Kapitel 1

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Audrey:

Die kühle Abendluft lässt mich frösteln und ich verschränke meine Arme in der dünnen Jacke. Die Sonne lässt ihre letzten Strahlen über das Tal schweifen und verschwindet dann nach und nach hinter den Bergwipfeln. Ich höre das Zwitschern der Vögel und das leise Quaken von den Fröschen, die mit einem leisen Platschen in den See springen. In mir breitet sich eine angenehme Ruhe aus, während ich den schmalen Schotterweg entlang laufe.

Die Farm meines Vaters liegt versteckt hinter Douglasien, in völliger Abgeschiedenheit. Vielleicht hatte ich mich deswegen entschieden hier her zu kommen, anstatt mit meinen Freundinnen am Strand nach süßen Jungs ausschau zuhalten. Ruhe war genau das, was ich momentan brauchte.

Ich öffne das kleine quietschende Gartentor und laufe an den Gemüsebeeten, auf das erleuchtete Haus, vorbei.

Ich öffne die himmelblau gestrichene Tür und trete in den Flur des Hauses.

„Bin wieder da!"

Ich betrachte mich in dem alten Spiegel, der seine guten Zeiten schon weit hinter sich hatte.

„Ist gut" Mein Vater lächelt mich an und geht an mir vorbei in das Wohnzimmer.

Ich werfe wieder einen Blick zurück in den Spiegel und streiche eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich aus dem Dutt gelöst hat. Ich will mich anlächeln, doch meine dafür zuständigen Gesichtsmuskeln scheinen vergessen zu haben, wie man das macht. Seufzend folge ich meinem Vater in den warmen Wohnraum und genieße die Wärme, die von dem offenen Feuer ausgeht.

Wenige Minuten später sitzen wir zu zweit am massiven Holztisch und lassen uns stumm das Abendbrot schmecken. Es war nicht so, dass wir nie reden würden. Aber ich hatte immer das Gefühl, das mein Vater nicht gut mit Wörter umgehen konnte und froh war, wenn er nicht erst in die Verlegenheit kam.

„Wie geht es dir?"

Erstaunt über diese Frage verschlucke ich mich beinahe an meiner Tomate, die ich mir großzügig in den Mund geschoben habe.

„Gut. Ein bisschen einsam vielleicht, aber besser als woanders wo"

Mein Vater nickt und schneidet sich ein Stück, des selber gemachten Käses ab.

„Fahr doch morgen nach Kalispell. Gibt ein paar Geschäfte und vielleicht lernst du ja jemand kennen"

Warum denken Eltern immer, das es so leicht ist neue Bekanntschaften zu schließen?

„Mal schauen..." Ich schlucke und lasse den Vorschlag auf mich wirken. Es wäre mal eine Abwechslung, versuche ich die Vor- und Nachteile des Ausfluges abzuwiegen.

Was ist bloß nur los mit mir? Zuhause in Portland, kümmerte es mich doch auch nicht, welche Folgen meine Handlungen bringen würden. Aber das war in Portland und hier, hatte ich definitiv zu viel Zeit, beantworte ich mir die Frage selber. Das folgte wahrscheinlich auch auf meine Selbstgespräche hinaus, die ich in meinem Kopf führe. Audrey, du wirst verrückt wenn du hier nicht mal rauskommst! Ein ganz klarer Sieg für den Ausflug.

Am nächsten Tag packe ich nach dem Frühstück meine Sachen und stopfe sie in einen großen, alten Rucksack von mir. Ungeschminkt und in alten Klamotten meiner Mam, steige ich in den dreckigen Chevrolet C10. Jeder Twilight Fan hätte mich um dieses Auto beneidet, garantiert.

Ich schalte das alte Radio an und lasse mich von der Musik berieseln. Wie konnte ich nur so lange auf Musik verzichten, fährt es mir durch den Kopf. Ich stelle den Rückspiegel richtig ein und lasse mich vollständig entspannt in den bequemen Sitz nieder. 45 min Fahrt gingen schnell vorbei.

HoneyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt