Thorns of dark roses

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Dumpf schallten die Schritte des jungen Mädchens durch die leere Straße. Das rötliche Licht der Abendsonne ließ ihre kastanienbraunen Haare samten glänzen, sodass es fast einen Kontrast zu den tief schwarzen Augen gab. Aus den Kopfhörern erklang leise die Melodie eines Rocksongs nach außen, sie hörte ihn in letzter Zeit immer auf dem Nachhauseweg. Ihre Hände hatte sie in den Taschen ihres Hoodies vergraben und den Blick gelangweilt nach unten gerichtet. Froh, endlich aus der Schule raus zu sein, dachte sie bereits sehnlich an das Wochenende. Ausnahmsweise hatte sie keine Pläne, weshalb sie sich schon seit Montag darauf freute. Sie hatte zwar nichts dagegen, etwas mit ihren Freunden zu unternehmen, doch liebte sie es, auch mal ihre Ruhe zu haben.

Der Song endete, als sie bereits ihr Handy hervor holte, um ihn erneut abzuspielen. Gerade, als sie auf „Start“ gehen wollte, vernahm sie ein Geräusch, welches sie von ihrem Handy aufschauen ließ. Es war ein lautes, metallenes Scheppern, das aus einer Gasse auf der anderen Straßenseite kam. Zwar wollte sie eigentlich früher Zuhause sein als sonst, aber die Neugier überkam sie. Sie dachte sich, dass es wohl nur durch ein Tier oder so etwas in der Art verursacht wurde, schließlich gab es in letzter Zeit viele Waschbären in der Gegend, doch sie wollte zu gerne wissen, was dort war. Die paar Minuten würden ja wohl nichts ausmachen. Sie wickelte die Kopfhörer um das Handy und verstaute es in ihrer Hoodietasche. Leise ging sie über die Straße und betrat die abgelegene Gasse. Ihre Augen schweiften prüfend durch die Dunkelheit. Angestrengt versuchte sie, etwas zu erkennen, denn die Straßenlaternen in diesem Bezirk waren für gewöhnlich nie eingeschaltet. Dann, etwas weiter hinten, glaubte sie, etwas zu sehen. Von ihrem Standpunkt aus ähnelte es stark einer umgekippten Mülltonne, doch hatte es eine ziemlich seltsame Form...

Mit einem Schmunzeln auf den Lippen vermutete sie scherzhaft, dass es ein Transformer sein könnte. Der Müllheld das Jahrhunderts!

Sie beschloss, es sich näher anzugucken und machte einen Schritt darauf zu. Plötzlich durchfuhr ihr ein kalter Schauer. Jemand hielt sie mit starkem Griff an der Schulter fest und presste die andere Hand auf ihren Mund. Für einen Moment war sie unfähig jeder Regung, doch als sie sich dann umdrehen und befreien wollte, spürte sie bloß, wie die ungewöhnlich starke Hand auf ihrer Schulter sie zu Boden zwang. Ihre Wange wurde auf den schmutzigen Untergrund gedrückt, während die Hand auf ihrem Mund sich löste. Sofort schrie sie laut um Hilfe und versuchte, sich aus seinem festen Griff zu lösen, doch sie wurde eisern unten gehalten. Panik kam in ihr auf, als sie auf einmal etwas kaltes an ihrem Arm spürte und die Stimme eines Mannes vernahm, nicht sehr alt, vielleicht 17 oder 18. „Schrei doch nicht so, ich werde auch nicht allzu grob sein...“ Der unheimliche Unterton, wie sie ihn sonst nur aus Filmen kannte, ließ ihr den Atem stocken. Sie bekam Angst, als sie nachdachte, was er damit meinte und sie begriff nun, was der kalte Gegenstand war, hoffte noch vergebens, dass sie Falsch lag. Leicht panisch versuchte sie den Kopf zu ihm zu drehen, aber sofort wurde sie wieder hart mit der Wange auf den Boden gerammt. Das einzige, was sie erkennen konnte, war eine ein schwarzes Nichts, wo ein Auge sitzen sollte, das den Schatten einer tief ins Gesicht gezogenen Kapuze erweiterte. Ihr gefror das Blut in den Adern... Hatte sie die Panik das bloß glauben lassen, oder war das gerade wirklich ein schwarzes Loch?

Auf einmal spürte sie einen schneidenden Schmerz an ihrem Arm, der sich immer weiter hochzog und etwas erschreckend Warmes lief ihre Haut herunter bis es von ihren Fingern zu Boden tropfte. Es war ihr eigenes Blut. Sie fing an zu zittern und begann mit aller Kraft zu versuchen, sich loszureißen. Er rutschte mit dem Messer ab und verdrehte ihr augenblicklich den Arm fast einmal rum. Ein gequälter Schmerzensschrei entfuhr ihr, sie wand sich vor Schmerzen auf dem Boden und verzog ihr Gesicht. Der Fremde fuhr langsam mit dem Finger durch das Blut auf ihrer Haut und leckte es hämischgrinsend ab. „Würdest du dich nicht so wehren, täte es vielleicht nicht mehr so weh.“, sagte er gespielt verständnisvoll, doch sie konnte genau hören, dass er es sarkastisch meinte. Mit einem kräftigen Ruck zog er sie an den Haaren hoch und musterte sie mit dem schwarzen Auge. Ihre verzweifelten Versuche von ihm loszukommen beendete er einfach, indem er ihr das Messer unters Kinn hielt. Er hob es damit leicht an, damit er ihr angsterfülltes Gesicht betrachten konnte, wobei dich die Spitze immer mehr in ihre Haut bohrte. Die Zähne zusammenbeißend sah sie ihm in die Augen, doch ihr Blick war verschwommen, da der Schmerz ihr Tränen in die Augen trieb. Sein Gesicht war in der eingetretenen Dunkelheit kaum erkennbar, dennoch sah sie, wie sich sein Mund bewegte, als er sprach. „Du bist fast schon zu Schade zum töten...“ Er blickte in ihre vor Todesangst geweiteten Augen, wobei ein finsteres Grinsen über seine Lippen kroch. Als er sein Messer dann an ihrem Hals anlegte, begann sie, um ihr Leben zu flehen. „Lassen sie mich gehen, ich habe ihnen doch nichts getan! Ich flehe sie an, ich werde auch alles tu-...“, weiter kam sie nicht. Ihre Stimme hatte sich vor Hysterie überschlagen und gebrochen, doch er hatte ihr die Hand auf den Mund gelegt um sie zum schweigen zu bringen. Tränen der Verzweiflung rannen ihre Wangen herunter und tropften zu Boden, aber er lachte nur. Es war ein leises Lachen, wie man lacht, wenn ein kleines Kind etwas niedliches, aber dummes oder sinnloses tat. Dennoch, in einer solchen Situation ließ es ihn in ihren Augen wie die Figur eines Horrorfilms wirken. Die Klinge des Messers drückte etwas auf ihre Haut und noch bevor sie sich hätte wehren können, erklang seine Stimme beängstigend ruhig: „Still halten, sonst könnte noch ein tragischer Unfall geschehen.“ Sie schluckte, aber bewegte sich nicht. Todesängste zerfraßen ihren Geist und ihr einziger Wunsch war es, weit weg zu können. Doch sie musste bleiben, ohne eine andere Wahl zu haben.

Das Messer drückte immer stärker auf ihren Hals, bis die Klinge schließlich ihre Haut aufschlitzte und eine längeren Linie zog. Nach einigen Zentimetern hob er es ein wenig an und wiederholte es erneut an mehreren anderen Stellen, bis es das Abbild von etwas wie einer Rune hatte.

Bei jedem Schnitt zuckte sie erneut zusammen und hatte Mühe, still zu halten, da die Panik in ihr tobte und sich mit jedem Schnitt steigerte. Tausende Dinge gingen ihr durch den Kopf, vor allem die eine Frage: „Werde ich das überleben?“ . Immer und immer wieder, bei jedem Schnitt wiederholte sich diese Frage. Jedes mal lauter und realer, das ihr förmlich der Atem stockte.

„Hübsch geworden...Deine Haut eignet sich wirklich perfekt dafür.“ , unterbrach ihr Peniger ihre Gedanken mit einer Selbstverständlichkeit, wie sie in einem solchen Moment einfach nur absurd erschien. Er strich beinahe liebevoll eine Strähne aus dem Gesicht des zitternden Mädchens, um darauf sein Werk zu betrachten. Nach einigen Minuten stand er schließlich auf, warf ihr einen höflich/gruseligen Blick zu und verschwand dann spurlos auf der Straße.

In ihrem Kopf hallten noch die Worte „Bis zum nächsten mal“ wider, jedoch schrieb sie diese ihrer Angst zu.

Gefühlte Stunden saß sie noch auf dem Boden, mit leerem Blick zur Straße starrend. Eine ihrer Hände presste sich krampfhaft auf die seltsame Wunde an ihrem Hals. Sie war unfähig, sich von der Stelle zu bewegen. Ihr Gesicht war leichenblass und unter ihrem Arm war der Boden blutverschmiert. Das Blut aus der Wunde an ihrem Hals lief in ihre Klamotten, doch in diesem Moment nahm sie es nicht mal wahr.

Eine halbe Ewigkeit war vergangen, als sie ihr Handy in ihrer Tasche vibrieren spürte. Es schreckte sie aus ihrer Starre und sofort griff sie danach. Mit zittrigen Händen holte sie es hervor, aber noch bevor sie überhaupt auf das Display hätte sehen können, fiel es ihr aus den Händen auf den Boden, wo der Akku mit einem lauten Klacken heraussprang. Sie wollte noch nach ihm greifen, doch als sie sah, dass er weiter hinten in der Dunkelheit lag, fernab dem schummrigen Licht des Abends, zog sie ihre Hand ruckartig zurück. „Ich muss sofort nach Hause!“, schoss es ihr durch den Kopf. „Was wäre, wenn er wieder käme...?“ . Zwar war bloß ihr Arm verletzt, doch war sie kaum in der Lage, sich auf den Beinen zu halten. Der Schock schien ihr jegliche Kraft und Mut geraubt zu haben. Sie stützte sich mit einer Hand an der Mauer ab, als sie sich zusammenriss und versuchte, aufzustehen. Ihren verwundeten Arm hatte sie fest an ihren Oberkörper gepresst, spürte dabei, wie das Blut an ihren Sachen trocknete und sich tief Braun verfärbte, was in dem Licht ein wenig aussah, wie die einzelnen Blütenblätter einer schwarzen Rose.

Tiefe Atemzüge halfen ihr dabei, sich zu beruhigen, auch wenn ihre Angst, dass er zurückkehren könnte, noch immer Oberhand behielt.

Nach einiger Zeit stand sie dann sicherer auf den Beinen und setzte, noch immer am ganzen Leibe zitternd, einen Fuß vor den anderen. Sie betrat nach etlichen Minuten dann den Bordstein der Straße, die sie sonst jeden Abend so normal entlang ging. Es war bereits dunkel und die letzten strahlen der Abendsonne stellten sich als einzige Lichtquelle heraus, die weit und breit zu finden war. Ihr Blick richtete sich auf die alten Wohnhäuser. Ihr fiel sofort auf, dass in keinem der Fenster auch nur ein einziges Licht brannte. „Darum hat mich also niemand schreien hören...“ , dachte sie stumm, als sie bemerkte, dass ihr erneut Tränen in die Augen schossen. Nur mit viel Mühe konnte sie diese noch zurückhalten, sicher würde es Leute anlocken, wenn sie jetzt anfinge, auf offener Straße zu weinen, und das bestimmt keine symphatischen Personen. Sie wischte mit dem Handrücken über ihre Augen und atmete tief durch. Noch etwas unsicher begab sie  sich nach Hause, achtete auf jedes noch so leises Geräusch. Jedes Knacken, jedes Rascheln brachte sie zum zusammen Zucken und ließ sie immer schneller gehen. Der Geruch trockenen Blutes war noch dazu unerträglich, aber immerhin schien der Schmerz zurückgegangen zu sein, wenn auch wenn ein stechendes Brennen unaufhörlich blieb.

Als sie ihr Haus dann endlich erreichte, klingelte sie sofort sturm. Sie hörte von der Tür aus, wie der schrille Ton durch das Gebäude hallte, doch das war auch das Einzige was man vernehmen konnte. Keine Schritte, kein Fluchen über das stürmische geklingel, wie es ihre Mutter normalerweise tat. Etwa, wenn  der Schornsteinfeger wieder zu früh da war und dieser sie dadurch weckte. Stattdessen nichts. Kein Laut, der ein Lebenszeichen hätte bedeuten können. Selbst nach 5 Minuten kam niemand und ein Gedanke raste ihr durch den Kopf, der ihr Herz beinahe stehen bleiben ließ.

Was wäre, wenn „Er“ bereits vor ihr hier gewesen war?

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