn immer noch alle ansahen. Naja, zumindest alle außer Aiden. Aiden ass einfach weiter.
"Nur weil ich einen blauen Fleck habe, heißt das noch lange nicht, dass ich bald Selbstmord begehen oder so. Komme ich wirklich so psychisch Instabil rüber?"
"Für mich...", setzte Aiden an, ohne das Essen zu unterbrechen.
"...sieht das eher aus, als hätte eine Linkshänderin dir eine Ohrfeige verpasst. Es könnte natürlich auch ein Linkshänder sein. So genau will ich mich nicht festlegen..."

Jakes Mundwinkel zuckten. Er sah aus, als wollte er unbedingt etwas dazu sagen, schließlich begann er einfach die Essensmassen auf seinem Teller in seinen Mund zu befördern. Wahrscheinlich nur um sich selbst den Mund zu stopfen.
"Also lieg ich richtig? War es denn jemand weibliches oder jemand männliches?"
"Es war der Waldboden. Und jetzt iss und sei still"
Aiden feixte, Ruby warf ihm warnende Blicke zu.

Ich warte bis sich die Situationen entspannt hatte und Ruby für ein Tischgespräch gesorgt hatte. Dann erst beugte ich mich zu Jake, der neben mir saß hinüber.
"Jake,..."
Er verdrehte die Augen, ließ die Gabel demonstrativ auf den Teller fallen und blickte mich wütend an.
"Kann man in diesem Haus nicht einfach einmal in Ruhe essen, Bell?" Ich antwortet so leise ich konnte, immerhin war es besser, wenn das hier niemand wirklich mitbekommen würde.
"Ich muss etwas mit dir besprechen, Jacob. Und es ist verdammt wichtig. Wichtiger als die paar Erbsen auf deinem Teller"
Jake schien nicht zu glauben, dass irgendetwas wichtiger sein konnte, als sein Essen. Trotzdem nickte er.
"Wenn du dich kurzfassen kannst, rede halt. Ich höre dir zu, während ich esse, das nennt sich Multitaskingfähig"
Er setzte das Essen fort.
"Ich will wissen, ob du wirklich alles über diese komische Prophezeiung verbrannt hast"
"Natürlich, dass hast du doch gesehen"
"Ich meine, hast du nicht noch irgendeine Art von Kopie zurückbehalten, oder?"
Jake schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, so laut, dass Aiden erschrocken auf schaute. Seine Gabel schepperte als er sie auf seinen Teller fallen ließ.
"Wenn ich sage ich habe alles verbrannt, dann... oh..."
Seine braunen Augen weiteten sich und ich hätte schwören können, dass er etwas blasser wurde.
"Oh, Mist"
Ich seuftze. Es sah fast so aus, als würde sich die Prophezeiung, dieser unscheinbare, lateinische Text zu einem echten nie endenden Problem entwickeln.

Im Zeichen der Elemente {Unüberarbeitete Fassung} Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt