2. Kapitel

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In der Nacht in der es geschah, hörte ich ein grelles Geschrei... es war das meiner Schwester. Der Pfarrer stand vor meiner zappelnden Schwester, die von zwei großen kräftigen Männern festgehalten wurde. Der Pfarrer sprach Bibeltexte vor ihr und sagte sie wäre vom Teufel besessen. Er sei in sie eingedrungen, verwandelte sie äußerlich in eine Hexe, hatte ihre Seele verdorben und zeigte sich durch ihr Geschrei und Gezappel. Ich konnte überhaupt nicht reagieren, obwohl ich es so gerne gemacht hätte... Noch am selben Morgen wurden wir von den Kirchenglocken geweckt.

Das dachte ich zumindest...

Sie war nicht mehr da. Ich lief zum Fenster da ich etwas stampfen hörte. Total verschlafen und mit verheulten, schmalen Augen schaute ich aus dem Fenster, das Morgenlicht war hell und nebelig.

Die Dorfbewohner marschierten durch das Dorf, man konnte sie schon durch das Maschieren stampfen hören. Sie sangen alle synchron Lieder und wirkten so erleichtert. Die ,,Bande" lief auf der Straße und an den Straßenränder standen die restlichen Dorfbewohner.

Plötzlich sah ich sie und meine Augen rissen auf. Sie lag regungslos auf einem langen, schmalen Holzbrett, da sie gefesselt wurde. Sie blutete und hinterließ eine Blutspur. In diesem Moment spürte ich keinerlei Gefühle außer Wut und Reue, als ich sah wie die am Rand stehenden Bewohner sie mit Steinen bewarfen und schreckliche Dinge zu ihr schriehen.

Von meiner Trance geweckt, realisiere ich es und rannte nach unten zur Tür, ohne mich umzuhiehen. Wie immer hatte ich ein Nachthemd von meiner Schwester an, da wir unsere nach jeder Nacht wechselten. Das machten wir schon jahrelang, seitdem unsere Mutter umgebracht wurde.

Ohne nachzudenken rannte ich so schnell es geht hinterher, durch die Blutspur konnte ich den Weg schnell ertappen. Der Nebel ließ es nicht zu irgendetwas Fernes zu erkennen, denn er Dämpfte jegliche Geräusche und Gestalten. Plötzlich konnte ich etwas erkennen... es waren einige der Bewohner. Sie liefen zielstrebig einen Weg und schienen genau zu wissen wo sie hin wollten. Um nicht aufzufallen, lief ich mit sicherem Abstand mit und konnte einen dunklen und düsteren Wald erkennen, der mir bekannt vorkam. Doch der Nebel verschlang das meiste.

Ich sah ihre durch die Kälte blau gewordenen Füße, die am Boden schliffen und sich ebenfalls nicht regten. Dadurch, dass sie mir so nahe vorkam ging ich ohne weiteres Nachdenken und wahrscheinlich aus Reflex näher in ihre Richtung. Mir waren die Anderen egal, ich wollte einfach nur zu meiner Schwester, zu meinem eigenen Fleisch und Blut.

Kurz darauf blieben alle stehen...

Ich rempelte einen Jungen an, der mir nicht bekannt vorkam. Er war groß, hatte leichte Wellen in den dunkelblonden Haaren und wunderschöne grün-blaue Augen. Sie brannten sich in meine, als er sich zu mir drehte und ich ihn in meiner Trance ansah. Er sagte überhaupt nichts, starrte mich nur kurz an, schaute in Richtung meiner rechten Brust und drehte sich sofort wieder um. Ich konnte keine Worte fassen und hatte überhaupt nicht daran gedacht mich zu entschuldigen.

Seine Augen haben mein Verstand für diese wenigen Sekunden verschlungen...

Kaum konnte ich mein Verstand wieder aufbauen bemerkte ich, dass wir anscheinend angekommen seien. Schnell ging ich durch die Menschenmenge, sie hatten sich alle in einem Halbkreis versammelt. Ich gesellte mich so unauffällig wie möglich dazu. Gegenüber von mir stand wieder dieser wunderhübsche Junge, der ungefähr in meinem alter war und etwas mehr als ein Kopf größer war als ich. Er hatte mich wieder bemerkt und wir starrten uns wieder kurze aber wunderbare Sekunden an. Er unterbrach den Blickkontakt und schaute wieder auf meine rechte Brust, die von meinem Nachtkleid überdeckt wurde. Ebenfalls schaute ich dieses Mal runter auf meine Brust und verstand nicht warum er wieder hinsah.

Die Menge war laut und schrie teilweise aus Wut.

Für zu viele Minuten hatte ich vergessen warum ich hier stand, bis ich meine Schwester gesehen hatte. So langsam verstand ich, dass die Menschen sich hier um sie kreisten. Ungefähr in der Mitte stand ein ,,Kreuz" und viele Stöcke lehnten daran an, meine Schwester lag immer noch gefesselt auf dem Holzbrett und wurde mit dem Brett an das ,,Kreuz" gebunden und sofort nahm ich die Menschen um mich herum nicht mehr war.

Man konnte sehen, wie sie wieder zu Bewusstsein kam. Langsam als sie schon angebunden war, bewegte sie ihren Kopf nach rechts und nach links, bis ihr Kopf schließlich nach vorne kippte. Ein paar Sekunden später öffnete sie angestrengt ihre Augen, man konnte sofort sehen, unter welchen Schmerzen sie leiden musste. Mit schmerzendem Gesichtsausdruck hebte sie ihren Kopf und schaute gerade aus direkt zu mir.

Trauer, Wut und Schmerz lag in unseren Blicken, da ich mit ihr leidete. Nur war sie diejenige, die die körperlichen Schmerzen erleiden musste und ich die mentalen Schmerzen. In unseren Blicken bauten wir ein Gespräch auf. Ihr tat es leid und mit ebenfalls. Sie meinte sie sei dem Tod schon so nahe, dass sie ihn sehen spüren und hören konnte, wie er nach ihr ruft und sie verführen will.

Von rechts kam der Pfarrer von letzter Nacht mit der Bibel in der Hand. Mit dem Daumen zwischen den Buchseiten schlug er die gewollte Seite auf und lies darin vor.

Meine Schwester schien Panik zu bekommen und fing zuerst an in sich zu weinen, doch das Weinen wurde lauter und sie ersten Tränen flossen ihrer Wange runter. Erst als meine Wange total durchnässt war, bemerkte ich, dass ich auch in mir weinte.

Wir nahmen unsere Blicke nicht voneinander und starrten uns durchgehend an.

Die Menge schrie wieder lauter und begannen wieder Steine nach ihr zu werfen. Der Pfarrer war mit seiner Moralpredigt fertig und hob ein kleines Kreuz in seiner alten Schrumpeligen Hand, das er normalerweise als Kette um seinen Hals trug.

Sad FateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt