Kapitel 1

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Meine Mutter hatte mir schon in der Pubertät immer eingeflößt: „Charlotte, auf jeden Topf passt ein Deckel. Irgendwann findest auch du deinen Deckel." Als 14-jähriger Disney-beeinflusster Teenager hatte ich natürlich genau einen Plan von meinem zukünftigen Liebesleben. Ich träumte davon, dass irgendwann Prinz Charming auftauchen und er mein passendes Gegenstück darstellen würde. Am Besten noch auf einem weißen Pferd.

Knappe 15 Jahre später, mit 29 Jahren, wusste ich welche Bedeutung dieser Satz wirklich hatte. Und ich wusste auch, dass mein Deckel anscheinend nicht mehr passte. Oder nie gepasst hatte. Erst beim genauen Hinschauen wurde mir bewusst, dass er ein knapper Millimeter zu groß für mich war. Das passiert nun einmal bei Serienfertigungen, es war nicht immer gegeben, dass sie perfekt passten. Das soll nicht heißen, dass ich die gesamte Männerwelt als Objekt wahrnahm, welche nur in Massenanfertigung hergestellt wurden. Viel mehr bedeutete es, dass ich mir nun genau vornahm darauf zu achten, wo er herkam, der Deckel.

Doch erstmal hatte ich genug von der anderen Spezies. Und das gab ich meiner besten Freundin alias Sister-From-Another-Mister auch deutlich zu spüren, als ich mir in ihrer kleinen 2-Zimmer-Wohnung in München die Augen aus dem Kopf heulte.

„Wie konnte er mir das nur antun!", schniefte ich in ein Taschentuch. Ich hatte bestimmt schon 2 Packungen verschwendet. Alina sah mich mitleidend an und strich mir über den Arm. „Männer sind scheiße.", murmelte sie nur und legte den Kopf auf meine Schulter. Ich schnaufte. „Das zum Thema ‚Stereotype sind scheiße'", gab ich sarkastisch bei. „Ach Charles, ich kann mir das doch auch nicht erklären. Ich wünschte ich könnte in den Kopf eines Mannes blicken. Du hast auf jedenfalls nichts falsch gemacht.". „Ich fühl mich einfach nur noch leer.", flüsterte ich und näherte mich wieder einem Staudammbruch. Es tat so unglaublich weh, etwas zu verlieren, bei dem man geglaubt hatte, es nie verlieren zu können. Und das Schlimmste dabei war auch noch, dass ich nicht einmal etwas dagegen tun konnte. Wenn man sich trennt, dann hat man wenigstens noch die Chance mit dem Partner zu reden. Aber in diesem Falle war dies wirklich das Letzte was ich tun wollte. Er hatte mein Vertrauen missbraucht. Mich verletzt. Mich hintergangen. Mich ersetzt. Und warum? Ja, das fragte ich mich schon die ganze Zeit über. Warum. Wir waren glücklich gewesen. Mehr als das. Wir standen kurz vor der Hochzeit! Was trieb ihn dann in die Arme dieser Praktikantin? Zuerst gab ich ihr die Schuld. Aber schnell wurde mir klar, dass daran immer Zwei beteiligt waren. Mein Prinz Charming entpuppte sich als Frosch.

Alina nahm mich in den Arm. „Ich glaube, alles im Leben hat ein Grund.", murmelte sie und lächelte mich leicht an. „Dann frage ich mich, warum gerade mir das passiert ist.", flüsterte ich unter Tränen. Ich traute mich nicht sie anzuschauen. „Vielleicht war es an der Zeit aus deinem ‚Leben' aufzuwachen.", antwortete sie und strich mir über die Wange. Ich richtete mich auf und sah ihr direkt in die Augen. „Was meinst du damit?". Zuerst stockte sie, als ob sie überlegen würde, ob sie das, was sie dachte, wirklich aussprechen sollte. Innerlich rang sie mit sich, das sah man ihr deutlich an. „Charles... Du hast so viel für ihn aufgegeben...", begann sie, doch ich unterbrach sie. „Das hatten wir schon mal, dieses Gespräch. Und du weißt, wie ich darüber denke. Es ist gut so wie es ist.", entgegnete ich trotzig und versuchte aufzustehen, doch sie hielt mich am Arm fest. „Ich glaube, es ist wirklich an der Zeit, an dich zu denken. Jetzt oder nie." Sie schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln, doch für mich war das Gespräch hier beendet. Ich wollte mir nicht wieder die „Was-Wäre-Wenn"- Fragen stellen, um dann zu realisieren, dass es einfach zu spät war. Alina war eine kleine Träumerin, wie sie im Buche stand. Sie würde nie verstehen, dass manche Träume einfach aussichtslose Baustellen waren, deren Investition viel größer war, als das, was man nachher zurückbekam.

Ich lief in die Küche, schenkte mir ein Glas Wasser ein und sah aus dem Fenster. Es regnete. Der ganze Asphalt war mit riesigen Pfützen bedeckt, die nicht mehr abfließen konnten, da der Gully mit der großen Wassermenge überfordert war. Irgendwie erinnerte mich dieses Problem an mich. Ich hatte so viele Gefühle in mir, ich wusste einfach nicht wohin mit ihnen. Sie türmten sich auf und drohten zu fallen und mich somit im Chaos zurückzulassen. Alles war zerstört. Unser gemeinsames Haus. Was sollte damit werden? Verkaufen? Alleine dort einziehen? Wo sollte ich bleiben? Ich konnte doch nicht die ganze Zeit bei Alina bleiben. Plötzlich hörte ich es klirren und zerspringen. Und Schmerzen. Sie durchzogen meine Adern, brachten mich auf die Knie. Erst zu spät merkte ich, dass ich das Wasserglas fallengelassen hatte. Erst, als sich die Scherben in meine Knie bohrten. Kurz bevor ich wieder anfing zu weinen tauchte Alina hinter mir auf, zog mich auf die Beine und umarmte mich. „Es tut mir leid...", startete sie ihren Versöhnungsversuch, doch ich unterbrach sie wieder. „Es ist okay." Ich weinte wieder. Bitterlich. Die Tränen hörten nicht mehr auf und ich hatte Schwierigkeiten meine Stimme zu kontrollieren. Meine gesamte Atmung funktionierte nicht mehr. Verzweifelt schnappte ich nach Luft, Angst dabei in meinem Tränenmeer zu ersticken. „Es... es tut so weh, Alina." Sie drückte mich noch fester an sich. „Ich weiß. Ich weiß." 

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 29, 2016 ⏰

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