Part 4

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Part 4

Ich fand mich weinend vor, als ich wieder aus meinem Erinnerungsdschungel aufwachte. Ich kauerte noch genau gleich da an der Wand, nur liefen mir jetzt langsam die ersten Tränen die Wange hinunter. Es war ganz still, zu still. Das einzige, was ich hören könnte, war ein leises, beständiges Piepsen, welches aus dem Operationssaal zu mir drang. Ich hoffte so sehr, dass das Harrys Herztöne waren. Ich hörte ganz genau hin und bei jedem Piepsen kam die Angst in mir hoch, dass keines mehr darauf folgen könnte. Ich hatte noch nie in meinem Leben so Angst. Ich wurde noch nie damit konfrontiert, eine der wichtigsten Personen aus meinem Umfeld zu verlieren. Und ich war noch nie so kurz davor.

Ich konnte nicht schlafen, mein Zeitgefühl hatte ich noch nicht zurückbekommen. Als ich auf mein Handy sah, zeigte es zwei Uhr morgens an. Ich musste also schon über 2 Stunden hier gesessen und gewartet haben. Und das ganz allein, kein einziges Mal ging jemand diesen Flur hinunter, nie kam jemand hoch. Ich spielte eine Zeit lang mit dem Gedanken, ich könnte nach Zayns Zimmer fragen. Der war jetzt bestimmt fertig operiert. Aber ich kam nicht von hier weg. Ich konnte und wollte Harry nicht alleine hier lassen.

Immer wieder rannen vereinzelte Tränen meine Wangen hinunter. Jede einzelne von ihnen brannte auf meiner Haut. Ich ertappte mich dabei, wie ich mit dem Gedanken zu spielen begann, wie es sein würde wenn Harry es nicht schaffen würde. „Nein, er muss es schaffen. Er wird es schaffen. Ich kann nicht ohne ihn!“, schrie ich als ich aufsprang. Völlig verzweifelt hämmerte ich gegen die Wand. Ich sah nicht ein, dass es nichts brachte. Ich sah es auch nicht ein, als eine Krankenschwester zu mir geeilt kam und mich am Arm packte. Sie meinte ich müsse mich beruhigen, sonst müsse sie mich rauswerfen. Ich liess mich zwar wieder zusammensackend auf dem Boden nieder, doch innerlich konnte ich mich nicht beruhigen.

Eine ganze weitere Stunde musste ich warten, bis sich endlich etwas tat. Die Tür vom Operationssaal schwang auf. Sofort stand ich auf. Erst kam der Chefarzt raus, nach ihm wurde das Bett hinausgeschoben. Das Bett auf dem Harry lag. Ich ging vorsichtig etwas näher ran. Ich hatte Angst, dass die Krankenschwestern, die um ihn herumwuselten mich rausschmeissen könnten. Es waren nur wenige Sekunden in denen ich ihn zu Gesicht bekam ehe das Bett mit ihm in ein anderes Zimmer verschwand. Sein Kopf war auf die Seite abgeknickt. Er sah zu mir. Doch seine Augen waren geschlossen. Sein wunderschönes Gesicht war bleich, es war zu bleich. Und an der linken Schläfe war ein weisses Pflaster. Er trug bereits diese weisse Spitalkleider. Die Bettdecke war bis knapp unter seine Brust hochgezogen und seine sonst so starken Arme lagen schlaff daneben. Es gab meinem Herz weitere Stiche, ihn in diesem Zustand zu sehen. Zögerlich fragte ich, was mit ihm sei. Doch ich bekam keine Antwort, es gingen alle einfach tonlos an mir vorbei als wäre ich nicht da. Bis auf eine Krankenschwester. Sie sah mich mit einem mitleidigem Blick an, doch das brachte mir auch nicht viel. Ich fragte weiter, ob ich zu ihm dürfe, als sie dir Türen hinter seinem Bett wieder schlossen. Wieder bekam ich keine Antwort. Ich wurde wütend und fragte mich, ob mich hier eigentlich niemand verstand. Allmählich wurde mir bewusst, dass mir nichts anderes übrig blieb, als zu warten.

Als ich da wieder am Boden sass, kam der Arzt zu mir. „Gehen sie nach Hause, schlafen sie und ruhen sie sich etwas aus. Sie können im Moment nichts für ihn tun.“ Er wollte mich am Arm hochziehen, doch ich zuckte weg. „Ich will nicht nach Hause, ich will nicht schlafen und ich will mich nicht ausruhen. Ich will zu Harry.“ Er sah mich nur mit einem tadelnden Blick an. Als ich ihn erneut fragte, wie es um Harry stand antwortete er sehr forsch. „Sie haben nicht das Recht auf eine Berichterstattung.“ Zumindest brachte man mir nun einen Stuhl, damit ich nicht mehr auf dem kalten Boden sitzen musste. Ich gab nicht auf, ich wollte zu Harry, koste es was es wolle.

Als sich die Lage wieder beruhigte und kein Mensch mehr zu sehen war, kam die Krankenschwester zu mir, die mich zuvor so mitleidig angesehen hatte. „Du bist seine Freundin oder?“ Ich nickte nur und strich mir schnell meine Tränen zum Gesicht raus. Ich schätzte sie etwa in meinem Alter, vielleicht auch etwas älter als sie sich neben mich hin kniete. „Ich bin Kathy.“ Ich sah sie kurz unsicher an ehe ich „M-Melina“, hervorpresste. „Ich werde da wohl eine kleine Ausnahme machen.“, sagte sie zu mir während sie aufstand und zu Harrys Zimmer über ging. „Er liegt im Koma, aber mehr kann ich leider auch nicht sagen.“, flüsterte sie mir zu, als sie mich durch die Türe gewunken hatte. Von dem Augenblick an, als ich das Zimmer betrat, galt meine ganze Aufmerksamkeit einzig und allein Harry.

I'll catch you if you fallWhere stories live. Discover now