Schwer atmend schleppte er den in schwarze, blickdichte Folie eingewickelten, noch atmenden Körper über die Schwelle der kleinen Tür seiner spärlich eingerichteten Hütte, bei deren Durchgang er sich immer leicht bücken musste, da er sich sonst den Kopf stoßen würde.
Obwohl sie ihm zu niedrig war, hatte es keinen Sinn, diese Tür umzutauschen, da er die Hütte nur für einen kurzen Zeitraum nutzen wollte.
Die dunklen Holzdielen, welche bereits begonnen hatten, zu verrotten, knarrten unter dem Gewicht der beiden Männer und die Tür fiel quietschend ins Schloss.
Sein schwarzes Hemd, welches er bis zum letzten Knopf geschlossen hatte, wodurch es ihm nun leicht den Atem abschnürte, und die schwarze, enge Jeans machten die kleinen Blutspritzer fast unsichtbar, wie sie seine Gestalt zuvor in dem anliegenden Wald hinter dunklen Tannen und Fichten verborgen hatten.
Nur auf der hellen, fast leichenblassen Haut seiner Hände und seines kantigen Gesichts, waren trotz des mangelnden Lichts rote unregelmäßig verteilte Pünktchen zu erkennen, seine dunklen, nun in alle Richtungen abstehenden Haare hatten die dunkelrote Flüssigkeit
absorbiert und waren verklebt.Als seine Augen das Abbild seiner Selbst im Spiegel über dem provisorisch angebrachten Waschbecken erblickten, musste er an Konfetti und an seinen 10. Geburtstag denken - den Tag, an dem er seinen Vater und wegen eben diesem auch seine Mutter zum letzen Mal gesehen hatte.
Die neben dem Waschbecken platzierten, riesigen Eisenbehälter beinhalteten mehrere Liter Flüssigstickstoff und hinderten diesen durch eine besondere Beschichtung am Sieden.
Er lief mit äußerster Vorsicht an ihnen vorbei, da er noch leichte Kälteverbrennungen von der letzen zufälligen Berührung mit nackter Haut, an seinen Fingern und Armen hatte.
Nachdem er auf der anderen Seite des Raumes angekommen war, begann er damit, die Folie und Kleidung von dem Körper vor ihm zu trennen. Sie wurden nicht mehr benötigt.
Nur wenige Sekunden betrachtete er den blutverschmierten Hinterkopf des Dunkelhaarigen, welchen er erst wenige Minuten zuvor mit einer Eisenzange außer Gefecht gesetzt hatte, da es ihm nicht um das Blut oder irgendwelche schrecklichen Taten und den Mord selbst ging.
Nein. Es ging ihm einzig und allein um den Moment, in dem aus Leben plötzlich Tod wird.
Den Moment, in welchem das Herz aufhört zu schlagen und das Gehirn abstirbt.
Den Moment, in dem der Mensch aufhört zu existieren.
Er war keiner dieser irren Religionsfanatikern, welche wissen wollten, ob es das Leben nach dem Tod wirklich gab und ob ihre Seelen im Jenseits erlöst werden würden, und er war auch keiner dieser Märtyrer, welche für ihre Überzeugung töteten.
Er mochte einfach den Übergang zwischen Leben und Tod - die wenigen Sekunden, die alles entschieden.
Die wenigen Sekunden, die ihm seine Kindheit genommen hatten.
Das ist wahre Kunst.
Keuchend, da sein schlaksiger Körper nicht genug Kraft aufbringen konnte, hievte er den Mann nun unter großer Anstrengung in die Stahlwanne neben sich.
Vielleicht hätte er es doch mal mit Krafttrainig versuchen sollen, bevor er dies wirklich durchzog.
Nun streifte er die blauen Tieftemperatur-Handschuhe, welche ihn vor durch Kälte hervorgerufenen Knochenbrüchen schützen würden, über seine langen Finger.
Er hatte den Hahn der Wanne so modifiziert, dass beim Aufdrehen der in den Behältern enthaltene Flüssigstickstoff durch ein Rohr in die Wanne floss.
Er könnte natürlich auch versuchen den Körper in irgendeiner hochkonzentrierten Säure, an die er dank seines Berufs als Chemiker leicht rankommen würde, aufzulösen, doch dies würde mehrere Wochen, wenn nicht sogar Monate, dauern.
Bei dem Gedanken, an die ganzen Filmmorde musste er den Kopf schütteln und in sich hinein lachen.
Sobald der Körper zur Hälfte mit der -196 kalten Substanz bedeckt war, stoppte er den Zufluss. Der Rest des Körpers würde durch den jetzt entstehenden Nebel gefrieren.
Fasziniert betrachtete er den kalten Schleier, welcher die Wanne komplett füllte, so dass er die Sicht auf den jetzt sterbenden Mann verdeckte, und langsam am Rand runterlief, da Stickstoff schwerer als Luft ist.
Aus Angst vor Sauerstoffmangel ohnmächtig zu werden, öffnete er das kleine, runde Fenster rechts neben der Wanne.
Als der Körper endlich ganz gefroren war, musste er schnell handeln.
Er schnappte sich einen Vorschlaghammer und begann auf den Körper einzuschlagen.
Das gefrorene Bein des Mannes zersprang im Augenblick des Aufpralls in geschätzte tausend Teile. Er war überrascht, dass sein Vorhaben in die Tat umgesetzt tatsächlich so gut funktionierte.
Nachdem er diese Prozedur beendet hatte, verbrannte er die Kleidung und die Folie in einer Tonne vor seiner Tür, weshalb die Nachbarschaft sich am nächsten Morgen über den Geruch von verbranntem Plastik beschwerte.
In den nächsten vier Stunden war er damit beschäftigt, die Überreste seines Opfers, welche nur noch Fleischmatsch und Knochensplitter waren, nachdem sie aufgetaut sind, in fünf verschiedenen Wäldern zu verteilen.
Wieder in seiner Hütte angekommen, wusch er sich in der engen, schimmligen Dusche, um das nun zu festen Krusten getrocknete Blut abzuwaschen und verbrannte seine Kleidung in der selben Tonne, in der er zuvor schon die Folie entfernt hatte.
Er war stolz auf sein Werk.
Niemand würde ihn, den netten Nachbar mit dem Beruf, den niemand verstand, verdächtigen.
Niemand würde überhaupt auf die Idee kommen, die Überreste seien die eines Menschen.
Er schaute auf den Wecker neben dem Bett im angrenzenden Zimmer.
5.46 Uhr zeigten ihm die grün leuchtenden Zahlen an.
In 14 Minuten musste er sich auf den Weg zur Arbeit machen, also würde es Nichts mehr bringen, sich ins Bett zu legen.
Aus dem kleinen Reisekühlschrank, welchen er sich zugelegt hatte, nachdem sein Plan ausgereift war und er die Hütte erworben hatte, nahm er sich eine Dose Fertigravioli und aß sie kalt.
Es machte ihn traurig und glücklich zugleich, dass niemand wissen würde, welch ein brillantes Genie er war. Doch früher oder später würde er es eh der ganzen Welt erzählen und sie dabei auslachen.
Mit geschlossenen Augen und an die Decke gerichtetem Gesicht summte er vor sich hin und wartete, bis die nun nur noch 9 Minuten verstrichen.
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Täter.
Mystery / ThrillerEin Serienmörder, mit dem du zusammen arbeiten musst. Ein Serienmörder, gegen den du deinen ganz persönlichen Rachefeldzug planen solltest. Ein Serienmörder, dessen Gesicht du in und auswendig kennst. Die Polizistin Amber Moor soll für einen Fall...