Abschiebung? oder verpasste Chance?

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Er saß mit allen anderen seiner Klasse im Bio- Raum und wartete darauf, dass die Schulglocke läutete und er seinen kleinen Bruder am Klassenzimmer der 7a abholen konnte. Leider machte ihm sein Lehrer Herr Schumann einen gewaltigen Strich durch die Rechnung.

„Julian Reik, ich muss nach dem Unterricht mit dir sprechen.", meinte der Lehrer ernst. Kurz darauf ertönte die Schulglocke und Juli seufzte innerlich auf. Jetzt würde er Joschka wirklich verpassen, dabei war heute der einzige Tag der Woche, an dem sie gemeinsam Unterrichtsschluss hatten. Während die letzten den Raum verließen fragte er sich, was er denn ausgefressen hatte, dass sein Lehrer mit ihm reden wollte.

Seit Herrn Friedel und den Rizinus- Keksen hatte er versucht im Unterricht nicht weiter aufzufallen. Auch wenn er ein wilder Kerl war, war er trotzdem nicht auf Ärger aus und die harmlosen Streiche seiner Vergangenheit waren nie wirklich böse gemeint gewesen.

Naja, die gegen den Dicken Michi oder Gonzo Gonzales schon ein wenig aber generell nicht. Selbst der Angriff auf die biestigen Biester war im nach hinein eher spaßig gewesen. „Es geht um deine Noten.", holte Herr Schumann ihn aus den Gedanken. „Bin ich so schlecht? Brauche ich Nachhilfe?", fragte er verwundert. Laut seinem letzten Zeugnis, hatte er ganz passable Noten.

„Ganz im Gegenteil, deine Noten sind sogar so gut, dass wir in der Lehrerkonferenz beschlossen haben, dass du an unserer Schule dein Potential nicht gut genug nutzen kannst. Ich habe bereits mit deiner Mutter gesprochen und sie wäre einverstanden dich auf eine Schule gehen zu lassen, die dir hilft, deine Begabung auszuleben.

Hier ist ein wenig Informationsmaterial zu verschiedenen Schulen, vielleicht schaust du ja mal rein.", mit diesen Worten drückte Herr Schumann dem perplexen Juli einen Stapel Flyer und Prospekte in die Hand. „Du kannst jetzt gehen. Bis Morgen." „Bis Morgen, Herr Schumann."

Ohne nach links und rechts zu schauen verließ Juli den Bio-Raum und merkte nicht, dass sein Bruder Joschka im Flur stand. Sein kleiner Bruder hatte sich, als Juli nicht an seiner Klasse erschien, auf den Weg zu den Naturwissenschaftsräumen gemacht.

Da Juli ihn nicht bemerkt hatte, stieß der Jüngere dem Älteren den Ellenbogen in die Rippen. Der erschrak so heftig, dass er den Prospektstapel fallen ließ. „Na großer Bruder, heute so nachdenklich?", fragte Joschka spaßhaft aber Juli antwortete nicht, sondern bückte sich nur um die Papiere aufzuheben. Vom Schweigen seines Bruders verwirrt tat Joschka es ihm nach.

Bevor er Juli drei Prospekte reichte las er sich den Titel des oberen Exemplars durch. „Marie Curie Gymnasium und Internat für Naturwissenschaften?" Juli riss seinem Bruder die Prospekte aus der Hand und stopfte sie mit den anderen Flyern zu seinen Schulbüchern in die Schultasche.

„Juli?", fragte Joschka schon zum gefühlt fünfzigsten Mal seinen großen Bruder, ehe dieser antwortete: „Herr Schumann denkt, dass ich an unserer Schule mein Potential nicht gut genug nutzen kann. – Als ob ich die wilden Kerle einfach so im Stich lassen würde!"

„Aber Juli, du hast doch immer ein terrotoristisches Donnerwetter geflucht, weil der Chemieunterricht so einfach ist und der Fischer kein Physik unterrichten kann. Und so eine Chance willst du dir echt entgehen lassen?" „Chance? Die wollen mich Kreuzkümmel nochmal abschieben! Und du willst es anscheinend auch!"

Juli stieg auf das Fahrrad, das er bis eben noch neben seinem Bruder her geschoben hatte und trat kräftig in die Pedale. „Juli!", rief Joschka hinter ihm her aber Juli drehte sich nicht um und so stand Joschka allein auf dem Gehweg. Nun musste er nach Hause laufen, denn eigentlich hatte er im Beiwagen mitfahren sollen. Seufzend machte er sich auf den Weg.

Ohne auf seine Mutter zu achten ging Juli schnurstracks in sein Zimmer und verriegelte die Tür, dass auch Joschka in diesem Zimmer schlief blendete er aus. Frau Reik stand im Wohnzimmer und sah ihrem ältesten Sohn nach.

Ein ziemlich abgehetzter Joschka betrat gerade das Haus. Den ganzen Weg war er gerannt. Erst, als er wieder zu Atem gekommen war sah er seine Mutter verwirrt vor sich stehen und die Treppe hinauf schauen. Ohne auch nur zu fragen wusste er, dass sich sein großer Bruder wahrscheinlich in ihrem Zimmer eingeschlossen hatte, so wie er es immer tat, wenn er sauer war.

„Habt ihr euch gestritten?", fragte Frau Reik und Joschka nickte. „Er denkt wir wollen ihn abschieben." „Das darf er nicht von uns denken. Wir müssen das klären." Joschka dachte angestrengt nach und hatte auch sofort eine Idee. „Mama, weißt du noch, als wir dich wegen dem Spiel gegen den Dicken Michi überreden wollten?", fragte er und seine Mutter verstand.

„Du meinst, als ihr mich ins Baumhaus gelockt habt?", hakte Frau Reik nach und Joschka nickte. „Spätestens wenn es Abendbrot gibt, wird Juli unser Zimmer verlassen, also verlegen wir das Essen einfach ins Baumhaus und dort reden wir mit ihm."

Einmal wilder Kerl immer wilder KerlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt