31: Gelüftet Geheimnisse und ihre Folgen

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Aiden und Ruby fehlten beim Arbendessen. Tatsächlich machte es den Eindruck, als hätte Bea nur auf uns gewartet. Sie saß mit hängenden Schultern am Küchentisch und betrachtete ihr unangerührtes Essen. Als wir den Raum betraten, stand sie auf. Der Blick ihrer grünen Augen blieb an Jake hängen.
"Vielleicht solltet ihr euch setzten"
Jake und ich tauschten Blicke.
"Okay..."
"Wenn du meinst..."
Fast synchron ließen wir uns auf die Plätze gegenüber von ihr fallen. Bea sah uns an, als hätten wir gerade ein Haus oder eher ein ganzen Dorf angezündet.
"Könnt ihr mir bitte einmal erklären, warum ich von einem unsere Gäste erfahren muss, dass mein Sohn in die Zukunft sehen kann?"
"Aiden hat gepetzt?!", platzte es aus mir heraus, während sich Jake leise fluchend die dunklen Haare raufte.
"Nicht direkt. Er schien eher davon überzeugt zu sein, dass ich das längst wusste"
Sie schüttelte enttäuscht den Kopf und prompt fühlte ich mich richtig schlecht.
"Ich bin wirklich immer die Letzte, die so etwas erfährt"
Sie blickte Jake jetzt direkt an.
"Du hättest mir davon erzählen können, ich hätte dir geholfen. Genauso wie du, Mia. Die Geschichte mit dem Feuerschatten hätte ich auch früher zu hören bekommen müssen"
Schuldbewusst blickte ich zum Boden. Bis auf einzelne Staubflocken war der geflieste Küchenboden gut zu erkennen. Seltsam, denn genauso fühlte ich mich: Freigelegt und offen zu sehen, voller Schmutz und Dreck. Dreck war generell eine gute Beschreibung der Situation.
"Äh... 'tschuldigung?"
Etwas Intelligenteres fiel mir leider nicht ein. Jake dagegen hatte die Arme vor der Brust verschränkte.
"Das ein oder Geheimnis musst du uns lassen"
Und da war es wieder. Sein kleines, inneres AMO.
Bea stand auf.
"Wenn das so ist, habe ich als Mutter versagt"
Sie ging und ich fühlte mich so mies wie schon lange nicht mehr.

Kaum hatte seine Stiefmutter den Raum verlassen, fiel jede Körperspannung von Jake ab. Er packte Beas ungenutzte Gabel und schloss die Hand darum, sodass die Knöchel weiß hervortaten.
"Ich bin so ein Idiot. Idiotisch, Jake. Idiotisch, verdammt nochmal!"
Ich löste seine Finger vorsichtig von der Gabel, bevor er noch auf die Idee kam, sich damit ernsthaft zu verletzen. Bei der Art wie er sprach und mit diesem Ausdruck im Gesicht hätte ich ihm ausnahmslos alles zugetraut.
"Bell, wenn ich das nächste Mal so etwas sage, wirf bitte etwas nach mir"
Ich schnaubte.
"Wenn ich das jedes Mal machen würde, wenn du so etwas sagst, wärest du längst unter einem riesen Berg aus Wurfgegenständen begraben"
"Echt?"
"Ja. Heute zum Beispiel hätte ich die Innenausstattung eines Mehrfamilienhauses auf dich werfen können"
"Wann?"
"Zum Beispiel, als du gesagt hast, ich würde es irgendwann bereuen mich in die ganze Geschichte eingemischt zu haben"
Jake seufzte.
"Wird das jetzt ein Wir- reden- über- unsere- Gefühle- Gespräch?"
"Eventuell..."
"Ich habe das, was ich gesagt habe nicht so gemeint"
"Wie den sonst?"
"Ich...ich hatte schlechte Laune. So reagieren Männer nun einmal, wenn sie schlechte Laune haben"

Es lebe der Sexismus. Jake war manchmal unmöglich.
"Phil hätte nicht so reagiert"
Er schnaubte.
"Der ist ja auch dein persönlicher Mr. Perfect. Warum heiratest du ihn nicht einfach und bekommst ganz viele kleine Miniphils?"
Ich warf Beas Löffel nach ihm.

"Ich hab das eben wirklich nicht böse gemeint. Ehrlich gesagt, bin ich froh, dass du jetzt zu uns Elementen gehört"
Ich sah ihn an, als hätte er gerade einen ganzen Karpfen verschluckt. Inklusive Gräten.
"Das hast du doch nicht wirklich gesagt..."
"Erwarte ja nicht, dass ich es wiederhole"
Er sah den Löffel an, als sei er der interessanteste Gegenstand der Welt. Vielleicht wollte er ihn auch mit geheimen Jedikräften verbiegen.
"Trotzdem gefällt es mir nicht, dass Aiden und du von all dem wisst..."
Was?
"Du hast dir gerade selbst widersprochen..."
"...einfach weil es dann noch mehr Menschen gibt, um die ich Angst haben muss"

Ich weiß nicht, was ich erwartete hatte, aber das war es nicht gewesen.
"Angst? Du gibst zu Angst zu haben?"
"Schon seid wir die Prophezeiung kennen. Obwohl- eigentlich hat es sogar schon früher angefangen, als die ersten Visionen kamen. Ich hab Angst um dich, um meine Eltern, meine Freunde... und um mich selbst, Angst davor zu sterben, wenn die Prophezeiung sich erfüllt. Ja, ich hab Angst. Eine Scheißangst sogar"
Ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Ich hatte nie damit gerechnet, dass Jake ausgerechnet mir so etwas erzählen würde und irgendwie überfordert mich das. Zum Glück schien Jake keine Reaktion von mir zu erwarten. Er schlug mit der Faust auf den Tisch, sodass alles daraufstehende wackelte.
"Okay, dass waren genug trübseelige Gedanken. Ich fühl mich schon, als würde ich gleich anfangen den Mond anzuheulen und Gedichte zu schreiben"

Im Zeichen der Elemente {Unüberarbeitete Fassung} Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt