7_Chloes Locke

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Ich gehe zum Fenster, reiße ein Stück der Pappe ab, die mich eigentlich vor neugierigen Blicken schützen sollte und riskiere, dass ich vielleicht kurz gesehen werde, aber im Moment ist mir das egal. Nur Leonas Reaktion ist wichtig für mich. Sie schreit. Und hört nicht auf, dabei hat sie Chloes Locke noch nicht einmal gefunden.
Die Haustür wird geöffnet, ihr Vater tritt neben sie und nimmt ihr den Strauß bestimmt aus den Händen. Beruhigend legt er seinen Arm um seine Tochter und streicht ihr über den Kopf. Auch wenn er ihr Vater ist, sollte er sie nicht so berühren, nur ich darf das.
Die Mutter kommt zu den beiden nach draußen, an der Hand den kleinen Jungen. Auch sie umarmt ihr Kind. Eine hübsche Familienzusammenkunft habe ich da organisiert. Das wichtigste fehlt aber noch. Chloes Haar.
Leonas Vater findet den Brief, er öffnet ihn, obwohl der Name seiner Tochter darauf steht. Er sieht hinein aber er versteht nicht. Er erkennt nicht, dass es Chloes Haarlocke ist, die da vor seiner Nase in dem Briefumschlag steckt. Deshalb lässt er Leo doch hineinschauen. Sie schlägt kreischend die Hände vor dem Mund zusammen als sie die Locke erblickt und eindeutig als Chloes identifiziert. Sie sagt etwas zu ihrem Vater, wutentbrannt stürmt dieser ins Haus und kommt bald darauf mit dem Festnetztelefon wieder heraus. Er hält es Leona hin. Diese befreit sich aus der Umarmung ihrer Mutter und schubst ihren Bruder und sie zurück ins Haus.
Wen ruft sie an? Die Polizei oder doch nur bei Chloe Zuhause? Schnell schiebe ich den Karton wieder an dir richtige Stelle und befestige ihn mit Panzertape.
Dann richte ich mich. Ich muss zur Arbeit gehen, nicht auffallen. Möglichst normal gehe ich aus dem Haus und grüße meine telefonierenden Nachbarn mit einem höflichen Nicken, sie sehen mich nicht einmal.
Einerseits möchte ich gerne wissen, was jetzt passiert, andererseits weiß ich es sowieso schon. Sie werden ewig versuchen Chloe zu erreichen, irgendwann merken sie, dass es sinnlos ist. Dann benachrichtigen sie die Polizei und ab diesem Zeitpunkt wird das Spiel nur noch interessanter. Ich werde meinen Engel für mich gewinnen oder ich werde mit ihm untergehen.
"Hi", begrüßt mich Elisabeth als ich eintrete. Irgendwie ist es mir unangenehm von ihr so unförmlich angesprochen zu werden, deshalb antworte ich mit einem höflichen: "Guten Tag". Doch dann sehe ich ihren Blick und gebe ihr schnell noch einen Kuss auf die Wange.
"Wo warst du heute Morgen?", fragt sie misstrauisch. "Zuhause, meinen Anzug und Meine Sachen holen. Hat der Kaffee dir geschmeckt?", lenke ich ab.
"Er war hervorragend. Woher hast du gewusst, was ich mag?" Ich lächle nur charmant und wünsche ihr noch einen schönen Tag, dann gehe ich in mein Büro.
Mit den Kopfhörern im Ohr, kann ich alles hören, was in der Nähe von Leonas Handy passiert und gesprochen wird. Normalerweise verfolge ich um diese Zeit den Unterricht ihrer Klasse mit oder lausche ihren Gesprächen aber heute ist es anders. Heute hat sie einen wunderschönen Blumenstrauß bekommen. Zusammen mit einer Haarlocke ihrer toten besten Freundin. Aber sie weiß noch gar nicht, dass diese beste Freundin längst nicht mehr unter den Lebenden weilt. Dass sie verbrannt unter der Erde im Park, nahe ihres eigenen Hauses, verscharrt ist.
Leona weiß nicht, dass sich mit dem heutigen Morgen ihr ganzes Leben ändern wird.
Mein Engel wird bald mein sein.

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