Der erste Tag

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Tag Nummer 1 oder auch: Aprilscherze sind nicht lustig wenn du April heißt!

Endgültig wach wurde ich, als mein Kopf mit 300 km/h gegen die Dachschräge über meinem Bett stieß und mein Gehirn, wie in einer Zentrifuge gegen meine Schädelwände schwappte.

Sich frühmorgens ein Schädelhirntrauma zuzuziehen gehörte zwar eigentlich nicht zu meiner Vorstellung von einem perfekten Mittwochmorgen, aber mein Wecker hatte wie immer seine eigenen Pläne.

Ich warf einen Blick auf die Uhr.

6.45 am.

Ich stöhnte auf. Dann musste das Frühstück wohl oder übel dran glauben, damit ich rechtzeitig zur 1. Stunde die Schule erreichen konnte und vielleicht, ausnahmsweise einmal nicht 15 Minuten verpassen würde.

Immer und überall mindestens 15 Minuten zu spät zu kommen war meine ganz persönliche Spezialität. Darin waren ich und mein Zeitgefühl nämlich ganz groß.

Trotz Zeitdruck blieb ich noch ein paar Sekunden liegen und genoss die Stille um mich herum und den Geruch von neuen Büchern, die ich gestern in einem spontanen Kaufrausch in der Buchhandlung erstanden hatte

Unmotiviert schwang ich meine Beine über die Bettkante und hievte mich hoch, anschließend tapste ich verschlafen zum Spiegel hinüber und erstarrte.

Meine roten Haare standen in alle möglichen und unmöglichen Richtungen ab. Ich sah aus wie irgendeine abstrakte, skurrile Skulptur von Picasso. Wenigstens hatte ich keine allzu schlimmen Augenringe, die hatte ich allerdings sowieso nie. War irgendwie genetisch veranlagt. Das hatte ich zumindest gelesen und dem Internet soll man ja bekanntlich nicht in allen Dingen vertrauen.

Mühsam kämpfte ich mich mit der Bürste durch das Heunest auf meinem Kopf. Vielleicht hätte ich es einfach dort lassen sollen. Dann hätte eine verwaiste, heimatlose Vogelfamilie darin nisten können und meine Haare wären endlich zu etwas gut gewesen.

Nachdem ich die größte Katastrophe in den Griff bekommen hatte, griff ich mir die ersten Klamotten die mir in die Quere kamen (sie lagen über dem Bücherstapel in dem sich irgendwo bestimmt der erste Eragon Teil befand), was dazu führte, dass ich am Ende zwei verschiedene Socken trug, als ich nach unten in den dunkel blau-grau gestrichenen Flur rannte. Eine pinke und eine babyblaue mit dunkel blauen Fischen darauf, die mir eigentlich viel zu klein war und einem meiner Brüder gehören musste.

Ich verscheuchte die Gedanken an nervige, kleine Geschwister. Für Selbstmitleidstiraden hatte ich später immer noch Zeit. Jetzt musste ich erstmal schauen, dass ich rechtzeitig zur Schule kam und auf dem Weg nicht von einem Laster überrollt wurde, der mich übersehen hatte (was angesichts meines Aufzuges jedoch unwahrscheinlich war).

Ich schlüpfte eilig in meine schwarzen Bikerboots, griff mir meinen blauen Regenmantel, den mit den gelben Quitscheentchen drauf von der Gaderobe und langte nach der Türklinke.

Ich hielt inne.

Zahnpasta.

Ich stöhnte auf und verzog angewidert das Gesicht.

Vielleicht hätte ich mir doch länger Zeit lassen sollen, um mich über meine kleinen Brüder aufzuregen, die mit Sicherheit die Verursacher dieser überaus unerfreulichen, minzigen Angelegenheit waren.

Kurz überlegte ich laut zu schreien, nur um die restlichen Bewohner des Hauses aufzuwecken und meinem Unmut Luft zu machen, aber ich verkniff mir alles, was über ein leises Fuck! hinausging, weil ich meinen Vater nicht aufwecken wollte. Er hatte schon genug Stress bei der Arbeit, da musste ich ihm das Leben ja nicht noch zusätzlich schwerer machen.

12 Tage AprilWo Geschichten leben. Entdecke jetzt