Das Wesen das mich Nachts beobachtet

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Mitternacht. Die Geisterstunde. Es stand wieder da. Dort am Fenster. Es beobachtet mich. Am Anfang war es beängstigend, denn es stand nur da und sah mir beim schlafen zu. Wenn ich aufwache sucht es Augenkontakt, was mich dazu veranlasst in diese wunderbaren Augen zu versinken.
Die Augen schimmern in Farben welche nicht von dieser Welt sind. Eine seltsamen Mischung aus Weiß und Schwarz. Doch diese Mischung ergibt kein dreckiges Grau. Nein. ich kann es nicht beschreiben. Die Regenbogenhaut leuchtet aus dem Inneren und zieht einen unweigerlich in den Bann.

Ich bewege mich langsam aus meinem Bett, schupse mein Lieblingskuscheltier, einen Hasen mit einer roten Schleife, unachtsam auf den Boden. Wenn dieses Wesen da ist verliert alles an Wert.
Wirklich alles. Ich schlurfe schlaftrunken zu meinem Balkonfenster. Immer wenn es kommt sind meine Vorhänge aufgezogen. Ich weiß nicht wie das möglich ist. Es steht nur da und hält den Augenkontakt. Auch wenn ich ihn unterbrechen will. Es funktioniert nicht.

Langsam hebe ich die linke Hand und greife auf das kühle Glas meines Fensters. Ich sehe wie das Wesen leicht lächelt, mit dem Lächeln offenbart es eine Reihe Spitzer Zähne. Wie bei einem Hai. Gruslig. Aber sagenhaft.
Ich bin gebannt von ihrem Anblick. Ja, ich sagte ihrem. Es ist weiblich, glaube ich. Die langen schwarzen Haare fallen bis auf dem Boden, der Rest des Körpers ist in ein schwarzes mit weißen Perlen verziertes Kleid gehüllt. Sie hat Hörner, wie ein Widder. Bei den Hörnern hängen Ketten hinunter. Doch das wunderbarste. Ihre Flügel. Ein schimmerndes Weiß. Mit Federn.

Ogott, dieser Anblick. Sie schließt die Augen. Endlich kann ich meine Augen von den ihren lösen und ich lasse meinen Blick über ihren Körper wandern. Ein perfekter Körper. Schlank. Große Brüste. Rote volle Lippen. Lange Beine. Blasse Haut, als hätte sie noch nie das Tageslicht gesehen. Das einzige was stört sind die Fesseln, welche sie um die Handgelenke trägt. Sie sind aus einem starkem Tau gebunden und ich will ihr helfen. Ich zittere. Ich würde sie so gerne hereinbitten. Ich zucke leicht mit der Hand.  Doch mehr Bewegung wird mir verwehrt , als wäre ich von einer unmenschlichen Macht besessen. Irgendwann werde ich es befreien können.

Bei diesem harmlosen Gedanken lächelt mein Wesen noch mehr. Schleimige Fäden ziehen sich zwischen dem Ober und dem Unterkiefe. Dennoch muss man einfach sagen, dieses Wesen ist ein Traum. Ein unheimlicher. Ein wunderschöner. Ein sagenhafter.

Langsam fängt mein Herz schneller an zu klopfen. Es ist kein Klopfen vor Angst, nein. Es ist der selbe Herzschlag wenn sich ein frisch verliebtes Paar in die Augen sieht. Ich spüre wie ich rot werde. Sie öffnet die Augen und sieht an mir hinunter. Ich wünsche sie würde wieder singen. Abunzu singt sie mir etwas vor. Dann kann ich wieder beruhigt schlafen. Das Wesen hört auf zu lächeln und formt ihre Lippen zu Worten. Worte die nicht von dieser Welt sind. Aber man verteht sie.

Betörend liegt mein Schatten über dir, du fühlst dich schläfrig mein zukünftiger Wirt. Mein Kind, Mein Retter, Mein Mensch, Ich bin mir sicher du befreist die Seele, mir. Mein süßes, naives Kind, welches in den Gedanken mitsingt ohne zu wissen, was die Worte bedeuten, welches es auspricht.

Ich spüre ein warmes Gefühl, als würde mich meine tote Mutter noch ein letztes Mal umarmen. Warm rinnen mir die Tränen über die Wangen. In Gedanken singe ich mit. Dieses Wesen ist so besonders.

Das Lied endet. Leider. Langsam dreht sich das Wesen um und verschwindet. Der Moment danach ist seltsam. Als wäre das alles nie passiert. Ich gehe ins Bett und werfe einen Blick auf die Uhr während ich jetzt schon der nächsten Nacht entgegenfiebere. Es ist Mitternacht. Die Geisterstunde. Dann springt die Uhr und es ist morgen.

Noch 23 Stunden und 59 Minuten, dann werde ich es wiedersehen. Ich habe es angefangen zu lieben. Meinen Engel.
Ich habe mir nie überlegt was sein Grund ist zu uns, zu mir zu kommen. Und was es vorhat. Was es beabsichtigt. Tief im Inneren weiß ich, das es nichts Gutes ist, aber ich liebe es. Ich kann nicht anderes. Ich liebe dieses Wesen. Diesen Engel.



City of AngelsWhere stories live. Discover now