Die rot-braunen Blätter verdeckten den Weg mit ihrer Farbenpracht. Es war am frühen Abend gegen halb fünf und die Sonne ging langsam am Horizont unter. Viel war hier nicht gerade los im Stadtpark, was Richard ganz recht war. Er sass auf einer Parkbank, jene in grün, welche überall im Park waren. Eine leichte Brise wehte und Richard hob seine Kamera. Er fixierte ein Eichhörnchen, welches gerade eine Haselnuss im Laub gefunden hatte und stellte sein Objektiv scharf. Das Eichhörnchen schaute auf, schnüffelte kurz im kühlen Herbstwind und umklammerte seine Nuss. Ein heller Blitz schreckte es auf, so dass es weglief und Richard schaute auf die Anzeige seine Kamera. "Ein Prachtfoto." sagte er laut und begutachtete das Bild voller Zufriedenheit. Schnelle Schritte hörte er auf sich zu kommen und blickte in die Richtung von wo sie kamen. Ein Mann, wahrscheinlich knapp vierzig Jahre alt, kam auf ihn zu. Eng anliegende Klamotten, eine kurze Radler Hose und ein Shirt. Für die Jahreszeit viel zu kalt für seinen Geschmack und wie er fand, in diesem Neon grün, potthässlich! Der Mann stoppte genau auf seiner Höhe und legte die Hände auf die Knie. Er atmete schwer und schaute dann, leicht überrascht zu Richard. "Oh... Hallo." sagte er keuchend. Sein Kopf leuchtete wie eine Tomate und sein mehr als üppiger Bauch bewegte sich mit jeder Atmung rein und raus. Richard lächelte. "Hallo." sagte er und hoffte, damit hatte sich das Gespräch erledigt. Doch das war es nicht. Es sollte erst der Anfang werden, von etwas, was im nicht gefallen würde.
Der Jogger zeigte mit seinem Finger auf die Bank. "Darf ich?" fragte er und ehe Richard antworten konnte, setzte sich dieser schon neben ihn. "Jason. Jason Thomsen." sagte er und reichte seine Hand zum Gruss. Richard legte seine Kamera neben sich und gab Jason die Hand. "Richard. Richard Stone." erwiderte er. "Sie Fotografieren, Richard? Ich darf sie doch Richard nennen, oder?" Er durfte nicht, aber so unhöflich war Richard nicht. Obwohl er lieber alleine war und gerade niemanden brauchte, liess er sich drauf ein. Er hoffte, dass Jason bald weiter laufen würde. "Ja, das tu ich." sagte er knapp. "Machen sie das beruflich? Also Fotografieren mein ich. Sind sie Fotograf?" fing Jason an und Richard schüttelte den Kopf. "Nein, ist nur ein Hobby von mir." Der Jogger zog an seiner Hose und man konnte hören, wie der enge Stoff auf seine Haut klatschte, als er wieder los liess. "Joggen ist auch nicht mein Beruf, nur ein Hobby." witzelte er und Richard räusperte sich. "Hören sie .." "Jason." sagte er lächelnd. "Ja, Jason. Also, wenn es ihnen nichts aus macht, ich wäre gern allein." Jason lächelte weiterhin und nickte. "Kann ich verstehen. Vielleicht sieht man sich mal wieder." daraufhin stand er auf, hob seine Hand zur Verabschiedung und lief weiter. Nach wenigen Sekunden war er schon aus seiner Sichtweite. Richard seufzte und schaute zum Himmel. Es war eisig geworden und er hatte nun die Lust verloren, noch weiter nach Motiven zu suchen. Richard packte die Kamera in die dafür vorgesehene Tasche und legte sie um seine Schulter. Als er aufstand und gerade den Park verlassen wollte, sah er etwas im letzten Sonnenlicht, zwischen den Blättern, glitzern. Richard bückte sich und hob einen viertel Dollar auf. Georg Washington blickte störrisch im Profil, die Rückseite war zu seinem Verwundern mit einem Eichhörnchen, welches eine Nuss hielt, geprägt. Er steckte es in seine Hosentasche und machte sich auf den Weg nach Hause.
Richard konnte das Büro schon gegen drei Uhr verlassen. Sein Chef erzählte irgendwas von Überstundenabbau und das er erst am Montagmorgen wieder da sein müsste. Ihm war es ganz recht. Auch wenn er seinen Job nicht gerade mochte, wer tut das schon, machte er ihn trotzdem immer gewissenhaft. Als Steuerberater hatte man mehr als genug zu tun und seine Klienten waren meist von zwielichtiger Gestalt. Doch er fragte nicht gross weiter. "Unwissenheit kann ein Segen sein." sagte sein Chef zu ihm und so hielt er es auch bei. Bevor er das Gebäude verliess, ging er noch schnell ins Bad. Sein schwarzer Anzug sass mehr wie ein Sack an seinem Körper, aber das störte weder ihm, noch seinem Chef. Er war gerade mit Urinieren fertig und wollte den Raum verlassen, als Cole reinplatzte. "Hey Richard. Na alles fit bei dir?" sagte er überfreundlich und klopfte ihm auf die Schulter. Cole war die Sorte von Mensch, die ihm unangenehm war. Jeder Mann bester Freund. Ganz gleich ob Chef, Kollegen, ja sogar die verdammte Putzfrau grüsste er, als wenn sie eine längst verschollene Klassenkameradin war, die sich nun seit Ewigkeiten wieder gefunden hätten. "Hallo Cole." sagte er mit leicht gesengten Blick und ging zu den Waschbecken. Cole hatte sich schon vor den Pissoirs eingefunden und Richard hörte, wie der Reizverschluss seiner Armani Hose geöffnet wurde. "Wieso die Tasche? Schon Feierabend?" fragte Cole unter fliessenden Plätschern seines Strahls. "Mr. Bricks hat mir für den Rest des Tages frei gegeben." sagte er und fluchte innerlich, da schon wieder der Seifenspender leer war. "Der Seifenspender ist leer, Richie." sagte Cole und fuhr gleich fort, "Ich habe aber schon Irina Bescheid gegeben, sie kümmert sich darum." Irina. Richard wusste nicht mal nach drei Jahren, wie die Putzfrau hiess und Cole war nun schon wie lange hier? Fünf Wochen? Er war sich nicht mehr sicher. "Oh .. ja danke." sagte Richard während er seine Hände nur mit Wasser wusch. Kurz darauf hörte er wie der Reizverschluss wieder geschlossen wurde und die Spülung anspring. Cole stand neben ihm und liess das Wasser vom anderen Waschbecken an. Richard machte sich noch seine kurzen, braunen Haare mit der nassen Hand zurecht. "Bist du nicht öfters im Park?" fragte Cole und schaute zu ihm rüber. "Ja gelegentlich." antwortet er. Sogar immer. Aber was geht dich das an, du schmieriger Prolet? dachte er sich und lächelte leicht verkniffen. "Ist viel abgesperrt? Hast du irgendwas mitbekommen?" fragte er nun neugierig und Richard war verwundert. "Was meinst du?" fragte er zurück und Cole klappte die Kinnlade runter. "Hast du es nicht gehört? Es wurde eine Leiche gestern gefunden. Soll ziemlich verstümmelt worden sein. Ein junger Mann. Hast du nichts gesehen? Keine Polizei oder Absperrband?" Cole konnte es fast nicht glauben. "Nein, nichts." kam knapp aus Richard raus und er legte seine Tasche um die Schulter. "Bis Montag Cole." verabschiedete er sich. "Bis Montag. Und Richie? Pass auf dich auf." kam es fürsorglich von Cole zurück. Richard verliess das Bad und machte sich auf den Weg nach draussen.

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Vier Jahreszeiten
Horror4 Jahreszeiten - Eigenständige Kurzgeschichten. Einfach reinlesen und für einem Moment in eine andere Welt abtauchen. Frühling - Vater und Sohn Sommer - Die Anwaltsgehilfin Herbst - Der Fotograf Winter - Im Diner Cover by @Storyhappens