Die Begegnung

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(Überarbeitet; Stand: 06'17)

3. Juni 1213


Stumm stand ich vor dem unnötig, großen Spiegel in meinem Zimmer und betrachtete mich darin. Heute wurde ein Fest zu Ehren meiner Familie veranstaltet und eventuell würden meine Eltern an diesem Tag auch einen Verlobten für mich aussuchen, (immerhin war ich bereits 17 Jahre alt und es war höchste Zeit für mich, Söhne zu gebären) deshalb durfte ich auf keinen Fall fehlen und dazu noch so schön, wie nur irgendwie möglich aussehen. Nicht das es eine richtige Rolle spielte. Es war ein Maskenball, deshalb wäre die Hälfte meines Gesichtes sowieso verdeckt. Ich seufzte leise auf. Es gab tausend andere Dinge mit denen ich meine Zeit lieber 'verschwenden' würde als mich auf einem Ball aufzuhalten, voller hinterlistiger Menschen. Zum Beispiel meine Bücher lesen oder diese fremde Stadt erkunden. Aber nein, ich musste mich mit "unseresgleichen" vergnügen.

Erneut betrachtete ich mein Spiegelbild von oben bis unten. Mein Kleid bestand aus einem blauen, feinen Stoff, welches obenrum unbequem eng am Körper anlag. Ab der Taille ging es in die Breite. Besonders bemerkenswert war der tiefe Ausschnitt, damit man die zusammengepresste Oberweite nicht übersehen konnte. Meine langen, braunen Haare wurden hochgesteckt, wobei die Spangen, die das Ganze zusammen hielten, sich schmerzlich an meine Kopfhaut drückten. Auf Wunsch meiner Mutter wurde ich heute (ausnahmsweise) mit weniger Schminke zugekleistert als normalerweise. Da, wie gesagt, es ein Maskenball war und meine blaue Maske genug verdeckte. Ich blickte kurz aus dem Fenster. Es wurde allmählich Zeit, meine Eltern zu treffen.

"Endlich. Komm jetzt!", schimpfte meine Mutter, als ich in der Vorhalle zu ihnen stieß, "Die Gäste warten bereits." Sie sah aus wie eine Furie.
"Wo ist dein Kreuz?", kam es von meinem Vater, der nur selten ein Wort mit mir wechselte. Er hatte einen Jungen gewollt und das hatte er mich spüren lassen. Wortlos hielt ich ihm die Kette mit dem roten Anhänger hin. "Zieh es ihr an, Weib." Meine Mutter trat vor, nahm (riss) mir die Kette aus der Hand und legte sie mir an. Natürlich, dieses Kennzeichen durfte einfach nicht fehlen. Das Zeichen der Kreuzfahrer, der Christen. Ich zog es mir häufiger aus, da ich nicht unbedingt zeigen wollte, zu wem ich gehörte. Nicht weil es mir peinlich war, nur bekamen die Menschen häufig Angst vor mir, wenn sie es sahen.

Die Tür zu den mit Menschen gestopften Saal öffnete sich. Die Blicke jedes Einzelnen waren auf uns gerichtet, als wir hindurch gingen. Meine Erzeuger liefen natürlich voraus.
Mein Vater erhob seine Stimme, auf sein Lippen ein gefälschtes Lächeln: "Meine lieben Gäste, ich freue mich sehr, dass Sie heute gekommen seit um mit uns zu feiern. Gleich zu Anfang der Feierlichkeiten habe ich gute Neuigkeiten. Der Assassine, der ein Attentat auf meine geliebte Tochter verüben wollte, wurde gefasst und wird heute, als Höhepunkt des Festes, hingerichtet." Die Menge jubelte während in mir sich alle Blutgefäße zusammen zogen. Mein Vater konnte diese Menschen anlügen, mir konnte er allerdings nichts vormachen. Ich hatte mitbekommen, dass sie einen unserer Feinde gefangen genommen hatten, allerdings hatte dieser keineswegs ein Attentat auf mich geplant, sondern war er einfach unvorsichtig gewesen als er in der Stadt einen Auftrag erledigte. (Und er hatte es nicht rechtzeitig geschafft, sich zu verstecken oder wegzurennen.) Der Plan des Mannes war lediglich, die Leute zu beruhigen. Sie sollten sich sicher fühlen. Dankbar, dass die La'Fierce-Familie gekommen war und sie 'rettete'.
"Zudem gibt es eine weitere Überraschung. Ihr, meine lieben Gäste, habt heute die einmalige Gelegenheit um die Hand meiner Tochter anzuhalten", fuhr der Templer fort. Ohne den Blick schweifen zulassen, spürte ich gaffende Blicke. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken. Ekelhaft.

Sobald mein Erzeuger fertig war mit seiner Ansprache, wurde mir erlaubt, mich frei zu bewegen im Saal. Ich ging zu der Gruppe junger Frauen, die sich meine 'Freundinnen' nannten. Bei ihnen konnte ich mich gut verstecken und hatte gleichzeitig etwas zum Lachen. Als ich bei ihnen ankam, unterhielten sie sich gerade über die Auswahl an Männern, beurteilten das Aussehen potenzieller Partner. Hin und wieder fragten sie auch nach meiner Meinung, doch ich schüttelte nur den Kopf und gab irgendwelche Kommentare ab:
"Bitte? In den passe ich doch fünf Mal hinein."
"Der ist viel zu mager. Hat er etwa nicht genug Geld für Essen?"
"Wie merkwürdig. Er schaut so merkwürdig. Moment, schielt er etwa?"

Ich sagte alles damit mir diese Männer nicht zu Nahe kamen und glücklicherweise konnte ich es mir auch erlauben. Zwar konnten mich meine eigenen Eltern nicht sonderlich leiden, aber immerhin war ich der kleine Liebling des momentanen Großmeisters. Ehrlich gesagt wusste ich nicht, wie ich zu dieser Ehre kam, aber es interessierte mich auch nicht. Wichtig war, dass es jede Menge Vorteile für mich brachte.

"Da, der sieht doch gut aus!", sagte die einzige Blondine unter uns, riss mich somit aus meinen Gedanken. Sie hatte einen relativ guten Geschmack, deshalb betrachtete ich den jungen Mann, der sich auf uns zu bewegte, näher. Er war ungefähr in meinem Alter, einen knappen Kopf größer als ich und hatte braunes, kurzes Haar. Seine Haut war braun gebrannt, vermutlich kam er aus dieser Gegend. Sein Gesicht war von einer weißen Maske bedeckt, seine Kleider lagen eng an und er war wirklich gut gebaut, das konnte man nicht bestreiten. Generell sah er sehr gut aus, genau mein Typ, und auf die Schnelle kam mir nichts in den Sinn, was ich kritisieren konnte. Kaum war ich aus meinem Staunen heraus, stand er auch schon vor uns.
"Möchtet Ihr tanzen?", fragte er an mich gerichtet. Seine Stimme war tief, hörte sich in meinen Ohren wie eine wunderschöne Melodie an und seine Augen, oh Himmel, ich verlor mich in ihnen. Sacht ergriff ich seine Hand - Herr im Himmel, sie war so groß und angenehm warm - und folgte ihm stumm auf die 'Tanzfläche' zu den anderen Paaren.

Mein Zeitgefühl schwand dahin während wir stumm im Takt hin und her wippten, uns dabei in die Augen sahen. Ich brauchte nicht lange um mich, erneut, darin zu verlieren, allerdings brachte er mich schnell wieder auf den Boden der Tatsachen: "Wie ist Euer Name?"
"Daphne La'Fierce. Und Eurer?", entgegnete ich ohne zu merken, welche Dummheit ich gerade begangen hatte. Natürlich kannte jeder Gast meinen Namen, dennoch durfte ich ihn ohne ausdrückliche Erlaubnis nicht verraten. Auf seinen Lippen bildete sich ein Lächeln, welches mir beinahe die Knie weich werden ließen, doch ich konnte mich zusammenreißen. (Noch.)
"Es ist mir eine Ehre Euch kennen zulernen, Fräulein La'Fierce. Ich heiße Darim." Dieser Name kam mir so furchtbar bekannt vor.
"Nur Darim?", hackte ich überrascht nach. Ein leises Lachen entwich ihm. "Darim Ibn-La'Ahad." Auch dieser Nachname, ich hatte ihn schon einmal gehört. Doch ich wusste beim besten Willen nicht wo. "Ah, die Ehre ist ganz meinerseits", brachte ich hastig heraus. Hoffentlich war ich ihm nicht unsympathisch geworden. 

Erneut herrschte eine Stille zwischen uns, in der meine Nervosität stieg. Ich versuchte sie zu ignorieren und mich zu erinnern. Dabei starrte ich auf das Templer-Kreuz auf seiner Brust und mir wurde etwas bewusst. Es war nicht nur falsch angebracht, es war auch noch gefälscht. Ehe ich weiter darüber nachdenken konnte, riss er mich ein weiteres Mal aus meinen Gedanken heraus: "Sagt, darf ich Euch eine Frage stellen?"
Für einen kleinen Moment hatte ich ein schlechtes Gefühl im Bauch, doch verschwand dieses schnell als ich in sein Gesicht sah. Nur deshalb stimmte ich mit einem kleinen Nicken zu.
"Verzeiht bitte meine Neugierde, aber ist es wahr.. Die Hinrichtung des Assassinen?" Meine Augen weiteten sich. In seiner Stimme klang leichter Zweifel, Bedenken und.. hörte ich da Angst? Ich zog meine Augenbrauen zusammen.

"Ich fürchte schon..", erwiderte ich nachdem ich mich von der kleinen Überraschung erholt hatte, "Darf ich Euch auch etwas fragen?" - "Selbstverständlich."
"Ihr seit kein Templer. Was führt Euch also hierher?", fragte ich gerade heraus. Er verhielt sich anders als die Kreuzfahrer, die ich kannte. Besonders für einen Mann. Und die Tatsache, dass sein Kreuz sowohl falsch angebracht, als auch beinahe perfekt imitiert worden ist, sagte vieles aus. Sein wundervolles Lächeln verschwand von seinen Lippen.
"Ihr habt Recht. Was hat mich verraten?" Er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, es zu verleugnen und um ehrlich zu sein, wusste ich nicht, was ich davon halten sollte.
"Es ist gefährlich hierzu kommen!", schimpfte ich leise, damit es die anderen Gäste nicht mitbekamen, "Was tut Ihr hier?" Auf seine Frage ging ich zunächst nicht ein. Zuerst musste ich herausfinden, wer er ist und was er wollte.
"Ich brauche deine Hilfe, Daphne", erwiderte er nun mit ernster Stimme. Es störte mich nicht im geringsten, dass er von dem höflichen Ton zum 'Du' gewechselt hatte. Mein Verstand machte es sich eher zu Aufgabe, seine Stimme einzuprägen während er meinen Namen sagte und mit einem Mal wurde mir alles klar.

Sein Name, sein Aussehen, diese Aura.. Seine Neugierde über den Assassinen.
Wieso hatte ich es nicht vorher gesehen? Dabei hörte ich diesen verfluchten Namen beinahe täglich. 

Altair Ibn-La'Ahad, der Meister-Assassine

Ich hatte niemand geringeren als seinen Sohn vor mir stehen. Meine Augen weiteten sich vor Überraschung, meine Hände begangen zu zittern.

War er gekommen um mich zu töten?

Feinde sind FeindeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt