Teil 3

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Die ganze letzte Woche über hatten wir fast täglich, statt wie ursprünglich geplant alle zwei Tage, im Tanzstudio geprobt und mittlerweile konnte sich das ganze wirklich sehen lassen, auch wenn wir noch immer jeden Zuschauer hochkant wieder rauswarfen. Nicht einmal Mrs. Summers durfte unseren Proben beiwohnen, aber damit hatte sie sich recht schnell abgefunden. In der Schule war alles wie immer und Tyler und ich wechselten außerhalb des Studios kaum ein Wort miteinander, höchstens wenn es sich nicht vermeiden ließ. was aber eigentlich nie vorkam, da ich möglichen Konversation bewusst aus dem Weg ging, sobald ich konnte.

An diesem Tag war jedoch so einiges anders als sonst. Als allererstes hatte ich zum ersten Mal in meiner Schulzeit verschlafen. Nicht viel, aber ich war nicht die Erste im Klassenzimmer. Tyler, Kyle und der Rest in Form ihres weiblichen Fanclubs war schon anwesend. „Nun komm schon, Tyler, raus mit der Sprache. Wer ist dein geheimnisvolles Date? Kennen wir sie?" Ich verspannte mich bei diesen Worten augenblicklich ein wenig. Ob Tyler den anderen von unserer Abmachung erzählen würde? Mir wäre es lieber, wenn es so schnell niemand wusste. Ihm ging es anscheinend genauso, oder er wollte keinen Hinweis auf die Tanzgeschichte liefert, denn Tyler schüttelte entschieden den Kopf. „Du wirst dich gedulden müssen, Kyle", sagte er grinsend. Das ganze schien ihm zunehmend Spaß zu machen. Ob die mich schon bemerkt hatten? Ich ließ mich auf meinen Platz am Fenster fallen. „Ist sie denn wenigstens heiß? So viel kannst du uns doch wenigstens verraten." Kyle ließ nicht locker und als ich einen kurzen Seitenblick zu dem Grüppchen riskierte, streifte ich Tylers Blick, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder auf die Gruppe richtete. Mein Herz schlug schneller, während ich so unauffällig wie möglich, seine Antwort erwartete. Die blieb jedoch leider aus, da der Lehrer nun die Klasse betrat und alle Gespräche sich einstellten. Auch in den restlichen Stunden wusste ich nicht, ob Tyler Kyle auf seine letzte Frage eine Antwort gegeben hatte. Irgendwie wurmte mich das.

Als ich dann am Nachmittag das Studio betrat, erwartete mich bereits die nächste Überraschung, denn Tyler war schon da. Verwundert blieb ich mitten in der Tür stehen. Normalerweise war ich immer zuerst da und musste auf ihn warten. Heute war definitiv ein seltsamer Tag. Erst recht als Tyler zu mir kam und mich nach draußen schob. „Heute fällt die Probe aus, wir haben etwas anderes vor." Er öffnete die Beifahrertür eines schicken schwarzen Sportwagens. „Na los, steig schon ein. Ich werde dich schon nicht entführen", drängte er, als ich mich noch immer nicht rührte. Dann stieg ich ein. Herrje, ich hatte noch nie in einem so coolen Auto gesessen. Ich genoss jede einzelne Sekunde der Fahrt, auch wenn ich keinen blassen Schimmer hatte, wo wir eigentlich hinfuhren. Er hätte mich tatsächlich entführen können und ich hätte es nicht einmal bemerkt. Ich sah erst auf, als er in einer geräumigen Einfahrt hielt, und blickte etwas misstrauisch aus dem Seiten Fenster. „Was genau machen wir hier?", fragte ich ein wenig unsicher. Er hatte in der Auffahrt eines dieser teuren Kaufhäuser geparkt. Mit meinem Taschengeld konnte ich hier nicht einmal nach zweimonatigem Sparen etwas kaufen. „Du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass ich darauf vertraue, dass du alleine ein Kleid findest, in dem du dich an meiner Seite sehen lassen kannst. Ich will eine heiße Begleitung. Und da ich in Sachen Begleiterin ja nichts mehr mitzureden habe ..." Er zuckte leicht mit den Schultern und ging voraus. „Nun komm endlich." Und da war er auch schon wieder verflogen, der Zauber des tollen Autos, der mich über seinen arroganten Besitzer hatte hinweg sehen lassen, aber Tyler war eben immer noch der alte. Meistens zumindest.

Wir betraten das Kaufhaus und sofort fühlte ich mich klein und hässlich, dabei war ich mit meinen 1,73 m eigentlich normalgroß und hatte mich bisher auch noch nie als hässlich betrachtet, nicht einmal wenn bei Tanzaufführungen alle viel gestylter auftraten als ich. Aber hier inmitten all dieser zauberhaften Kleider und den auf High-Heels herumstolzierenden blonden Verkäuferinnen, die jedes Tyler-Fangirl in den Schatten stellten, konnte ich einfach nicht anders. Tyler hatte unterdessen schon ein Gespräch mit einer der besagten blonden Barbiepuppen begonnen und deutete dabei kurz auf mich. Es fühlte sich ein bisschen so an wie bei einem kleinen Kind, dass auf dem Pausenhof abseits der anderen stand und nicht dazu gehörte. Ich schluckte und verdrängte die Gedanken hastig, als Tyler zu mir kam und mich ein Stück zu den Umkleiden schob. „Sie bringt gleich ein paar verschiedene Kleider. Probier sie einfach mal an. Irgendwas Passendes werden wir hier sicher finden." Nun drehte ich mich zu ihm um. „Tyler, dieser Laden hier liegt weit über meinem Budget für ein Abschlussballkleid", versuchte ich ihm zu erklären. „Mach dir darüber keine Gedanken. Ich zahle", winkte er ab. Ich wurde einfach nicht schlau aus diesem tollen und gutaussehenden Idioten.

Die ersten paar Kleider waren die Hölle. Ich hatte das Gefühl, dass Barbie mit Absicht die knappsten und kürzesten Kleider aus dem Laden zusammengesucht hatte, die mir absolut nicht standen und auch nicht gefielen. In dieser Hinsicht waren Tyler und ich uns zum ersten Mal auf Anhieb einig. Nachdem er ein paar weitere Wörtchen mit Danielle, Barbies echter Name wie sich herausstellte, gewechselt hatte, wurde es besser, auch wenn ich keine Ahnung hatte, wie er das angestellt hatte. Ich entspannte mich mit jedem angezogenen Kleid und so langsam begann mir diese Minimodenschau Spaß zu machen. Tyler grinste ebenfalls, aber es war nicht sein typisches Grinsen, eher ein fröhliches, gelöstes. Als hätte er ehrlich Spaß hieran. Als ich das nächste Kleid anprobierte, blieb ich noch einen Moment in der Kabine vor dem Spiegel stehen und betrachtete fast schon voller Ehrfurcht mein Spiegelbild. Der grüne Stoff schmiegte sich weich an meinen Oberkörper, war unter der Brust leicht gerafft und fiel ab der Taille in einem etwas ausgestellten Rock bis zum Boden hinab. Es war trägerlos und ein hübsches leicht glänzendes Ranken- und Blumenornament schmückte die Taille auf der linken Seite bis hoch zur Brust und auch einen kleinen Teil des Rocks. Ich fand es einfach atemberaubend schön. Und es hatte dieselbe Farbe wie Tylers Augen.

„Wieso dauert das diesmal so lange? Klemmt der Reißverschluss oder was?" Die bekannte Stimme riss mich aus meinem Tagtraum und im nächsten Moment wurde der Vorhang der Kabine beiseite gezogen. Ich fuhr herum. „Tyler!", schimpfte ich wenig glaubwürdig. Er grinste. „Schade, du hast das Kleid ja schon an", scherzte er und ich wurde ein wenig rot. Er musterte mich eine Weile lang und ich strich mir nervös eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Deine Modenschau war zwar ziemlich amüsant, aber ich denke, wir nehmen das hier", entschied er dann und verschwand aus meinem Blickfeld, ehe ich widersprechen konnte. Aber das wollte ich auch nicht. Das Kleid war perfekt. Ich zog das Kleid vorsichtig wieder aus und schlüpfte inmeine normalen Klamotten. Tyler wartete bereits bei den nahen Kassen auf mich. Und ab diesem Moment fühlte ich mich nicht mehr klein und hässlich und schaffte es sogar, der Danielle-Barbie ein Grinsen zuzuwerfen, das Tyler mit einem amüsierten Blick zur Kenntnis nahm ehe er mir die Tüte reichte. Mehr Gentleman war wohl für heute nicht drin.

Bad Boy on the DancefloorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt