2 - mein Name ist Tiffany

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Ich trug nicht zu dünn auf, weder in Sachen Make-up, noch in meiner Kleidungswahl. Meine Lippen malte ich dunkelviolett, was besser aussah als erwartet. Dazu schnappte ich mir die höchsten Schuhe, die ich in meiner Tasche finden konnte. Ein letzter Blick in den Spiegel und ich war so weit.

Der Flur war leer, denn alle waren schon da und warteten nur auf mich. Pünktlichkeit war nie meine Stärke und da machte ich selbst für den Bachelor keine Ausnahme.

Erleichtert stellte ich fest, dass ich nicht die einzige war, die sich Mühe mit ihrem Erscheinungsbild gegeben hat. Nein, der ganze Raum schien voller Schaufensterpuppen zu sein und ich war eine von ihnen.

Das Licht wurde gedämmt und das leise Raunen der Mädchen verhallte unter den lauten Schritten der Organisatorin, die sich energisch den Weg auf die kleine Bühne bahnte.

Sie tippte leicht auf das Mikrophon und alle Köpfe drehten sich zu ihr. Ein Lächeln zierte ihr Gesicht, als sie uns alle begrüßte. Sie verkündete außerdem, dass sie nun eine nach der anderen auf die Bühne rufen würde und diese sich dann kurz vorzustellen habe. Den Bachelor erwähnte sie in keinem Wort.

Wo er wohl blieb?
Wie er wohl aussah?
Scheinbar bin ich die einzige, die sich vorher nicht über ihn informiert hat.

Der Rest der Ansammlung hier wirkte auf mich wie ein Haufen Groupies auf einem Rockkonzert.

"Marija, würdest du uns die Ehre erweisen?". Die dunkle Schönheit betrat die Bühne und strahlte mit ihrem Outfit um die Wette. Sie war die Art Frau, die sich wahrscheinlich jeder Mann am liebsten zu Weihnachten gewünscht hätte. Ihre schwarzen, lockigen Haare trug sie offen über ihre Schultern, in sie war ein glitzerndes Band gebunden. Das schönste an dieser Frau war aber zweifellos ihr Lächeln.

Ruckartig spürte ich eine Welle der Enttäuschung. Was machte ich hier eigentlich? Mir war kalt und ich wollte weg, weg von all den Traumfrauen, die mein Selbstwertgefühl zu Brei stampften.

"Mein Name ist Marija, ich bin 18 Jahre alt und komme aus Berlin. In meiner Freizeit gehe ich gerne schwimmen. Auch für Festivals und Konzerte bin ich immer zu haben. Ich beherrsche ein paar Tänze und, lacht mich bitte nicht aus, stricke gerne. Das war's schon an interessanten Informationen über mich. An dieser Sendung nehme ich Teil, weil ich hier vielleicht die große Liebe finden werde". Alle applaudierten und Marija verließ die Bühne, leicht errötet. Beim letzten Teil ihrer Rede hätte ich den Kopf schütteln können, aber auch mit solchen Kommentaren habe ich schon im Voraus gerechnet.

Als nächstes hörten wir eine Blondine namens Jiska, welche streng gläubig war und gerne Hering zum Frühstück aß.

Nach sieben weiteren Lebensläufen und skurrilen Vorlieben rief man mich auf. Langsam schritt ich voran, Richtung Bühne und hatte absolut keine Ahnung, was ich sagen könnte.

Mein Herz schlug schneller und der Schweiß rann meine Stirn entlang. Verdammt, was nun?

Da hatte ich unter all dem Stress vergessen, mir meine Rede zurecht zu legen. Ich schloss die Augen, öffnete sie ruckartig und fing an zu erzählen:

"Stephanie, 25, angehende Anwältin. Ich mag es zu lesen, verfasse gerne eigene Gedichte und halte nicht viel von menschlicher Gesellschaft"..

Hatte ich das grade wirklich gesagt?

.."ähm, meine Lieblingsfarbe ist grün"..

"Hören sie mal Tiffany,..", unterbrach mich eine der Moderatorinnen und gab den Kameraleuten genervt ein Zeichen. Sie legten die Kameras nieder und alle Blicke ruhten auf mir.

"Stephanie", korrigierte ich.

"Stephanie. Wir haben den Ablauf besprochen, alles ist strukturiert und geplant. Es wäre sehr freundlich, wenn du dich an die Angaben halten würdest. "

"Sprich mir nach: Ich bin die 25 jährige Stephanie aus Leipzig und nehme an dieser Show teil, weil ich schon immer dem Bachelor live in die Augen sehen wollte."

Etwas widerwillig wiederholte ich diese Worte und guckte geknickt in die Kamera. Warum gaben sie mir einen Satz, der unrealistischer nicht hätte sein können? Jedenfalls für meine Verhältnisse.

Nach mir war eine Jasmin an der Reihe und im Gegensatz zu mir ratterte sie ihren Text fehlerfrei auf, genau wie alle anderen Mädchen auch.

Und doch schenkte ich der Vorstellungsrunde nur wenig Aufmerksamkeit. Meine Augen suchten den Raum nach einem Lebenszeichen des Bachelors ab. Hätte er nicht längst hier sein müssen?

Das Mädchen neben mir trug ein enges, beiges Kleid, was ihren Kurven nicht schmeichelte, eher im Gegenteil. Sie war ein unförmiger Sack. Etwas blitzte an ihrer Hand, es war ein überdimensionaler Edelsteinring. War sie etwa verlobt oder sogar verheiratet?

Als hätte sie meine Blicke gespürt, drehte sie sich zu mir um. Sie schien mich abzuchecken, mein Gesicht, meine Mimik, meine Körperhaltung. Wir glichen zwei Raubtieren in der Wildnis, die sich umkreisen. Es war ein Kampf um Leben und Tod. Noch einmal rümpfte sie arrogant ihre Nase, dann schien sie genug von mir zu haben und drehte sich weg.

Ein Murmeln entstand. Irgendwas schien die Aufmerksamkeit der Hyänen auf sich gelenkt zu haben oder eher irgendwer.

Selbst die Kameras schwenkten auf den mysteriösen Ankömmling.

Applaus erklang.

Ein Jubeln war zu hören.

Alle standen von ihren Plätzen auf, ich tat es Ihnen gleich.

Mit klopfendem Herzen näherte ich mich dem Zentrum der Aufmerksamkeit und wusste innerlich, dass der Moment gekommen war, der mir für immer den Atem rauben würde. Dass dieser Mann mir einen Grund geben würde, für ihn zu kämpfen.

Er musste es sein.

In meinen Träumen sah ich uns, Hand in Hand am Strand und selbst mir als Romantikhasser trieb diese Vorstellung Tränen in die Augen und Schmetterlinge in den Bauch.

Er musste es einfach sein.

Wie in Trance lief ich los,

Zwängte mich durch die Massen,

Geblendet von dem Glanz des Ruhmes.

Und dann war ich am Ziel angekommen. Er bräuchte sich nur umzudrehen und wir würden uns endlich in die Augen sehen können.

Das tat er.
Und mir blieb kurz das Herz stehen.

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