Wenn die Rosen blühen

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In einem Garten aus goldenen Ähren, kleinen Käfern und einem kleinem Haus, ist eine einzige rot-blühende Rose wohl ein willkommener Lichtblick. Und würde die Rose dann vielleicht irgendwann verblühen, dann würde man wissen, dass es überhaupt eine gab.


Auf einem Feld, hinter den Straßen der Stadt und des Lebens stand lange Zeit ein weißes Haus. Ein Haus mit vier Wänden, einem schwarzen Dach und diesen weißen, gemusterten Gardinen, die die Fenster schmückten. Sogar eine kleine Bank stand davor. Pappeln ragten hinter dem Haus hervor, und zu allen Seiten des Hauses waren Felder. Gesäumt waren sie alle von Ähren und Gras. Es war magisch, wie es da stand. Dieses einzige Haus, fernab der Stadt.

Die Sonne schien auf die blasse Haut eines Mannes, der vor dem Haus saß. Es war Freitag der dreizehnte August des Jahres. Und wie immer, wie es Kinder eben machten, hüpfte ich über das Feld und setzte mich schließlich neben ihn. Wir starrten gemeinsam auf den Flur, welcher sich vor unseren müden Augen erhob. Wir sagten nichts, so wie immer. Er reichte mir einen Kakao und ein paar Kekse, die er extra für mich kaufte. Ein paar Vögel zwitscherten aus den Ästen der Bäumen hinter uns. Manchmal wünschte ich mir, dass sich Herr Lehmann eine Schaukel kaufen würde, damit man immer schön schaukeln konnte und dem Sonnenuntergang noch näher war. Aber ich glaube, dass ihm das zu unruhig gewesen wäre. Das würde dann vielleicht so knarren und das würde ja gar nicht passen. Herr Lehmann machte das schon alles richtig.

Zum Haus von Herrn Lehmann führte keine Straße und ich bezweifle auch, dass ihn in den Jahren, die er dort mit seiner Glücklichkeit verbrachte, auch jemand fand. Weder der Postbote, noch seine Familie oder sonst jemand. Ich war der einzige, der ihn einen Besuch schenkte und mit ihm seine Glücklichkeit teile.

Ich spielte oft mit Herrn Lehmann. Meistens dann, wenn niemand zu Hause war und dann musste Herr Lehmann immer ganz verschmitzt lachen. Ich glaube, dass er sich immer auf mich gefreut hat, wenn ich dann kam. Und ich kam gerne. Das Haus von Herrn Lehmann schien mir wie eine Idylle, ein verlorenes Paradies welches die Menschen immer gesucht hatten. Dieses - dieses verlorene Glück! Einige hatten diesen Platz bei sich zu Hause gefunden, andere in fernen Ländern. Aber ich, ich hatte nur aus meinem Haus zu gehen und Herrn Lehmann einen kleinen Besuch abzustatten. 


Ich glaube, Herr Lehmann war früher nicht so glücklich, wie er heute schien. Ich glaube, dass er vielleicht einen doofen Beruf ausübte oder so etwas in der Art. Vielleicht mochte er auch keine Menschen. Ich hätte das ja gerne mal nachgefragt, aber dafür fehlte mir einfach die Zeit. Wir machten jeden Tag etwas neues, wir spielten und lachten und erzählten uns Geschichten. Oft sprach er von einem Land auf der anderen Seite der Erde. Ich verstand gar nicht, was er immer damit meinte. Aber die Glücklichkeit die ihn damit begleitete, wenn er mir von diesem Ort erzählte war unbeschreiblich. Manchmal floss ihm sogar eine kleine Träne aus dem Gesicht. Ich glaube, dass Herr Lehmann sich immer gewünscht hatte, zu diesem Ort zu gehen und er sich sehr danach sehnte. Er meinte, er würde alle wiedersehen. Seine Schwester und seine Mutter, seinen Vater. Aber er sagte dann immer zu mir, wenn ich fragte warum er denn nicht ginge, dass ich ihn hier hielt und er mich ja nicht einfach zurücklassen durfte. Das fand ich immer nett. Ich hatte ja sonst auch keinen. Meine Eltern waren nicht bei mir und mein zu Hause war ein kalter grauer Boden. Manchmal ging ich auf Straßenfeste und sah in die Gesichter der glücklichen Kinder. Und ja, es erfüllte mich mit demselben Glück, welches wohl sie empfanden. Ja, ich war so froh und hoffte, dass Herr Lehmann irgendwann auch mal mitkommen würde. Aber nein, er saß nur in seinem kleinen Haus und ging da auch nur selten weg. Vielleicht, wenn die Milch mal alle war. Oder er Kekse für mich besorgen musste. 

Die Straße war immer sehr kalt, das war traurig. Sie war so kalt, wie man selber nur kalt sein kann. Nachts musste ich immer in eine Ecke der Häuser gehen, dass war gemütlicher als diese Straße. Und dann erinnerte ich mich immer an die glücklichen Gesichter, die ich den Tag über gesehen hatte. Ich sah jedes einzelne vor mir, bis ich dann schließlich einschlief und darauf hoffte, am nächsten Tag wieder zu Herrn Lehmann zu gehen. Obwohl ich Herrn Lehmann nie erzählte, von wo ich kam, glaubte ich, dass er es dennoch wusste. Ich glaube, dass er genau wusste wo ich lebte. Aber das wollte ich ihn auch nicht fragen. Es gab ja viel mehr zu sagen, als zu fragen. Und wie ich nichts erzählte, erzählte mir Herr Lehmann auch nie etwas von sich. Das war vielleicht wie so ein kleiner Bund zwischen uns. Es war unser imaginäres Geheimnis, dass nur zwischen uns beiden existierte. 

Wenn die Rosen blühenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt