Prolog

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Es war ein Tag wie jeder andere in der Fabrik. Meine komplette Familie arbeitete hier. Meine Eltern, Tanten und Onkeln, selbst meine Großeltern. Zusammen schafften wir es um die Runde zu kommen. Da ich es nicht anders kannte, machte es mir auch nichts aus nach der Schule zu arbeiten und erst spät Abends nach Hause zu kommen. Trotzdem war ich froh, dass die Schicht bald zu Ende sein würde. Heute war einer der Tage in denen wir alle in der gleichen arbeiteten, weswegen ich meine Eltern vor dem Schlafen sehen würde.

So gut ich konnte half ich gerade meiner Tante in der untersten Etage, als ein lauter Knall zu hören war. Ich verstand nicht wirklich, was dies zu bedeuten hatte. Während ich noch verwirrt nach oben schaute, hatte meine Tante schon das Ausmaß der Katastrophe verstanden und was uns bevor stand.

Zumindest vermutete ich das, denn ich spürte nur ihre Arme, die sich um mich schlangen, wie sie mich auf den Boden warf und sie schützend über mich beugte. Im nächsten Moment kam auch schon eine Druckwelle auf uns zugerast die Hitze und Feuer mit sich brachte.

Feuer.

Nie werde ich das Geräusch vergessen, welches es von sich gab als es alles unnachgiebig verschlang. Wie die Menschen in der Fabrik schrien. Für einen Moment musste ich das Bewusstsein verloren habe, da meine Tante auf einmal nicht mehr über mir war. Die Druckwelle musste sie mitgerissen haben aber genau konnte ich es nicht sagen. Durch den beißenden Rauch, der mir das Atmen schwer machte, konnte ich sie nicht mehr finden. Um mich herum war nur Panik und Chaos. Ich konnte nichts sehen, konnte nicht atmen und immer nur hörte ich die gequälten Schreie der Menschen um mich herum.

Ich hatte Angst; wollte zu meinen Eltern, die in einem der oberen Stockwerke, zusammen mit meinen Großeltern, gearbeitet hatten. Wollte das sie mir sagten, dass alles gut wird.

Mein Vater hatte mir einst erklärt, dass wenn jemals so etwas passieren sollte, wir uns draußen treffen. Wir sollten uns nicht im Gebäude suchen, sondern raus auf die Straße und dort warten. Also kämpfte ich mich nach oben, auch wenn ich dadurch nur noch mehr Rauch einatmete. Ich hatte die Orientierung komplett verloren und wusste nicht, in welche Richtung der Ausgang war. Nachdem ich ein paar wertwolle Sekunden verschwendet hatte, lief ich in die Richtung, in de rich den Ausgang vermutete.

Es war die Richtige.

Ich lief die Treppen rauf und sah, das in der großen Halle, die im Erdegeschoss über die ganze Ebene verlief, ein noch größeres Chaos war, als unten.

Überall lagen Menschen. Manche waren ganz ruhig, bewegten sich nicht, andere stöhnten vor sich hin. Ohne hinzusehen, lief ich zum Ausgang.

Ich sprang über Hindernisse, um im nachhinein zu realisiseren, dass es verstümmelte Leiche waren. Manchmal waren es auch eingeklemmte Menschen, die mich um Hilfe anflehten, obwohl sie genau so gut wussten, wie ich. Ich konnte ihnen nicht helfen... Selbst wenn ichmit meinen gerade einmal dreizehn Jahren stark genug gewesen wäre, hätte ich sie niemals rechtzeitig heraus bekommen, bevor die Flammen sie verschlingen würden. Der Geruch, von verbrannten Fleisch, hing mir in der Nase und ich wusste bereits, dass ich ihn niemals vergessen würde.

Irgendwie schaffte ich es bis zum Ausgang und aus der Tür zu stürmen.

Gierig atmete ich die frische Luft in meine geschundenen Lungen ein, während ich mich weiter schleppte. Weit kam ich nicht, ehe der Rauch in meinen Lungen seinen Tribut forderte und ich in die Knie ging.

Mit tränenden Augen sah ich mich um, doch niemand war da.

In der Ferne sah ich zwar Menschen angelaufen kommen, aber niemand kam aus dem Gebäude raus. Wo war meine Familie?

Indem Moment, in dem ich mich zu der lichterloh brennenden Fabrik umdrehte, brach diese in sich zusammen. Wie in Zeitlupe sackte erst das oberste Stockwerk zusammen und riss mit seiner Wucht, den Rest des Gebäudes mit sich.

Ohne auf die Menschen um mich herum zu achten konnte ich nur auf die lodernden Flammen starren. Auch wenn ich wusste, dass niemand dieses Unglück überlebt haben konnte. Niemand außer mir...

Ichblieb auf dem Boden sitzen während immer mehr Menschen sich um mich herum versammelten. Mit gemeinsamen Kräften versuchten sie die Flammen unter Kontrolle zu bringen, damit sie nicht auf nahestehende Häuser übersprangen. Friedenswächter brüllten um mich herum Befehle, doch ich konnte sie nicht verstehen. Alles was ich wahrnahm war das Prasseln des Feuers, welches immer noch vor mir Tanzte. Selbst als ein Mann mich ansprach, konnte ich nicht reagieren. Vielleicht war alles nur ein Böser Traum? Gleich würde ich aufwachen, würde in meiner kleinen Niesche liegen und meinen Großvater schnarchen hören. Etwas, an das ich mich so sehr gewöhnt hatte, dass ich ohne nicht mehr einschlafen könnte.

Deswegen reagierte ich auch kreischend und strampelnd, als mich Arme einfach nach oben ziehen wollten. Ich durfte hier nicht weg. Ich musste doch gleich aufwachen und meine Familie wiedersehen.

Weitere Hände griffen nach mir und ehe ich mich versah, wurde ich von dem Geschehen weggetragen. Irgendwann ließ auch die restliche Kraft nach und ich fiel in eine leichte Benommenheit. Ich kam erst wieder zu mir, als ich in einem weichem Bett im Krankenhaus lag. Tagelang starrte ich an die Decke, während mir langsam klar wurde, dass ichab jetzt wirklich allein war. Gerade einmal 13 Jahre alt, hatte ich keine Eltern, keine Großeltern oder andere Verwandten mehr.

Ich war allein.

Eigentlich müsste ich ebenfalls tot sein. Niemand verstand, wie ich es überlebt hatte; besonders nicht ich.

Vieleicht war ich ja doch gestorben, nur mein Körper hatte es nicht eingesehen, dass er aufhören musste, zu kämpfen.

Vielleichtwar ich ja nur ein Geist...

Savina Grieves - Nur der Tod kann uns trennenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt