Hochzeit in Moll

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Der letzte Gast des Café California sollte mit Fedora und grauem Mantel das Geschäft um achtzehn Uhr sechsundvierzig verlassen. Die Zeitung die er las würde er beiseite legen, die Verkäuferin nicht ansehen und den genauen Preis seines Cappuccino Karamell bezahlen. Es waren drei Dollar und zehn Penny, die auf Tisch Acht des Etablissement fallen mussten und noch einige Sekunden den Raum durch ihr Geklimper erschallen lassen sollten. 

Was keiner wusste, er hatte erst vor einigen Tagen seinen Job verloren und seit dieser Zeit sich erfolglos um eine neue Arbeitsstelle bemüht. Absagen häuften sich über etwaige Überlegungen und Mutmachungen, die sowieso niemals überdacht und wahrgenommen wurden. 

Die Musik des Cafés umschlug ihn ein letztes Mal, er wippte mit seinem Fuß, schloss für einen Moment die Augen und sprach mit seinen Lippen den Refrain nach. Erinnerungen und Gefühle längst vergangener Zeiten strömten in seinen Geist. Er fühlte sich in diesem Moment ganz magisch, er fühlte sich ganz beschützt und geliebt. Wie sehr sehnte er sich nach diesem Gefühl. 

Was hatte er alles versucht? War es falsch was er machte? Zeigte er sich doch ganz anders als die anderen und war damit seinem „Ich" näher als der Rest. War er doch der Mensch mit seiner Freiheit, war er doch der Mensch der er immer sein wollte. Vielleicht hätte er zu Margerie zurück gehen sollen. Was sie wohl in diesem Moment machen würde? Säße sie doch sicher in ihrem Café in Paris, würde ihre Bitterschokolade genießen und sich vielleicht auch nach ihm sehnen. Oh wie liebte er sie, wie ließ er sie im Stich. Oh wie liebte sie ihn, wie ließ sie ihn im Stich. Wie ließ er sich selbst im Stich, wie ließ das Schicksal das alles zu. Sein Herz schlug ein letztes Mal für seine Liebe mit der schönen Perlenkette und dem Lächeln voller Liebe. Ein letztes Mal erinnerte er sich an ihren letzten Kuss, an das Bild in seinem Portemonnaie. 


So verschwand er letztlich durch die Tür, ließ es noch einmal die kleine Glocke erschallen und schwieg für immer, ließ den Mund geschlossen. Er warf einen letzten Blick zur Verkäuferin, schenkte ihr ein Lächeln und zog den Hut dann tief in sein Gesicht. Es sollte das letzte Mal gewesen sein, dass man ihn in dieser Stadt sah. Es sollte das letzte Mal gewesen sein, dass sein Körper das Gefühl einer Zuneigung erfuhr.


Das Geschäft würde in dreiundzwanzig Minuten schließen, die Verkäuferin begann bereits jetzt die ersten Stühle auf die Tische zu stellen. Im Gegensatz zum letzten Gast, sang sie den Text mit und scheute sich nicht vor etwaigen Reaktionen. Es war Geschichte und vergangen.



„Please draw the past and be true 



Don't think we're okay just because I'm here 



You hurt me bad but I wont shed a tear" 


Und es erklang der Refrain.


„I'm leaving you for the last time baby



You think you're loving, but you don't love me



I've been confused outta my mind lately



You think you're loving, but I want to be free, baby you've hurt me."


Was war alles passiert? So liebten sie sich doch - zumindest tat sie es von beiden. Hatte er nur mit ihr gespielt? Es war ihre erste Liebe, sie war erst fünfzehn und er schon dreiundzwanzig. Vielleicht war sie es, die diese Liebe gewollt und sich alles so schön ausmalte, während er nur eine Liebelei, vielleicht eine Ablenkung wollte. Was wusste sie überhaupt von ihm? Sie kannte ihn doch gar nicht. Es war so kindisch, warum schenkte sie ihm einen Gedanken? Er war es doch gar nicht wert. Was erlaubte er sich überhaupt in ihre Gedanken zu kommen? Sie ging zu Tisch Acht und sammelte sein Geld ein. Wo er wohl heute hin wollte? Vielleicht suchte er sich bereits eine Neue aus der Stadt, vielleicht spielte er sein altes Spiel erneut. Konnte er überhaupt richtig lieben und eine Person heiraten? Vielleicht war er auch Verbrecher. Ein schäbiger alter Dieb oder Mörder, jemand mit tief versifftem Blut, mit kriminellen Eigenschaften. Ja, so musste es sein! Es konnte gar keine andere Möglichkeit geben. Zum Glück würde sie niemals wieder auf ihn reinfallen. Sie ergriff auch das Bild, welches daneben lag. Eine schöne Frau zierte es, „Margerie" stand drauf. Sie zündete es an, erblickte, wie das Lächeln verbrannte und schmiss die Asche schließlich in den Müll. Wie sehr war das Herz der Frau von Hass erfüllt.


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