Die Verzweifelte (Distrikt 3)

14 0 0
                                    


Philippa Tertia, Distrikt 3
,,Du bist wunderschön. Wie immer meine Kleine", sprach meine Mutter mich an.
Ich schrak aus meinen Gedanken hoch. Immer wurde ich beim Träumen gestört.

Heute war schon meine zweite Ernte und ich hatte insgeheim Hoffnungen in die Arena zu kommen. Es war mein größter Wunsch, doch niemand wusste etwas davon. Nicht einmal mein bester Freund Tob, mit dem ich jede freie Sekunde verbrachte.
Wir waren einfach füreinander geschaffen, wie Pech und Schwefel, Ying und Yang, Sonne und Mond. Es passte einfach. Wir erzählten uns alles.
Bis auf das.
Ich wollte es ihm schon vor einigen Wochen beiläufig erzählen, doch ich brachte es einfach nicht übers Herz. Ich wusste, es würde ihm das Herz brechen, mitansehen zu müssen, wie seine beste Freundin verstümmelt, getötet oder gefangen genommen wird. Es würde ihn innerlich zerreißen.
Er war mein Ein und Alles und deswegen konnte ich ihm diesen Schmerz nicht antun.
Ich würde mich niemals freiwillig melden. Für Tob nicht.
Nur wenn es der Zufall so wollte, würde ich die gefürchteten Stufen zur Empore hinaufschreiten. Doch falls es jemals so kommen sollte, werde ich sie mit Selbstewusstsein und Stolz erklimmen.
Doch der Schmerz, Tob das angetan zu haben, wird bleiben. Bis zu meinem letzten Atemzug.

Wir trafen uns mit einem Stillen Nicken auf dem Platz und unsere Blicke zeugten von Angst und Ungewissheit. Es brauchte keine Worte, um auszudrücken wie ich mich fühlte.
Die Hoffnung des Morgens war Angst gewichen, da ich nicht wusste, ob ich es verkraften könnte, den schmerzvollen Blick meines besten Freundes zu ertragen.
Doch mein Unterbewusstsein vermittelte mir das Gefühl, nicht das richtige zu denken. Es erinnerte mich an die Hoffnung auf ein friedliches Leben, in dem man nicht an die Arena denken müsse.
Das alles trug nicht zu meiner Beruhigung bei.

Still stellten Tob und ich uns nebeneinander an irgendeine Stelle des Platzes, denn ich war viel zu tief in meine Gedanken versunken. Ich überlegte mir, wie es wäre, wenn Tob in die Arena gehen würde und es mein Herz zerreißen würde.
Es wäre die reinste Qual.
Ich war so in Gedanken versunken, dass ich gar nicht merkte, als der Betreuer mit der alljährlichen Rede anfing. Ich bemerkte es erst, als Tob mich anstieß und ich mit erschrockenen Augen nach oben blickte.
Ich hörte ihm nur halbherzig zu, aber doch wartete ich auf den Moment als er zur Lostrommel der Mädchen ging.
Der kleine Funken Hoffnung in mir war noch nicht vollständig verglüht. Ein kleiner Teil meines Selbstes wollte dort hinauf, doch der größte Teil hatte Angst.
Ich wollte nicht sterben. Ich wollte das alles hier nicht verlieren. Ich wollte einfach nur glücklich mit Tob leben.
Ich hatte nie gewusst, wie glücklich ich sein konnte, eine Familie und einen besten Freund zu haben. Ich wollte sie nicht verlieren.
Und doch...
,,Unser weiblicher Tribut ist.." Nun hatte Kilian, der Moderator aus Distrikt 3, meine volle Aufmerksamkeit.
Gemächlich faltete er den Zettel auf.
,, ... Philippa Tertia"
Nein.
Nein!
NEIN!
Ich wollte das nicht. Ich wollte nur zuhause bleiben. Ich konnte nicht verstehen, wie ich am heutigen Morgen gehofft hatte, in die Arena zu marschieren.
Ich klammerte mich an Tob und jemand, wahrscheinlich ein Friedenswächter, musste mich von ihm losreißen.
Dabei wurden einige Stofffetzen aus meinem dunkelblauen Kleid gerissen, ich musste mich wohl ziemlich stark gewehrt haben.

Ich trat auf die Bühne und bereute meine morgendlichen Gedanken umso mehr.
Ich hatte ein mulmiges Gefühl im Bauch, das man einfach nicht beschreiben konnte.
Ich sah angsterfüllt zu Tob, nachdem Kilian mich auf der Bühne begrüßt hatte.
Er sah mich ebenso erschrocken an.
,,Nun da wir jetzt ein Mädchen haben, würde ich sagen, wir gehen zu den Jungen über."
Wie ich ihn hasste. Hätte er nicht irgendwen ziehen können? Irgendwen. Nur nicht mich.
Ganz egal.
Nur nicht mich.

Ich suhlte mich im Selbstmitleid und dachte gar nicht an meinen Mitstreiter, als ich auf einmal Tobs Gesicht näher kommen sah. Ich wusste, dass es nicht sein konnte, da das viel zuviel Zufall wäre und doch beschlich mich das ungute Gefühl, dass das doch keine Einbildung war.
Ich blickte durch den Trainenschleier, der sich innerhalb kürzester Zeit gebildet hatte und blinzelte einige Male, bis ich wieder einigermaßen sehen konnte.
Tatsächlich kam Tob, umringt von Friedenswächtern dem Podest immer näher.
Ich hatte dem unsympathischen Moderator nicht zugehört, da ich zu sehr mit mir selbst beschäftigt war und nun kam Tob immer näher, ohne dass ich es mitgekriegt hätte.
Er blickte mich mit weit aufgerissenen Augen auf und ich blickte ebenso erstaunt zurück.
Mein Verstand wollte das einfach nicht verarbeiten.
Erst musste ich in die Arena und nun auch noch mein allerbester Freund, dem ich dies alles niemals gewünscht hätte.
Dazu kommt noch, dass wir beide bloß 12 und 13 Jahre alt sind. Wir können beide nicht kämpfen und sind somit komplette Nieten auf dem Kampfgebiet. Wie sollen wir auch nur eine Nacht gegen die ganzen 18-Jährigen Karrieros überleben?

Die 634. HungerspieleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt