Abgrundsstille - Kurzgeschichten

Wüstenspiel

Der hellbraune Falke schoss wie die Kugel eines Luftgewehres durch die flimmernde Luft und zerriss die angespannte Stille der Wüste mit seinem Sturz auf den Boden zu, Flügel angeklappt, Schnabel glänzend, Augen kalt und kalkulierend.

Seine Augen, ein ungewöhnliches Bernstein vermischt mit flüssigem Gold, scharf und stechend in seinem sonnengebräunten Gesicht sahen der Jagd des Tieres kurz zu,bevor sein Blick die Dünen strich, restlos, springend.

Der Tod kam der Wüstenmaus aus dem Himmel gefallen, barmherzig, er war effizient und schnell. Die spitzen Krallen bohrten sich in den Nacken des Nagers, färbten sich rot, der Körper hing schlaff in seinem Griff und die Flügel schwangen ihn mit kräftigen Schlägen gegen die stehende Hitze nach oben, oben oben, eine nicht endende Spirale empor zur Sonne.

Er schlug seine Fersen an die Flanken seines Dromedares und missmutig setzte sich das streng riechende Tier, welcher Geruch sich schon in seine Kleider, seine Haut und seine Seele hineingeätzt hat, in seinen wiegenden, wogenden Gang. Das Wüstenschiff kam wankend in Bewegung.

In der Ferne, weit hinter ihm, kräuselte sich im Horizont eine kleine Staubwolke, doch je längerer sich anstrengte etwas zu erkennen, desto mehr spielte die Wüste ihr Spiel und tanzte und flimmerte und verschwamm die Umrisse, und der Tanz des Falkens am gleißendem Himmel irritierte ihn nur weiter, so dass er sich schlussendlich umdrehte und sein Tier zu schnelleren Tempen antrieb. Die Wüste verwandelte sich von einer ruhigen See zu machtvollen Wogen.

Der Falke schrie, eine stechende Nadel in seinem Herzen, und die Wolke am Himmelsrand bewegte sich unverzüglich gen ihn.

Bis zum Abend, dachte er sich und hieb seinem Reittier die Fersen abermals in die Seiten, bis zum Abend noch.

Die Wüste lachte.