Kapitel 2 - Der Preis ihres Lebens

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Ich werde in ein großes Büro geführt, wo zwei weitere Anführer und der Arzt warten. Hinter mir wird die Tür geschlossen. Augenblicklich fühle ich mich eingeengt.

"Wie... wie geht es... wie geht es meiner Großmutter?" Ich brauche mehrere Anläufe, um meine Frage zu formulieren. Auf einmal habe ich einen dicken Kloß im Hals. Will ich es wirklich wissen? Was, wenn es etwas Schreckliches ist? Vielleicht Krebs oder so? Kann Stress Krebs begünstigen? Ich weiß es nicht. Was, wenn sie nie wieder gesund wird? Ich könnte es nicht ertragen, sie zu verlieren.

"Deine Großmutter ist schwer krank. Sie müsste ins Krankenhaus, um weiter untersucht zu werden."

Und warum ist sie dann noch nicht da? Aufgebracht sehe ich den mir am nächsten stehenden Anführer an. Er war durchschnittlich groß, hatte Muskeln wie ein Boxer und kurze dunkelbraune Haare. Ein hinterlistiges Lächeln schlich sich bei meinen Worten auf seine harten Züge. "Wir hatten eine Abmachung!"

"Wir hatten lediglich vereinbart, einen Arzt zu rufen. Dieser Deal wurde von beiden Seiten erfüllt. Wenn du möchtest, dass sie ins Krankenhaus kommt und dort angemessen versorgt wird, bis sie wieder gesund ist, haben wir dir einen neuen Deal anzubieten."

Sein Gesichtsausdruck gefällt mir gar nicht. Er wirkt ziemlich siegessicher und irgendwie schadenfroh. Ich muss erst einmal schlucken. Verdammt! Sie haben mich ausgetrickst! Aber was sollte ich tun? Ich war halt panisch. Kein Wunder, dass sie so schnell zugestimmt haben. Sie sind viel zu gut dabei weg gekommen! Werde ich noch einmal mit ihnen verhandeln? Dieses Mal wird der Preis höher sein. Viel höher. Ich habe meine Dienste schon einmal unter Wert verkauft. Das wird sie dazu bringen, mir so ziemlich das einzige abzunehmen, was mir noch so halbwegs erhalten ist. Mein Leben. Was würde Großmutter dazu sagen? Vor meinem inneren Auge kann ich ihr altes, von Lach- und Sorgenfalten gezeichnetes, rundes Gesicht sehen. Ihre kurzen grauen Haare stehen mal wieder in alle Richtungen von ihrem Kopf ab. Ernst sehen ihre dunkelbraunen Augen mich an. "Mein Kind, ich habe ein langes und erfülltes Leben hinter mir. Deines liegt noch vor dir. Verbaue es dir nicht, um mir noch ein klein wenig Zeit zu erkaufen." Genau das hätte sie zu mir gesagt. Mein Verstand versteht, was sie mir da sagen will. Aber ich bin nicht bereit, loszulassen. Ich will sie nicht kampflos aufgeben. Und wenn es meine einzige Chance ist, dann will ich bereit sein, mein Leben zu geben. Früher oder später hätten sie es sich sowieso genommen. Es gibt keinen Ausweg aus dieser Hölle.

Entschlossen sehe ich den Mann vor mir an. "Was ist der Preis?"

"Du heiratest eine Person unserer Wahl. Heute."

Schockiert starre ich ihn an. Ich komme mir vor wie ein Reh, das nachts auf der Fahrbahn steht und von einem Auto geblendet wird. Heute? Einen, den sie aussuchen?

"Denk an deine Großmutter", wirft ein anderer ein.

Ich könnte sie umbringen. Allesamt. Um mich zu sammeln, schließe ich meine Augen und atme einige Male tief durch. Mit zu Fäusten geballten Händen suche ich den Blick des ersten, der mir dieses unmoralische Angebot unterbreitet hat. "Was soll ich tragen?" Abgesehen von drei verschiedenen, sehr schlichten Kleidern besitze ich nichts.

Hinter mir weist der dritte Anführer den Arzt an, meine Großmutter ins Krankenhaus zu bringen und sie dort versorgen zu lassen. Anschließend legt er mir die Hände auf die Schultern. Bei der Berührung zucke ich mal wieder zusammen.

"Von jetzt an wirst du kein einziges Mal das Wort Nein in den Mund nehmen. Du wirst ihm nichts verweigern. Tust du das doch, ist deine Großmutter tot. Haben wir uns verstanden?" Seine Stimme und seine Worte jagen eiskalte Schauer über meinen Rücken.

Unter Magiern: Feuerrot [Leseprobe, Entwurf]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt