Verschwunden

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" Endlich bist du wach. Ich hab schon gedacht, dir wäre was schlimmeres zugestoßen. "
Tessa öffnete die Augen. Das war so anstrengend, als hätte sie es verlernt. Um sie herum war es dunkel bis auf eine einzelne Taschenlampe.
" Was ist passiert? " murmelte sie.
" Weißt du nicht mehr? " , sagte der Junge vor ihr "Du bist durch die Mauer gefallen, also bin ich hinterher. "
Als er ihr erschrecktes Gesicht sah, fügte er hinzu :"Die Kidnapper sind nicht hier. Die konnten uns anscheinend nicht folgen. Allerdings habe ich keine Ahnung, wie du überhaupt in die Wand fallen hast können. "
Tessa starrte ihn an. Dann fiel ihr alles wieder ein. Der Angriff, die Verfolgungsjagd, der Fall.
Sie versuchte sich aufzurappeln, scheiterte aber an einem stechendem Knöchel. Deshalb ließ sie sich wieder zu Boden sinken. Tessa wimmerte. " Was machen wir jetzt eigentlich? Rufst du den Notarzt? "
"Das wird schwierig. Ich habe kein Handy und wir sind unter der Erde. " Dann schwieg er .

Tessa hatte nun endlich Zeit ihn genauer zu betrachten. Er hatte dunkelblonde, zerzauste Haare, als wäre er schon länger unterwegs ohne ein festes Dach über dem Kopf. Außerdem roch er etwas unangenehm. Tessa rümpfte die Nase , beachtete es aber nicht weiter. Der Junge war ungefähr in ihrem Alter, also in etwa dreizehn, schlank und groß. Er trug ein ausgewaschenes, dunkles T-Shirt
und eine zerfetzte Jeans.
In seinem Gesicht stand ein gehetzter Ausdruck. Doch das seltsamste an seinem Gesicht waren seine Augen. Wenn man sie nur aus dem Augenwinkel betrachtete, schienen sie rötlich oder orange zu sein. Doch seine wirkliche Augenfarbe war
grün -braun .Die Augen huschten hin und her, als ihr eine wichtige Frage einfiel.

" Wie heißt du eigentlich?", fragte Tessa den Jungen.
" Titus Logan, und du? "
"Tessa Jones "
" Schöner Name. "
" Danke. "
Betretenes Schweigen.

"Kannst du laufen, wenn ich dich stütze? ", fragte Titus. Tessa nickte , ließ sich aufhelfen und sackte mit ihrem ganzen Gewicht auf den Jungen. Dieser zuckte kaum merklich zusammen und legte seinen Arm um Tessas Schulter.
Der Schmerz in ihrem Knöchel wollte einfach nicht nachlassen.

" Wohin jetzt? "
Statt einer Antwort schleppte Titus sie in eine Richtung. Allerdings etwas zaghaft.
Er führte Tessa durch einen Tunnel aus rotem Backstein.

Nach etwa 10 Minuten veränderte sich der Tunnel.
Grauer Stein löste den roten Backstein ab. Immer größere, blaue Nebelschwaden bildeten sich.
Auf einmal blieb Titus stehen.
Misstrauisch sah er sich um.
Nach der Frage warum er stehen geblieben sei, meinte Titus nur: "Die Türen. "
Fragend blickte Tessa auf die Nebelwand vor ihr. Sie fragte sich, wie um alles in der Welt Titus da etwas erkennen konnte. Aber was wusste sie schon über diesen Jungen?

Endlich lichtete sich der Nebel und eine Tür erschien. Einen Meter weiter noch eine.
Tessa zitterte.
Wo bin ich hier nur hineingeraten?
Langsam humpelten die Beiden weiter. Bei fast jedem Schritt tauchte eine weitere Tür aus dem Nebel auf. Sie erschienen links und rechts von ihnen, als wollte man die Beiden mit dem grusligstem Spalier aller Zeiten willkommen heißen.

Tessa fand allerdings den Tunnel, ohne es zu wollen, nicht nur fuchteinflösend, sondern auch faszinierend.

Die Mauern wollten und wollten einfach kein Ende nehmen.
" Sollten wir vielleicht eine der Türen nehmen oder sagen wir ausprobieren? " fragte Tessa ihren Begleiter. Dieser schüttelte starr den Kopf und murmelte etwas von "zu gefährlich ".

Kann der Typ nicht etwas mehr mit mir reden, statt einfach nur vor sich hinzutrotten?
Dieser Typ nervte einfach nur.
Wahrscheinlich konnte er nichts anderes.
OK, das war etwas zu hart. Er hat mich schließlich vor den Erdmenschen gerettet.

Da sie so in Gedanken vertieft war, hatte Tessa nicht bemerkt, dass Titus stehen geblieben war.

Tessa stolperte, fing sich aber sofort wieder mit der Hilfe von Titus. Eigentlich hatte sie vorgehabt, ihn dankbar anzulächeln, was ihr allerdings nicht sonderlich gut gelang.

Als Titus nicht mehr in ihr Gesicht sah, glaubte Tessa, einen kleinen Anflug von Enttäuschung in seinem Blick zu erkennen. Aber da sich sein Gesicht sofort wieder verhärtete, glaubte Tessa, dass sie sich getäuscht hatte.

Nun hatte Tessa Zeit sich auf das vor ihnen zu konzentrieren. Oder besser gesagt, unter ihnen.
Auf dem Boden, keine zwei Schritte entfernt, öffnete sich eine Bodenklappe, die in genauso düsteres blaues Licht wie die anderen Türen getaucht war.

" Sollen wir da rein ", murmelte Tessa eher zu sich selbst.
" Ich würde sagen, ja ", erwiderte Titus.
" Warum ausgerechnet diese Klappe? ", fragte Tessa ungehalten.
" Ich habe da so ein Bauchgefühl"
Na gut, dann vertrauen wir mal deinem Bauchgefühl ", antwortete Tessa, obwohl sie eher gegenteilige Gefühle hatte.

Titus näherte sich langsam der Klappe und sah hinein , doch erblickte nur schwarze Dunkelheit und eine Treppe!
" Ich denke, dass sogar du diese Treppe schaffst ", fügte er hinzu.
Natürlich kann ich Treppensteigen. Was denkt der wo ich aufgewachsen bin. Das dachte sich Tessa bis ihr auffiel, dass er eigentlich ihren Knöchel meinte.
Anscheinend hatte Titus ihr beleidigtes Gesicht gesehen und sich deshalb abgewandt. Widerwillen wurde Tessa traurig, schüttelte das Gefühl ab und machte sich an den Abstieg.

" Ich hätte dir zwar angeboten vorzugehen, aber wenn ich deinen Stolz verletzt habe. Pfff! "
Was bildete sich dieser Typ nur ein?

Um sie herum war nur schwarze Finsternis . Tessa glitt mit einer Hand am kaltem Granit entlang, während Titus hinter ihr mit seiner Taschenlampe ihr den Weg leuchtete. Die Treppe führte stets abwärts.

DIE ELEMENTE DER WELT # Der Auftrag Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt