Die Gefahr der Flammen

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Wie lange hatte sie schon hier gestanden? Sie wusste es nicht. Sie wusste nur, dass sie die stille Kälte, die langsam in ihr hochkroch, nicht mochte. Aber sie hatte die Dunkelheit in den Tunneln der Londerner U-Bahn noch nie gemocht. Sie hatte keine andere Wahl. Es war ja kein Wunder, dass man in so einer großen Stadt wie London nicht einfach von Ort zu Ort laufen konnte.

Die flackernden Neonröhren beleuchteten die Haltestellen der Underground nur spärlich. Sie versuchte sich einzureden, dass es hier unten ein wenig war wie nachts. Dunkel. Wenig Licht von oben. Die Lichtröhren imitieren in ihren Gedanken den Mond. Aber es war nicht das selbe. Natürlich nicht.

Sie stand ganz alleine in der riesigen unterirdischen Halle. Bis auf einen einzigen Mann in einem Anzug, der geradeaus auf eines der Werbeplakate gegenüber guckte, worauf Zitronenbonbons abgebildet waren. Er verzog keine Miene. Er bewegte sich nicht einmal. Neben ihm stand ein kleiner schwarzer Koffer.

Wie spät mochte es wohl sein? 11 Uhr? 12 Uhr? Der Mann drehte seinen Kopf und schaute ihr mitten in die Augen. Ihre Blicke trafen sich. Er hatte ausgesprochen schöne blaue Augen, deren Ausstrahlung sie zu fesseln schienen. Das war das erste, was ihr auffiel. Die harten Gesichtszüge und seine blonden Haare betonten seine selbstbewusste Gestalt.

Auf einmal fuhr ihr ein starker Wind durch die Haare und ein paar Sekunden später nahm sie einen ohrenbetäubenden Schall war, der die schwarzen Tunnel zum Beben brachte. Das laute Grollen wurde immer stärker. Es konnte keine Bahn sein.

Sie schrie auf. Der Mann rannte auf sie zu und zog sie mit sich. Da sie völlig erstarrt war, währte sie sich nicht und ließ sich mitziehen. Was passierte mit ihr? Wohin brachte der Mann sie? Und vor allem: Warum? Warum zog er sie mit sich?

Plötzlich bemerkte sie die feuerroten Flammen, die durch die Tunnel auf sie zufuhren und die beiden zu verschlingen drohten. Der laute Ton schwoll immer mehr an, doch sie hörte ihn nicht mehr. Ihre Ohren waren wie taub.

Sehnend dachte sie an ihr 25 Jahre altes Leben zurück. An die vielen schlechten Zeiten, die sie überstanden hatte. In ihrem Leben hatte es nicht viele schöne Momente gegeben. Der Tod ihrer Eltern... Und doch hatte sie die Hoffnung nie aufgegeben. Sie hatte immer daran geglaubt, eines Tages wieder ein normales Leben leben zu können. Doch nun war ihre Zeit um. Die Minuten waren gezählt.

"Verabschieden Sie sich schon von ihrem Leben?", seine ruhige Stimme riss sie aus den Gedanken. Wie konnte er nur so ruhig bleiben? Seine raue Stimme klang herausfordernd. Sie guckte ihn verwirrt an.
"Schnell, wir haben keine Zeit!", sagte er ernst, jedoch merkte sie, dass er keine Angst zu haben schien. Er schaute ihr fest in die Augen.
Entschlossen blickte sie zurück. Sie wusste nicht wie oder warum, aber irgendwie hatte er sie überzeugt. Zusammen rannten sie los und stürmten durch die Flammen.
Langsam aber sicher stieg die tödliche Wärme zu ihnen auf. Wo war die nächste Treppe? Die nächste Chance dem Tod zu entkommen? Die Luft wurde stickig und trotz der Hitze lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken. Ihre Angst schnürte ihr die Kehle zu und wenn sie nicht so gezittert hätte dann wäre ihr mit Sicherheit ein zweiter Schrei entwichen. Der Weg zum Ausgang schien unendlich lang. Ohne es zu wollen hatte sie reflexartig begonnen die Luft anzuhalten. Mit der Zeit wurde es immer anstrengender zu laufen. Es schien, als würde sich alles in Zeitlupe bewegen. Sie schaute zu dem Mann. Er war noch nicht einmal außer Puste. Wie schaffte er das nur?
Ihr stiegen Tränen in die Augen. Zögernd klammerte sie sich an den Fremden. Sie kannte ihn nicht. Aber er war ihre letzte und einzige Hoffnung.
"Helfen Sie mir...", flüsterte sie keuchend, "...bitte... "
Während des Laufens drehte er sich zu ihr um. Dann brach sie zusammen. Sie fiel sie in die schwarze Leere. In das Loch, das sich unter ihr aufgetan zu haben schien.

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