Wow!

27 6 0
                                    

Was für eine Erscheinung! Das glaubt man kaum! Groß, rundlich, kein einziges Haar mehr auf dem Kopf und hochgekrempelte Ärmel! Normalerweise besteht seine Kampfausrüstung aus Jeans und T-Shirt, aber zur Feier des Tages hat er einen Anzug angezogen, in dem er sich sichtlich unwohl fühlt. Quasi das Abbild vom Schurken Gru in Ich, einfach unverbesserlich . Keine Frage: Seine zwei Kinder werden ihn lieben. Er ist der netteste Typ, den ich getroffen habe, seit ich im Berufsleben stehe. „Na? Blackouts, was die Namen der Stars angeht?" „Ganz genau, Éric! Ich bin aufgeschmissen!" Er klopft mir freundschaftlich auf den Rücken. „Keine Panik. Ich habe am Anfang auch alles durcheinandergeworfen", antwortet er und zieht mich etwas zur Seite, damit wir das Geschehen besser betrachten können. Ich betrachte die Menge, während er mir einen Überblick verschafft. „Siehst du die Frau da? Groß, blond, mit dem Rücken zu uns?" „Die in dem schwarzen Kleid mit seitlichem Schlitz?" „Ja. Genau die. Sie ist immer sehr klassisch gekleidet. Das ist Gisele Bündchen!" „Ach ja, das Topmodel! Wieso habe ich sie bloß nicht erkannt?" „Entspann dich, alles wird gut! Hab Vertrauen in dich! Vor allem bei ihr, sie ist nämlich echt sympathisch. Aber es ist schwer, an sie heranzukommen, weil die Promipresse sie belagert. Da wirst du kaum mehr als einen Satz von ihr bekommen, aber dafür lässt sie sich gerne fotografieren und filmen. Das da hinter Gisele ist Shemar Moore." „Verdammt, sein Gesicht kommt mir so bekannt vor!" „Klar, er spielt bei Criminal Minds mit. Er ist bei allen Charity Events dabei, weil er sich selbst auch stark engagiert." „Stimmt! Du hast Recht! Der Typ sieht einfach klasse aus!" „Oh ja, du wirst ihn noch öfters bewundern können. Er arbeitet auch als Model und ist bei jeder Fashion Week dabei, auch demnächst in Paris. Du wirst sein Gesicht überall sehen!" „Kann man ihn interviewen?" „Ja. Er ist schrecklich nett. Wenn du dich mit ihm gut stellen willst, dann erwähne seine karitativen Bemühungen." „In welchem Bereich denn genau?" „Er engagiert sich stark im Kampf gegen multiple Sklerose. Seine Mutter ist daran erkrankt." Etwas weiter weg stehen Albert von Monaco und seine Frau in einem wunderschönen, weißen Etuikleid, das ihre sportliche Figur zur Geltung und ihre blonden Haare zum Strahlen bringt. Ähm, die stelle ich dir nicht vor, okay?", scherzt er. „Nein, das geht schon, aber danke! Machst du dich etwa über mich lustig?" Éric verzieht das Gesicht, doch ich hole ihn auf den Boden der Tatsachen zurück. Eine Gruppe Leute sagt mir überhaupt nichts, doch alle Gäste scheinen sich um sie zu scharen. Man könnte meinen, sie seien super-berühmt. Nur weiß ich nicht, warum! „Dieser Mann da, der etwas ältere." „Weiße, frisierte Haare? Aristokratisches Äußeres?" „Ja, wer ist das?" „Ferdinand Longchamps." Noch nie gehört." „Im Ernst?", fragt Éric entgeistert und verdreht die Augen. „Dabei hast du doch Eltern, die einen Biobauernhof leiten!" Ich blicke ihn erstaunt an. Warum ist das so unglaublich? Und wo ist da bitte der Bezug? „Wirklich, ich schwöre - der Name sagt mir nichts." „Und das Lebensmittelunternehmen Long Life ? „Ach ja, klar! Meine Eltern sind nicht gerade Fans von deren Produkten." „Wirklich?! Aber auch er engagiert sich für diverse Vereine." „Das glaube ich dir aufs Wort. Ich habe überhaupt keine Ahnung." „Er ist immer sehr großzügig. Wahrscheinlich wird er einen fetten Scheck für die Organisation ausstellen, die heute Abend geehrt wird - vor vielen laufenden Kameras." Ich beobachte ihn aufmerksam. Ich weiß nicht, ob ich ihn sympathisch oder erschreckend finden soll. Was für ein seltsamer Mann ... Er steht aufrecht und trägt eine dunkle Brille. Als er sie abnimmt und sich kaum merklich dreht, erhasche ich einen kurzen Blick auf seine müden Augen. Éric flüstert mir zu, dass er schon über siebzig sein muss, aber er strahlt so eine Energie aus, dass man ihn für maximal sechzig Jahre halten würde. Seine Gesichtszüge sind hart, beinahe streng, wenn er mit den Leuten spricht, die in seiner Nähe stehen und die scheinbar Bekannte sind. Sobald ein Journalist näherkommt, ändert er sich nicht radikal, wird jedoch freundlicher. Während ich ihn weiter beobachte, frage ich Éric aus. „Kann man ihn ansprechen?" „Du bist von der Presse, also ja. Er wird dir aber nur das erzählen, was er auch gedruckt sehen will. Er ist zu versiert, als dass ihm etwas rausrutschen würde. Und er misstraut einem sowieso, egal wie nett du wirkst. Eigentlich spielt es bei ihm keine Rolle, ob du für Le Monde oder Mickey Magazin schreibst, er wird immer auf der Hut sein. Wenn du einen Presseausweis hast, bist du auf jeden Fall interessant für ihn. Aber auch gefährlich, wenn du nicht die von ihm gewünschte Meldung des Tages bringst ... Und wage es ja nicht, nach seinen Geschäften zu fragen. So in etwa läuft der Hase bei ihm." Gut zu wissen ... Ich frage Éric nach den zwei Gesprächspartnern, die neben Longchamps stehen. „Wer sind die zwei Männer da? Scheint nicht gerade ein entspanntes Gespräch zu sein ..." „Der zu uns blickt, der kleine, dunkelhaarige mit Bart und den krausen Haaren ist Arthur Delgado. Den Namen musst du dir merken, denn er ist der Agent von vielen Stars, auch wenn er noch ziemlich jung ist. Für einen Dreißigjährigen ist sein Portfolio unglaublich! Ihn solltest du wegen der meisten Interviews kontaktieren." „Er wirkt sympathisch ..." „Ja, für einen Agenten schon. Er ist sehr professionell, immer direkt, du kannst guten Gewissens mit ihm zusammenarbeiten - was man nicht von allen Agenten sagen kann." Schließlich betrachte ich den dritten Mann, dessen Gesicht ich nicht sehen kann. Er hat breite Schultern und muss mindestens 1,90 Meter groß sein. Selbst von hinten ist seine Statur beeindruckend und er scheint allein durch seine Anwesenheit den ganzen Raum zu füllen. Er strahlt eine gelassene Sicherheit aus. Ich frage mich wirklich, wie er von vorne aussieht. Seine Haare sind hellbraun, der Anzug ist perfekt geschnitten, eindeutig von einem großen Modedesigner. Und ich weiß, wovon ich spreche! Auch wenn ich mich mit den Namen der Stars noch nicht so gut auskenne - in zwei Dingen bin ich unschlagbar: den Job eines Promis auf den ersten Blick zu erraten und von weitem seinen Stil zu erkennen. Vom Schnitt her sehr tailliert, die Hose gerade, eng an den muskulösen Beinen anliegend - dieser Anzug muss von Arnys sein, eine Maßanfertigung. So wahr ich Cléo Delille heiße! Erste Wahl! Der breite Rücken dieses geheimnisvollen Gastes bringt mich ganz durcheinander. Ich sehe nur den Nacken mit der dunklen Haut und ich hätte gern meinen Freund nach seinem Namen gefragt, doch genau in dem Augenblick dreht sich der Fremde um ... Und mein Herz bleibt stehen. Wow!

Begierde Des HerzensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt