Internatsbesichtigung und flüchtige Bekanntschaften

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Über den Radweg durch den Wald dauerte es nur eine halbe Stunde, bis sie den Nachbarort erreichten. Das Internat war hinter dem Ortsschild schon ausgeschrieben und so mussten die drei Reiks nur den Wegweisern folgen.

Das Marie Curie Gymnasium war ein recht moderner Gebäudekomplex, dessen Außenfassade in einem freundlichen Gelb gestrichen war. An einem Samstag wie heute, war kaum jemand zu sehen, da die Internatler entweder ausschliefen, frühstückten oder nach Hause gefahren waren.

Die beiden Jungs liefen vor und warfen einen Blick in jeden Raum, an dem sie vorbei kamen, als eine Frau auf sie zu kam. „Guten Tag, Dorothea Eisenhammer-Kosslovski ist mein Name. Sie interessieren sich für unsere Schule?", wurden die drei begrüßt und die Erwachsenen schüttelten sich die Hände.

„Katharina Reik, mein Sohn würde einen Schulwechsel in Betracht ziehen und da er herausragende Noten in den naturwissenschaftlichen Fächern aufweist, käme ihr Institut durchaus in Frage. Abgesehen davon wohnen wir im Nachbarort Grünwald.", erwiderte Frau Reik.

Bei der Erwähnung des Namens schien Frau Eisenhammer-Kosslovski kurz erschrocken zu sein aber sie fing sich so schnell, dass man es sich auch eingebildet haben konnte. „Folgen sie mir bitte.", meinte sie und führte sie quer durch das Gebäude zu ihrem Büro. An einem Schildchen neben der Tür stand Schul- und Internatsleitung Frau Dr. D. Eisenhammer-Kosslovski

„Wenn ihr wollt, könnt ihr euch weiter umsehen.", meinte die Schulleiterin an Juli und Joschka gewandt. Die beiden nickten begeistert und stürmten los. Kaum war Juli um die erste Kurve gebogen, stieß er mit jemandem zusammen.

Der Aufprall war so hart, dass beide mit lautem gepolter auf dem Boden landeten. Joschka konnte noch rechtzeitig anhalten und besah sich belustigt seinen Bruder und das Mädchen.

„Entschuldigung", murmelte sie, rappelte sich auf und fing an ihre runtergefallenen Bücher einzusammeln. Sie hatte glatte hellbraune Haare, die ihr auf die Schultern fielen. Mit einer fließenden Handbewegung wischte das Mädchen sich einige Haarsträhnen aus dem Gesicht, sodass die auf Nase und Wangen verteilten Sommersprossen zum Vorschein kamen. Sie rückte ihre Brille grade, warf Joschka, der ihr ein Buch gereicht hatte einen dankbaren Blick zu und verschwand dann den Gang entlang.

Joschka konnte nicht mehr an sich halten und prustete los. Das Gesicht seines immer noch auf dem Boden sitzenden großen Bruders war einfach zu herrlich. Als er sah, dass Julis Gesichtsausdruck von total verwirrt zu leicht angesäuert wechselte, verstummte er und nachdem sein Bruder sich aufgerappelt hatte liefen sie nicht ganz so schnell weiter.

Sie verließen das Gebäude in dem sie sich eben befunden hatten, überquerten den großen Hof und gingen an ihren Fahrrädern vorbei zu dem Gebäude gegenüber. Es war dem ersten sehr ähnlich, sah aber doch etwas anders aus.

Als sie die Eingangstür passiert hatten, kamen sie in einer großen Eingangshalle, von der aus eine breite Treppe in die oberen Stockwerke führte. Links führte ein Gang zu den anderen Räumen im Erdgeschoss.

Da die beiden sich nicht entscheiden konnten, wo sie zuerst hin laufen sollten knobelten sie. Das Erdgeschoss gewann, also ließen sie die Treppe rechts liegen. Juli wurde immer begeisterter von der Schule und fand die Idee hier hin zu gehen gar nicht mehr so schlecht.

Zur selben Zeit saß Frau Reik im Büro der Schulleitung. „Ich würde ihren Sohn gerne in näherer Zukunft bei uns aufnehmen, wenn das möglich ist.", erklärte Frau Eisenhammer-Kosslovski. „Das ist sehr nett von ihnen aber das Schuljahr hat doch schon vor Wochen angefangen, wie soll Juli da in den Unterrichtsstoff reinkommen.", sprach die Mutter ihre Bedenken aus.

„Eine alte Studienfreundin bat mich vor Jahren einen Schüler, wie ihren Sohn so unverzüglich wie möglich an diesem Institut auf zu nehmen. Ich löse hiermit dieses Versprechen ein, wenn sie einverstanden sind. Und wegen dem Anschluss brauchen sie nicht besorgt sein. Wir haben sehr intelligente Schüler an unserer Schule, die gerne bei Problemen helfen, außerdem ist unser Kollegium sehr kompetent.", erklärte die Internatsleiterin weiter.

Frau Reik überlegte, natürlich wollte sie Julis Chance nicht im Wege stehen aber andererseits sprach auch einiges dagegen. „Was ist mit dem Schulgeld?", fragte sie, „Ich verdiene in meinem Job nicht viel und weiß nicht ob ich den nötigen Betrag aufbringen kann."

Frau Eisenhammer-Kosslovski griff zum Telefon, wählte eine Nummer und wartete. „Guten Tag, Herr Graf, es geht um einen Schüler, der unverzüglich am Marie Curie Gymnasium aufgenommen werden soll.", sprach sie in den Hörer. „Ja, Reik ist sein Name.", fuhr sie nach einer Antwort des Gesprächspartners fort.

„Vielen Dank, mit diesen Worten legte die Schulleiterin auf und wandte sich wieder an Frau Reik. „Ich habe so eben mit dem Herrn Graf von Weinberg telefoniert, ein alter Mann, dem dieses Gelände früher gehört hat und der es uns wegen seines Umzugs ins Altersheim verkauft hat. Damals war ich gerade mit meinem Referendariat fertig. Er ist der letzte seiner Familie und würde die Kosten gegen wöchentliche Besuche komplett übernehmen."

„Das ist sehr nett von ihm aber ich weiß nicht ob ich das annehmen kann, wo wohnt er denn genau?", fragte Frau Reik. „Hier in Helledorf im Altenheim auf der Heide, sie können ja zu ihm fahren, alles mit ihm klären und mir dann Bescheid geben wie sie sich entschieden haben." Frau Reik stimmte dem Vorschlag zu. Als sie das Büro verließ, warf sie einen Blick auf ihre Armbanduhr. Sie hatte sich über eine halbe Stunde lang mit der Schulleiterin unterhalten.


Einmal wilder Kerl immer wilder KerlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt