Kein Heimweh

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Ich sehe zu, wie Stiles sich an seinen geordneten Schreibtisch setzt, um zu büffeln, und fange an meine Wäsche in Stapeln auf dem Bett auszupacken. "Wo soll ich das Zeug hintun?", frage ich und er sagt: "Warte kurz. Ich hab' da etwas für dich. Einen Moment."

Ich bleibe ein wenig verdutzt stehen und zucke mit den Schultern. Einige Augenblicke kam er keuchend zurück. "Alles okay? Was ist das?", frage ich verwirrt. "Das, Fate, ist dein neuer Kleiderschrank." Er hat einen weißen, flachen Holzkasten in der Hand. Ich sehe ihn verständnislos an, denn er nimmt das Teil an der einen Seite und bedeutet mir die andere Seite zu fassen, damit wir es flach auf den Boden legen können. "Du faltest deine Sachen und stapelst sie hier bis zum Rand. Dann machst du das hier.", erklärt er und schiebt mit seinem ganzen Körpergewicht angestrengt  den Kasten unter sein Bett. "Ahhhh. Jetzt verstehe ich das. Gute Idee. Warum hast du mich nicht gefragt, ich hätte das hertragen können?", frage ich verwundert und Stiles nickt und lächelt zufrieden.

Er erwiedert: "Ich bin zwar ein Mensch, aber robust. Frag Scott, was wir schon alles erlebt haben" und zwinkert mir zu. Ich schüttle belustigt den Kopf und setze mich auf das Bett.

"Jetzt muss ich aber lernen, sonst falle ich morgen durch. Sieh dich ruhig um, fühl' dich einfach wie Zuhause.", sagt er freundlich.

Hoffentlich fühle ich mich hier nicht wie Zuhause.

"Danke, Stiles.", murmle ich und knie auf dem Boden, um den Kleiderkasten zu mir rüberzuschieben. Ich fange an meine Kleider so dünn wie möglich zu falten und sorgfältig einzuordnen. Meine Kosmetiktasche lege ich in einen Schrank im Bad und schaue in den Spiegel.

Ich sehe ihm ähnlich...
Ich bin nicht wie er, ich bin anders. Ich bin ich, Fate Jaspers. Ich bin FATE JASPERS!

Ich beschließe duschen zu gehen, denn morgen werde ich mir eine Arbeit suchen, mich integrieren. Das erste Mal in meinem Leben.
Ich öffne die Schranktür und hole ein kleines und ein großes weißes Handtuch hervor und lege beide auf das Waschbecken. Dann hole ich die Sachen, die ich brauche aus meinem Kulturbeutel, ziehe ich meine Kleider aus und steige unter die warme Dusche.

Wie lange kann ich diese Fassade aufrechterhalten? Wann wird ihnen aufallen, dass ich etwas verberge?
Ich will ihnen nichts böses, ich will einfach nur nicht mehr einsam sein, mich sicher fühlen. Sicher vor ihm...

Kurze Zeit später drehte ich den Hahn ab und trocknete mich ab.

Mist, ich hab' vergessen meine Kleidung mitzunehmen!

Ein wenig beschämt spaziere ich also so unauffällig wie möglich in Stiles Zimmer, während ich mir ein Handtuch umhabe. Zu meinem Leidwesen dreht sich Stiles aber unsicher um und sieht mich kurz geschockt an und meint: "F...Fate. Tut mir leid, tut mir leid. Ich wusste nicht, dass du..." "Schon okay, Stiles. Alles okay. Ich bin ja nicht nackt oder so.", beruhige ich ihn und schmunzle aufgrund seiner Reaktion.

Das sind gute Leute. Ich muss ihnen beweisen, dass ich mir dessen bewusst bin. Ich muss es Scott zeigen. Er hat es verdient, weil er mir eine Chance gibt.

Ich versuche Scott aus meinen Gedanken zu vertreiben, doch ich kann es nicht.
Ob ich mich anziehe, mir die Haare kämme, trinke oder esse, ich denke nur an sein perfektes Lächeln, seine gütigen Augen und seine angenehme Stimme. Selbst sein Geruch ist einfach perfekt. Er riecht so wunderbar. Sein Duft ist unbeschreiblich.

Ich schaue auf die Uhr. Es ist kurz vor Mitternacht. "Stiles.", sage ich, "Wir sollten etwas essen und dann schlafen gehen." "Aber ich kann noch nicht alles. Was ist, wenn ich morgen alles vergesse?", fragt er verzweifelt, die Augen kleben förmlich an seinem Mathebuch. "Wenn du nicht schläfst und isst, dann wirst du dich morgen nicht konzentrieren können. Ich bin mir sicher, du wirst bestehen. Und jetzt los, ich verhungere.", fordere ich ihn auf und Stiles schaut das erste Mal auf.

"Weißt du was?", sagte er mit einer plötzlichen Entschlossenheit, "Ich kann das. Ich schaffe das."
Er klappt das Buch unglaublich laut zu und folgt mir nach unten in die Küche. Dort machen wir uns unzählige Sandwitches und Stiles erzählt unglaubliche Geschichten, die er erlebt hat.
"So, jetzt wird es aber Zeit.", sagt Stiles auf die Uhr schauend. Ich nicke und verschwinde kurz im Bad, um mir die Zähne zu putzen. Einige Minuten später komme ich hinaus und lege mich auf eine frisch bezogene Matratze. "Danke.", sage ich und lege mich hin.

"Stiles?", frage ich, "Warum glotzst du mich so komisch an?" und drehe mich um. Stiles sieht schnell weg und behauptet: "Ich glotze nicht. Ich kann nur nicht schlafen."
Sein Herz klopft unregelmäßig, als er das gesagt hat, aber ich will nicht weiter darüber sprechen.

Lüge.

Meine Vermutung wird bestätigt, als Stiles fünf Minuten später wie ein Bär schnarcht.

Was verheimlicht er mir?

Das ist mein letzter Gedanke, bevor ich vor Erschöpfung einschlafe.

Alpha Und Omega • Scott McCallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt