[eins] - Revenge

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Ich konnte den Verschluss meines Zippos hören. Das Klicken hallte deutlich in meinen Ohren wieder, wie ein nicht mehr enden wollendes Echo. Dann sah ich das Glimmen meiner Zigarette in der Dunkelheit deutlich vor mir, so als wolle diese jämmerliche Flamme mir in die Pupillen springen und mir das Augenlicht nehmen. Bei diesem Gedanken schlich sich ein kleines Grinsen auf meine Lippen und ich zog kräftig an dem glühenden Stängel. Ich blickte an dem Hochhaus hinauf und sah, dass einige Lichter in dem Gebäude brannten. Meine Augen blieben an dem vorletzten Stock hängen und ich zog erneut an meiner Zigarette.

Wie lange rauchte ich eigentlich schon? Bestimmt schon über ein Jahrzehnt. Ich blickte auf die Zigarette, ich sollte wirklich damit aufhören. Das ich es natürlich nie tun würde, dessen war ich mir bewusst. Ich ließ die Kippe auf den Boden fallen und begrub sie unter meinem Stiefel. Erneut hob ich meinen Blick, meine Augen blieben sofort wieder an dem vorletzten Stock hängen und ich durchbohrte fast dieses eine Fenster. Kurz blickte ich mich um. Verdammt, sah es hier scheiße aus. Ich hasste diese herunter gekommenen Viertel. Trotzdem lief ich los, meine Stiefel machten ein dumpfes Geräusch und ich fuhr mir durch die Haare. Deutlich spürte ich das Leder meiner Handschuhe auf meiner Kopfhaut.

Als nächstes fuhren meine Hände über die Streben der Feuerleiter des Hochhauses. Trotz der Handschuhe, die ich trug, spürte ich eine extreme Hitze von der Leiter ausgehen. Oder war es meine Aufregung? Die Vorfreude? Ich wusste es nicht, es war mir eigentlich auch ganz egal. Ohne weiter nachzudenken schwang ich mich auf die Leiter und erklomm sie, bis ich mein Ziel erreicht hatte. Wieder das Fenster im vorletzten Stock. Nun war das ersehnte Fenster genau neben mir und meinen Händen gelüstete es danach, die Scheibe einfach einzuschlagen und ein zu treten. Trotzdem tat ich es nicht. Ich atmete tief durch und prüfte das Fenster. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen als ich merkte, dass es offen stand. Ohne noch mehr zu zögern schob ich das Fenster auf und stieg hindurch.

Das erste, was ich bemerkte, war dieser stechende Geruch von Putzmittel. Ich verzog die Nase und versuchte tief durchzuatmen. Allerdings gab ich es auf und fand mich damit ab, dass dieser Geruch nicht verschwinden würde. Also sah ich mich um und erkannte die Silhouette eines Tisches, der Wohnzimmer und Küche voneinander trennte. Gelassen spazierte ich durch den Raum und suchte den Lichtschalter. Wieder musste ich lächeln, als ich ihn gefunden hatte. Sofort erfüllte das Zimmer sich mit Licht und ich konnte das scheußliche violette Sofa erkennen, das genau vor dem lächerlich kleinen Fernseher platziert war. Der Fernseher war alt, ein Röhrenfernseher. Er hatte sogar noch eine Antenne, diese war jedoch verbogen. Ich fragte mich, ob die Kiste überhaupt noch lief. Ohne weitere Umschweife ging ich zu dem Fernseher und machte ihn an. Und tatsächlich, er lief noch. Ich musste bei dieser Erkenntnis lachen und war kurz vertieft in die Wiederholung einer Talkshow, die der kleine, schwarze Kasten mir präsentierte.

Als nächstes ging ich auf die Seite, die die Küche darstellen sollte. Sie bestand nur aus einem Kühlschrank, einem Backofen und einer Theke mit Spüle. Neugierig öffnete ich den Kühlschrank und griff nach einer Coladose und öffnete sie. Ich nahm einen tiefen Schluck. Cola Light. Ich drehte mich wieder um. Was ich sah, zauberte mir erneut ein Lächeln auf das Gesicht.

Einladend öffnete ich meine Arme. „Guten Morgen, Schlafmütze.", sagte ich in ihr blasses Gesicht. Ich kratze mich am Kopf und musste lachen. „Okay, es ist drei Uhr morgens. Trotzdem, guten Morgen." Erneut nahm ich einen Schluck von der Cola und ging auf sie zu. Sie rührte sich nicht. Sie war klein und dünn, fast mager. Die braunen Haare standen ihr wirr vom Kopf ab, vermutlich weil sie geschlafen hatte. Die tiefen rehbraunen Augen hatte sie weit geöffnet, genau wie ihren Mund. Ich sah kleine Augenringe und fragte mich, was sie wohl arbeitete. Vielleicht war sie ja Putzfrau, immerhin roch ihre ganze Wohnung danach. Und es erschien mir nicht ungewöhnlich, dass Frauen in diesem Viertel solch einer jämmerlichen Arbeit nachgingen. Ich ging weiter auf sie zu, bis zu dem Türrahmen, in dem sie stand. Ich stützte meine Hand dort ab und blickte sie an. Ich war einen ganzen Kopf größer als sie. „Hast du nichts zu sagen?"

Sie blickte auf. Diese treuen rehbraunen Augen blickten in meine. „Wer... wer sind sie?", ihre Stimme versagte und die Angst in ihr war zum greifen nahe. Meine Lippen formten sich erneut zu einem Lächeln, ich konnte einfach nicht anders, und ich legte meine Hand auf ihrer Wange. Sie zuckte zurück, doch das störte mich nicht. Ich überlegte kurz, hatte es mich bei einer Frau je gestört? Gedanklich schüttelte ich den Kopf und merkte, wie sie erneut erzitterte. Wieder galt meine Aufmerksamkeit ihr und ich grinste sie an. „Warum so schüchtern, mein kleines Mädchen?", fragte ich, wissend darüber, dass ich keine Antwort bekommen würde. Stattdessen spürte ich ihre Hände auf meiner Brust und sie schubste mich weg. Dann wollte sie auch schon losrennen, doch ich packte sie gerade noch rechtzeitig. Meine Hände zogen sie zu mir und mein Grinsen wurde breiter. „Du gewitztes Ding, du. Willst einfach wegrennen." Ich drängte sie zurück, in den kleinen Flur. Hier waren nur zwei Türen und ich vermutete, die eine war das Badezimmer und die andere ihr Schlafzimmer. Willkürlich zog ich sie in eines der Zimmer und war erfreut, dass ich sogar ihr Schlafzimmer erwischt hatte.

Ihr Zimmer war kahl eingerichtet, mehr als ein Bett und ein Schrank war hier im Prinzip nicht und mehr passte, bei genauerem hinsehen auch nicht hinein. Das Bett war beige und sah schon etwas mitgenommen aus. Ich würde das Zimmer als schäbig bezeichnen, aber was wusste ich schon? Ich war schließlich kein Innenarchitekt. Meine Augen wanderten zu ihr und ich sah ein Glitzern in ihren. „B.. bitte.. tu- „Ganz ruhig, meine Kleine." Voller Angst blickte sie auf meinen Finger, der nun ihre Lippen zierte. Es war als würde meine Hand ihre Angst aufsaugen und von dieser kosten. Meine Finger setzten den Weg fort und am Ende schloss sich meine Hand um ihren schmalen Hals. Sie rang instinktiv nach Luft, obwohl ich ihr diese immer noch gewährte. Ich zog sie zu mir. Um den Schmerz, der ihr dadurch zugefügt würde zu entgehen, stellte sie sich auf Zehenspitzen. Ich begann zu grinsen, sie war so hilflos. „Gib mir noch einen letzten Kuss." Immer näher kam ich ihrem Mund, ihr Geruch drang in meine Nase. Pfirsich, sie roch nach Pfirsich. Ich nahm einen tiefen Atemzug von ihr und schloss die Augen. Ich genoss ihre Anwesenheit sehr.


Doch anstatt ihre süßen Lippen auf meinen zu spüren, fühlte ich nur einen Schmerz an meinem Kopf und ließ sie los. Das Biest hatte mich geschlagen! Ein brennen zog sich über meine Wange, die Kleine hatte einen harten Schlag drauf. Wie so oft an diesem Abend musste ich lächeln und konnte schon fast in aller Ruhe beobachten, wie sie sich umdrehte und flüchten wollte. Doch das Mädchen war so unordentlich. Auf ihrem Boden lag ein Kleidungstück, ich meine es war ein dunkelblauer Pullover, über da sie stolperte. Amüsiert sah ich, wie sie zu Boden ging und liegen blieb.



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So, die erste 'Geschichte'. Das war mit die erste Prosaidee die ich hatte. Ich hab damals viele Thriller gelesen. Ich weiß nicht mehr wie das Buch hieß, aber in diesem hat man im Prolog aus der Sicht des Killers gelesen, was ich ziemlich interessant fand! Ich wollte das auch unbedingt. Also habe ich eine Idee entwickelt.

Das hier sollte die Geschichte von Samuel und Todd werden, zwei ungleiche Brüder. Samuel war ein verantwortungsbewusster Familienvater, Workaholic und der ganze stolz seiner Familie, während Todd das schwarze Schaf der Familie war. Durch den Tod einer alten Bekannten treffen sie wieder aufeinander und werden von dort an von einem Killer gejagt, der sie zwingt alles hinter sich zu lassen, was sie sich aufgebaut hatten. Zwischendrin wollte ich immer wieder Morde bzw. generelle Szenen aus der Sicht des Mörders schreiben, der die beiden verfolgt. 

Wie ihr merkt hatte ich schon immer eine Affinität zu sozipathischen Menschen, haha. Ich hab das hier mit circa 16/17/18 geschrieben, glaube ich. Mehr leider nicht. Schade eigentlich.


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⏰ Letzte Aktualisierung: May 21, 2016 ⏰

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