1- Auf der anderen Seite

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Kleine tretende Pfoten an ihrem Bauch lassen Bernsteinpelz aus ihrer Traumwelt zurück in die Realität fallen und sie richtet blinzelnd ihren Kopf auf. Es dauert einige Augenblicke, bis sich ihre goldenen Augen an die Helligkeit, die im Bau herrscht, gewöhnt haben und sie sieht sich um. Der Bau ist ziemlich geräumig und viele Sonnenstrahlen erreichen durch das Dach aus Brombeerranken den Boden. Neben Bernsteinglanz' Nest befinden sich auch noch zwei andere Nester im Bau, wobei eines davon leer ist.

Im anderen sieht man kleine Jungen, die sich am Bauch ihrer Mutter rekeln. Gerade ist die Kätzin dabei, langsam aufzuwachen und sich eng an ihre Kleinen zu schmiegen.

Wie süß die Jungen aussehen, denkt Bernsteinpelz. Bald müssten ihre eigenen auch auf die Welt kommen. Doch plötzlich wird ihr etwas schlagartig bewusst und sie glaubt, ihr Herz würde stehen bleiben.

Ihr Blick fällt auf ihren Bauch, bei dem sie noch immer leichte Tritte spürt. Die Jungen sind schon da! Aber war das nicht nur ein Traum, den sie letzte Nacht hatte? Bei dem, wo sie auf einer Wiese mit hohen wehenden Gras lag und Feuerdorn wieder traf? Doch nun hat es den Anschein, als ob alles wahr sein würde. Also ist sie jetzt tatsächlich Mutter! Und alle drei Jungen sind wohl auf und fangen gerade munter damit an, Milch zu trinken. SternenClan sei dank, da hat sie wirklich Glück gehabt: alle sind gesund.

Endlich kommt Bernsteinglanz aus ihrer gedanklichen Starre und beugt sich zu den Drein herunter, um ihnen vorsichtig nacheinander über die winzigen Köpfe zu lecken. Ein Junges ist genauso silber-grau wie sie selbst und ein anderes ist rot mit weißer Brust; beides sind Kater. Das dritte Junge, eine Kätzin, hat wie ihr eines Brüderchen feuerrotes Fell, doch außerdem noch mit Streifen und ohne weiße Abzeichen.

Also muss dir Geburt der Kleinen von letzter Nacht tatsächlich statt gefunden haben. Aber wer waren die drei anderen Krieger, die nach der Geburt auch noch kamen? Sie waren auf jeden Fall nicht aus ihrem Clan. Sie sind aus dem LöwenClan. Das muss es sein! Schließlich befand sie sich da auch gerade auf deren Territorium. Und außerdem, wo ist sie hier gerade eigentlich? Die gesamte Kinderstube kommt ihr nicht annähernd bekannt vor.

"Auch schon aufgewacht?", reißt sie auf einmal ein Miauen aus ihren Gedanken.

Bernsteinglanz sieht sich um, um die Quelle der Stimme ausfindig zu machen und mustert nun heute schon das zweite Mal die Königin, die zwei Nester weiter liegt.

Die weiße Kätzin mit braunen Flecken am Kopf hat sich zu ihr gewandt und wartet zu allem Anschein auf eine Antwort. Also muss es wohl ihre Frage gewesen sein.

"Ja", antwortet Bernsteinglanz schließlich schlicht.

Als Reaktion nickt die Kätzin langsam und wendet ihren Blick wieder an die Jungen in ihrem Nest. Bernsteinglanz selber, schaut auch zu ihrem Kleinen herunter, die allesamt wieder friedlich schlafen.

"Wo...wo bin ich hier?"

"Im LöwenClan, auf der anderen Seite des Flusses," ertönt die Antwort aus dem anderen Nest.

Daraufhin seufzt Bernsteinglanz halb erleichtert, weil der Plan schon mal gut geklappt hat und halb besorgt, da sie nicht die geringste Ahnung hat, wie es nun mit sich und ihren Jungen weitergeht. Die andere Kätzin hat wohl nur die Besorgnis gehört, denn jetzt setzt sie sich in ihrem Nest auf und sieht wieder zu Bernsteinglanz.

"Keine Angst, sie werden dir schon nichts tun. Schließlich hast du neugeborene Junge und kamst nicht mit feindlichen Absichten auf unser Territorium. Das stimmt doch, oder?"

Überrascht, über das freundliche Verhalten der LöwenClan- Kätzin, nickt sie schnell.

"Eigentlich habe ich es gar nicht geplant, meine Jungen mitten im Moor zu bekommen," miaut Bernsteinglanz leise und sieht in die blauen Augen der anderen Kätzin.

"Keine Kätzin kann es planen, wann ihre Jungen kommen", schnurrt diese ," das kann höchstens der SternenClan."

"Da hast du wohl recht," schnurrt Bernsteinglanz nachgebend zurück. "Wie heißt du eigentlich? Du brauchst es natürlich nicht zu sagen, wenn..."

"Nein, nein, schon gut. Du scheinst mir eine vertrauenswürdige Katze und keine Mörderin oder sonst was zu sein, deshalb vertraue ich dir. Ich bin Fischfarn und du?"

"Schöner Name, ich heiße Bernsteinglanz."

"Danke. Wegen deinen Augen, oder? Sie passen perfekt zu deinem Namen."

"Genau," schnurrt sie zur Antwort. "Du bist eine der ersten, die das auf Anhieb versteht."

Beide Katzen unterhalten sich noch weiter und Bernsteinglanz findet heraus, dass Fischfarns Junge, die beides Kätzinnen sind, Honigjunges und Fuchsjunges heißen. Ihr Vater ist Froschregen, doch mit dem Namen kann sie nicht besonders viel anfangen, da sie ja niemanden aus dem LöwenClan kennt. Außer Feuerdorn. Bei Fischfarn's nächster Frage, zuckt Bernsteinglanz unwillkürlich zusammen und fragt sich, ob sie vielleicht Gedanken lesen kann.

"Wer ist der Vater deiner Jungen? Naja, ich kenne ihn wahrscheinlich sowieso nicht, aber mich würde sein Name interessieren," lautet ihre freundlich gemeinte Frage.

"Ähm weißt du, dass ist ziemlich kompliziert," stammelt Bernsteinglanz unbeholfen herum. Sie kann nur hoffen, dass Fischfarn ihr Stammeln nicht zu sehr bemerkt. "Ich...ich muss, glaube ich, mal zum Schmutzplatz."

Sie nickt und Verständnis zeigt sich in ihren blauen Augen. Bernsteinglanz richtet sich vorsichtig, um die drei schlafenden Jungen nicht zu wecken, auf. Gerade fällt ihr ein, dass sie sich noch gar keine Nahmen für sie überlegt hat, doch dafür wird sie später auch noch genug Zeit haben.

Darf ich überhaupt alleine entscheiden wie sie heißen? Es gehören ja immer zwei dazu, fragt sie sich zweifelnd.

Gedankenverloren schleicht Bernsteinglanz um die drei Nester in der Kinderstube herum, um zum Ausgang zu gelangen. Auf dem Weg läuft sie selbstverständlich auch an Fischfarn's Nest vorbei und traut sich, einen kurzen Blick in deren Nest zu werfen. Fischfarn bemerkt ihren Blick nicht und leckt ihren Jungen gerade zärtlich über den Kopf. Die zwei hellbraun-rötlichen Geschöpfe krabbeln auf ihrem hellen Bauch herum und fiepen leise.

Bernsteinglanz läuft schließlich aber wieder weiter, um ihre eigenen Jungen nicht allzu lange alleine zu lassen, obwohl sie der Überzeugung ist, dass Fischfarn ein Auge auf sie werfen würde. Gerade als sie aus dem Bau in das, noch fast ganz unbekannte, Lager treten will, kommt ihr ein Kater entgegen, mit dem sie beinahe zusammen stößt.

"Pass doch auf!", knurrt der matschbraune Kater und sieht sie mit zusammen gekniffenen Augen an.

"Entschuldigung," stammelt Bernsteinglanz und tritt schnell zurück, um dem Gegenverkehr Platz zu machen. Das ist also die typische Feindschaft zwischen dem Löwen- und TigerClan.

Ohne noch mehr über den Kater nachzudenken, schlüpft sie hektisch ins Lager hinaus, um endlich wieder unter freuen Himmel zu kommen. Und als ob sie jetzt nicht schon genug Pech gehabt hatte, stolpert sie beinahe sofort wieder in das nächste Problem.

"Bernsteinglanz", brummt eine tiefe Stimme hinter hier, die ihr nur allzu bekannt vorkommt.

WARRIOR CATS - Im Bann der SterneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt