Heimtückisch
„Das.hat.er.nicht!", sagt Lina aufgeregt und ich halte mein Handy ein Stück weiter weg von meinem Ohr, um keine bleibenden Gehörschäden davon zu tragen. Denn wenn Lina ausrastet, dann heißt es Drama Baby Drama.
Ich seufze und nicke, weiß aber, dass sie es nicht sehen kann.
„Ja, doch. Er hat gelacht wie ein Huhn, dass gerade frische Eier bekommt. Echt gruselig."
Ich liege mit dem Rücken auf meinem Bett und starre an die klinisch weiße Decke meines Zimmer, die meine Mutter aller paar Tage nach Spinnen absucht. Es ist zum Haareraufen. Da habe ich schon einen kleinen ich-mag-dich-nicht-Faktor gegen Jason entwickelt und dann so was! Entweder hat es jemand geschafft, mich zu verhexen, oder das Universum möchte mir einen Streich spielen. Einen Streich, der ganz und gar nicht witzig ist.
„Ach, komm schon", kichert Lina. „Sag nicht, du hättest es nicht genossen."
Und sofort sitze ich aufrecht im Bett. Bitte was hat sie da gesagt?
„Waru-... WAS stimmt mit dir nicht?!", rufe ich aufgebracht in den Hörer. Mein Herz pulsiert wie wild gegen meine Brust, sodass ich es an meinem Hals regelrecht spüren kann. Auch nur der Gedanke, dass ich es genossen hätte, Jasons Blicke auf meinem halbnackten Körper zu spüren, bereitet mir Unbehagen.
„Na, Jason sieht ja nicht gerade schlecht aus."
Ich kann sie regelrecht Grinsen hören. Doch mich interessiert etwas völlig anderes.
„Du- du kennst ihn?"
Ich kann mich nicht daran erinnern, meine beste Freundin und meinen neuen besten Feind miteinander gesehen zu haben.
„Ja, ja", sagte Lina bloß, als würde es nebensächlich sein
Das sollte es auch, mahnt mich meine innere Stimme.
„Jedenfalls ist er ein echter Traumtyp! Seine Augen, Gott Lissa, seine Augen! Sie sind so krass grün, das ich dachte, er hätte sich ein Stück Wiese ins Gesicht geklatscht! Und sein Oberkörper, heilige Maria! Er macht selbst Johnny Konkurrenz!" - Johnny ist der "heiß trainierte" Bad Boy aus unserem Jahrgang - „Oh oh oh! Und – ALISSA! - er riecht nach Chanel!"
Und sofort lache ich auf. Chanel. Was für ein Mädchen. Aber ich muss zugeben, dass es interessiert klingt. In so einem Ort wie Canester gibt es nur ein Parfüm in unserem kleinen Tante Emma Laden, nämlich ‚Blumen der Frische'. Aber es ist ja nicht so, dass jeder statt ‚Frische' Fische liest oder dass dieses Zeug stinkt wie Kuhkacka.
„Denkst du, er ist schwul?", frage ich Lina, nachdem ich mich wieder beruhigt habe. Meine Freundin schnappt nur empört nach Luft, so als hätte ich etwas furchtbar Schlimmes gesagt. Habe ich das?
„Alissa! Nur, weil er Chanel trägt, soll er schwul sein?"
Ich seufze, denn mein Gehirn ist überfordert und mein Körper ausgelaugt. Der Tag war anstrengender, als ich gedacht habe.
„Es war nur eine Vermutung."
~*~
Ich wache durch ein lautes, regelmäßiges Prasseln auf. Verschlafen stelle ich fest, dass es regnet und die Tropfen anscheinend die Absicht haben, mein Fenster zu zerschlagen. Böse Tropfen.
Mein Wecker zeigt sechs Uhr fünfundvierzig an, also schäle ich mich aus meinem viel zu gemütlichen Bett und tapse die Treppen runter in Richtung Küche. Das fahle Licht der langsam aufgehenden Sonne, versteckt hinter großen Wolkenmassen, bricht sich nur spärlich durch das runde Fensterglas unserer Haustür und lässt den Flur mit den hohen Wänden in einem schaurigen Dunkelblau schimmern. Um die Gänsehaut, die sich wie ein unerwünschter Feind über meine Haut schleicht, zu vertreiben, knipse ich das Licht an. Doch nichts passiert. Die Lampe über mir zirpt nur kurz, aber gibt keine weitere Reaktion von sich. Und als ich auch das Licht in der Küche, im Wohnzimmer und dem Speiseraum ausprobiert habe, bin ich mir sicher, dass der Strom ausgefallen ist. Doch zu meinem Leidwesen muss ich sagen, dass das eigentlich nichts besonderes ist. So etwas passiert häufiger.
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Let Him Go | h.s. (pausiert)
FanficIch hatte mich nie über mein Leben beschwert. Es war so, wie es sein sollte. Ich hatte fürsorgliche Eltern, eine strenge Oma, die meinem Opa die Schokolade aus der Hand riss, eine beste Freundin und gute Noten. Meine Zukunft war bereits beschlossen...