Schicksalstag

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Ich weiß nicht wie lange wir schon so da dastanden, eng umschlungen mitten im  Gang. Es hätten Minuten vergehen können oder Stunden, ich hätte den Unterschied nicht bemerkt. Und vermutlich hätten wir noch eine ganze Weile so verweilen können, hätte uns nicht ein lautes Räuspern aufgeschreckt. Verlegen hob ich den Kopf und sah in die Augen von Eric, der uns amüsiert beobachtete.

" Leute ich will eure intime Zweisamkeit ja nicht stören, aber der Chef erwartet euch." Innerhalb des Satzes veränderte sich seine Stimme von Heiterkeit zu Besorgnis. Ich konnte es ihm nicht verdenken, denn ich teilte seine Abneigung gegenüber dem Boss. Jeder der einen gesunden Menschenverstand hatte, würde ihn meiden. Und seit meiner Ankunft in diesen Gemäuern versuchte ich stets ihm aus dem Weg zu gehen. Was zum Teil leicht war, da er mit seinen Machenschaften schwer beschäftigt war, zum Teil jedoch auch enorm schwer, da er es war, der mir seine Befehle persönlich auftrug. Es war inzwischen ein Jahr vergangen seitdem er mich in den Dienst aufgenommen hatte.

Ich saß an unserem alten Küchentisch, hielt die vierte Tasse Kaffee in der Hand und versuchte meine Augen am Zufallen zu hindern. Es war inzwischen nach 24 Uhr und am nächsten Tag würde ich zur 1. Stunde Unterricht haben. Aber ich konnte noch nicht schlafen gehen, denn mein Vater war noch nicht nach Hause gekommen. Für ein normales Mädchen kein Grund wach zu bleiben, doch ich war kein normales Mädchen und mein Vater kein normaler Vater. Ich war es gewohnt, dass er lange weg blieb und es war für mich nichts Neues, dass er es nicht für nötig empfand mich über sein Verbleiben zu informieren. Vermutlich trank er sich gerade in irgendeiner verruchten Kneipe das Gehirn weg. Und wäre heute ein anderer Tag würde ich mir vermutlich nicht solche Sorgen machen.

Aber heute war nicht irgendein Tag, sondern der Todestag meiner Mutter. Der 10-Jährige Todestag meiner geliebten Mutter und ich wusste, dass es für Dad heute besonders schlimm war. Normalerweise kam er jeden Abend gegen 22 Uhr nach Hause. Betrunken und voller Rauch, aber er kam nach Hause. Inzwischen war er ganze 2 Stunden zu spät und ich bekam langsam Angst. Ich beschloss noch eine Stunde zu warten, bis ich ihn suchen würde. Die Minuten verstrichen in qualvoller Langsamkeit und als die Uhr 1 Uhr schlug beschloss ich mich nach ihm auf die Suche zu machen. Ich wusste,dass er sich stets in der näheren Umgebung unserer Wohnung vergnügte also musste ich nur sämtliche Bars und Kneipen abklappern.

Also verließ ich das Haus und ging von Bar zu Bar. Ich hatte bereits 10 Kneipen durch und wollte meine Suche schon aufgeben, da hörte ich sie. Laute Stimmen drangen vom angrenzenden Park aus zu mir durch. Die Stimmen waren getränkt mit Aggressivität und vereinzeltes Brüllen, Stöhnen und Schläge waren zu vernehmen. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und rannte in Richtung des Parks. Es kostete mich meine gesamte Überwindumg nicht wieder umzukehren. Doch je näher ich mich den Stimmengewirr näherte, desto mehr klärte sich mir die Situation.

Ich sah meinen Dad, wie er im Sand kniete, die Hände erhoben und am ganzen Körper zitternd. Meine geschulten Augen erkannten sofort, dass das Zittern nicht bloß der Angst verschuldet war. Ich vermutete schon lange, dass mein Dad neben Alkohol noch andere Drogen konsumierte. Als ich mit der Analyse meines Vaters fertig war wanderte mein Blick hoch und ich nahm den Rest der Szenerie war. Sechs Riesen von Männern, die im Kreis um meinen sich ergebenden Vater standen, die Mienen voll strotzender Unnachgiebig und die ihn voller Hass und Wut anstarrten.  Direkt ihm gegenüber stand ein etwas älterer Mann mit Schnurrbart , der sich von den übrigen Männern abhob. Nicht etwa von deren Haltung oder deren offensichtlichen Aggressivität. Nein dieser Mann stand Ihnen in ihrer Ausstrahlung in nichts nach sondern übertraf sie um Weiten. Er mochte nicht ganz so trainiert und kräftig sein wie seine Komplizen, doch das machte ihn nicht minder gefährlich. Er strahlte das pure Böse aus und auf ein Nicken von ihm zückte einer der Handlanger sein Messer und hielt es meinem Vater an den Hals. Das löste mich aus meiner Starrre und inzwischen wutentbrannt rannte ich auf die Männer zu.

" Dad! " schrie ich während ich der Szenerie immer näher kam und noch einmal "Dad!" Da bemerkten sie mich auch endlich und blickten in meine Richtung. Und als ich direkt vor ihnen stehen blieb schrie ich :" Lasst ihn sofort los oder ich rufe die Polizei. " Doch das war anscheinend die falsche Aussage, denn die Männer lachten nur und unter einem Knurren vernahm ich : " Mach nur, aber wenn du das tust verliert dein Daddy gleich seinen Kopf." Und noch ehe der Mann zu Ende sprach erkannte ich, dass Widerstand zwecklos war und in den Augen des Mannes konnte ich erkennen, dass er verrückt genug und gnadenlos genug war eine solche Tat durchzuführen.
" Dann  lasst ihn einfach so gehen. Bitte! Wir geben euch alles was ihr wollt. Wollt ihr Geld haben ? Dann bekommt ihr Geld, wir geben euch alles was wir haben, aber bitte lasst ihn gehen! " Voller Verzweiflung sah ich den Mann mit dem Schnurrbart an und winselte um Gnade. Doch als Antwort verzog der Mann nur sein Gesicht zu einer schrecklichen Grimasse.
" Ach ja ? Und wie willst du mir Geld geben, wenn ihr keines besitzt? Es ist kein Zufall Kind, dass ausgerechnet dein Vater hier vor mir kniet. Denn er schuldet mir einen Haufen Kohle rund 10.000 Euro und ich will mein Geld wiederhaben und zwar jetzt ! " und mit diesen Worten schwoll seine Stimme zu einem Schrei an und ich konnte erkennen, dass er es bitterernst meinte.
" Lasst uns Zeit, bitte. Wir können das Geld schon irgendwie auftreiben, aber bitte lasst ihm am Leben. Ich meine was würde euch sein Tod denn bringen, dadurch bekommt ihr das Geld schließlich auch nicht wieder." Das war mein  letzter verzweifelter Versuch die Männer durch Argumente zu überzeugen, der kläglich scheiterte.
" Kind, es würde Jahr dauern bis ihr das Geld aufgetrieben habt. Eine Zeitspanne, die deutlich zu lang ist. Ich sag dir jetzt mal was. So Leute wie dein Vater sind geschäftsschädigend. Wenn sich herumspricht, dass ich solch ein Verhalten dulde dann wars das. Das wäre mein Ende, denn dann würden es ihm andere gleich machen und bald würde niemand mehr zahlen. Ich würde mich lächerlich machen. Also sag bye-bye zu deinem Daddy Kindchen. " Roderigo.." Und auf dieses Wort zückte sein Handlanger erneut sein Messer und ging auf meinen Vater zu.

Doch noch ehe er sein Ziel erreicht hatte, hatte ich mich bereits in Bewegung gesetzt. Und was ich dann tat, sollte entweder mein Todesurteil sein oder meine Rettung. Ehe er es sich versah hatte ich Roderigo bereits mein Knie gegen seine Beine gerammt und ihn so zu Fall gebracht. Noch im Fall riss ich ihm sein Messer aus der Hand und stach heftig auf ihn ein. Aus den Augenwinkeln sah ich die anderen Männer heranrücken doch auch darauf war ich gefasst. In einer eleganten Drehung brach ich den zweiten Mann zu Fall und schlug Heftig auf ihn ein. Bevor mich der Dritte im Bunde auch nur berühren konnte hatte ich mich schon geduckt und ihn mit voller Wucht gegen einen Baum getreten, sodass er bewusstlos zu Boden viel. Sogleich er zu Fall ging näherte sich mir Nummer vier, dem ich blitzschnell mit dem Messer den Hals aufschlitzte . Erst als ich das Blut herausquollen sah realisierte ich, dass ich soeben einen Mann getötet hatte und während ich mir schockiert die Hand vor dem Mund hielt übersah ich die Nummer fünf, die mich fest am Arm packte und zu sich zog. Unfähig mich zu bewegen, musste ich mich geschlagen geben und machte mich für mein Strafe bereit. Die vielen Jahre Kampftraining hatten sich als sehr nützlich bewiesen, konnten mich jedoch nicht vor dem sicheren Tod bewahren.

Trotzdem musste ich lächeln, als mich Nummer fünf in Richtung seines Chefes zog und ich ihm in die verwunderten Augen sah. Ja, ich kam mir vor wie ein Todesengel, wie ich da so stand. In Dunkelheit umhüllt und mit Blutspritzern übersähet. Und in diesem Moment spürte ich nichts als Stärke, Macht und Überlegenheit. Ich mochte den Kampf zwar nicht gewonnen haben, doch ich hatte vier perfekt trainierte und ausgebildete Kämpfer zu Fall gebracht und bewiesen, dass ich nicht machtlos war. Und durch meine Schwelge des Triumphes angetrieben nahm ich die Worte des Mafia-Bosses kaum war, der seinen Kumpanen anwies, mich zu verschonen.
" Halt. Tu ihr nichts an. Ich habe das Gefühl, dass uns die Kleine noch nützlich sein kann. "
Auf diese Worte reagierte Nummer Fünf mit einem wütenden Schnauben und quetschte zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor:
"Aber Signore das kleine Biest hat soeben einer unserer Männer ermordet. Ein Umstand den wir rächen müssen."
Doch der Anführer machte nur eine abfällige Handbewegung und beendete die Diskussion mit der Anweisung mich am Leben zu lassen.

Signore Catalano hatte mein Leben damals verschont, da er dachte aus mir einen Vorteil schlagen zu können. Er sagte er habe größere Pläne mit mir im Kopf und jetzt war es an der Zeit seinen Plänen gerecht zu werden. Also löste ich mich von Luca, packte meinen ganzen Mut zusammen und begab mich in die Höhle des Löwens.

Mafiosa Wider Willen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt