Lilys Wunsch

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Post. Das allein ist schon eine Seltenheit. Doch es ist Post von ihr. Ein Brief von Lily. Meine Hände zittern als ich das Pergament aus dem Umschlag ziehe und langsam entfalte. Ich sehe die Worte, geschrieben in ihrer Handschrift. Sie verschwimmen, ergeben keinen Sinn, da meine Augen sich mit Tränen füllen. Erst nach einigen Minuten habe ich mich genug gesammelt, um mich auf den Sinn des Textes konzentrieren zu können.

Lieber Severus,
ich habe gehört, dass du uns geholfen hast. Anscheinend ist es dein Verdienst, dass wir nun sicher versteckt in Godrics Hollow leben. Dafür möchte ich dir von ganzem Herzen danken. Ich denke, ich habe dich falsch eingeschätzt. Das tut mir leid. Dumbledore hat mir gesagt, dass du nun kein Todesser mehr bist. Ich hielt dich nie für einen. Du warst immer anderst als deine Freunde. Vielleicht hast du Fehler gemacht, aber das ist nur menschlich und passiert jedem. Wenn du Zeit hättest könnten wir uns doch am Samstag um vier in den drei Besen treffen, was meinst du? Schick mir die Eule einfach mit einem Ja oder einem Nein zurück.
Liebe Grüße,
Lily

Ich fühle mich, als würde meine Brust zerspringen. Lily will sich mit mir treffen! Mit mir! Hastig kritzle ich ein Ja auf ein kleines Stück Pergament und binde es ihrer Eule ans Bein. Das Tier hebt ab und fliegt davon. Glücklich nehme ich den Brief in die Hand und lese ihn immer und immer wieder durch.

Die Zeit bis zum Samstag zieht sich dahin. So aufgeregt war ich in meinem ganzen Leben noch nicht. Als es dann endlich soweit ist, kann ich es nicht mehr abwarten und gehe eine Stunde zu früh los. Solche Aktionen kenne ich gar nicht von mir. Um fünf nach drei erreiche ich die drei Besen und setze mich an einen Tisch in der Ecke. Einige Umstehende starren mich an. Sie wissen nicht, dass ich kein Todesser mehr bin. Rosmerta jedoch weiß es anscheinend, da sie freundlich lächelnd zu mir tritt. Wie immer wird sie dabei von sämtlichen Männern begafft. Natürlich ist auch mir nicht entgangen, dass diese junge Frau außerordentlich hübsch ist, doch wenn 50-jährige Männer einem 17-jährigen Mädchen nachschauen, finde ich das für meinen Teil abstoßend. Sicher, 50 bin ich noch lange nicht, aber trotzdem lasse ich mich nicht auf dieses Niveau herunter.
"Was möchten Sie trinken?", fragt Rosmerta. Ich überlege kurz. Eigentlich wäre mir jetzt nach einem Glas Wein zumute, doch ich möchte nichts alkoholisches trinken. Nicht heute.
"Ein Butterbier", antworte ich leise. Sie nickt und geht zum Tresen. Ich lehne mich etwas zurück. Die Blicke, die immer noch auf mir haften, nerven mich. Was denken sich diese Leute eigentlich? Bis Rosmerta mein das Butterbier bringt halte ich den Blick gesenkt. Während ich immer wieder etwas davon trinke achte ich sorgsam darauf, niemanden anzusehen. Die Zeit schleicht dahin. Schließlich ist es soweit. Vier Uhr. Doch Lily ist nicht da. Ich hätte es wissen müssen. Es war zu schön um wahr zu sein. Ich beschließe, noch eine Weile zu warten, doch um zwanzig nach vier gebe ich schließlich auf und erhebe mich. Während ich in meinem Umhang nach ein paar Münzen krame höre ich plötzlich ihre Stimme.
"Severus! Verzeih mir, ich bin viel zu spät." Leicht nervös hebe ich den Kopf. Da steht sie, nur ein paar Schritte von mir entfernt, mit einem schuldbewussten Lächeln auf den Lippen. Sie ist sogar noch schöner, als ich sie in Erinnerung habe. Automatisch setze ich mich wieder hin und Lily nimmt mir gegenüber Platz.
"Es tut mir wirklich leid, Sev", meint sie fröhlich, "aber Harry hat mich ganz schön auf trab gehalten. Und James ... naja James ist James." Ich nicke. Darauf erwiedere ich besser nichts. "Hör mal, ich hab mit James geredet. Er findet es auch super, was du für uns getan hast."
"Aha."
"Ich weiß, du magst ihn nicht, aber Menschen ändern sich. Das müsstest du doch am besten wissen."
"Kann schon sein", meine ich ausweichend. Mir fallen nicht die richtigen Worte ein. Was soll ich sagen?
"Ich muss dir wirklich danken." Sie greif über den Tisch nach meiner Hand. Ich versuche krampfhaft, nicht rot zu werden. "Musst du nicht. Ich wollte nur wiedergutmachen, was ich verbockt habe."
"Wie darf ich das verstehen?"
"Ich bin schuld. Es tut mir leid."
"Woran bist du schuld?"
"Dass ... dass er euch sucht. Ich war so dumm." Sie lässt meine Hand los. Natürlich. Das wird sie mir nie verzeihen. Ich senke den Blick.
"Schon gut", sagt sie schließlich, "ich weiß, dass du nichts böses wolltest." Überracht starre ich ihr in die wunderschönen Augen. Ihr unschuldiges Lächeln und der warme Ausdruck in ihrem Gesicht lassen meine Fassung schwinden.
"W-wie geht es deinem Sohn?", frage ich schließlich, um die Stille zu durchbrechen.
"Sehr gut", lacht Lily, "bis auf die Tatsache dass er mit seinem Spielzeugbesen die Einrichtung kaputtfliegt. Naja, es geht ihm trotzdem gut, aber meine Möbel leiden." Ich muss unwillkürlich lächeln. "Unsere arme Katze versteckt sich den ganzen Tag unter dem Bett." Lily zwinkert mir zu und ich fühle eine seltsame Wärme in meiner Brust.
"Erzieh ihn, bevor es sein Vater übernimmt", meine ich halbherzig. Lily nickt. "Du hast Recht, James würde ihn verziehen." Nun muss ich breit Grinsen.
"Aber kommen wir zu dem Grund warum ich dich sehen wollte, Sev." Ich sehe sie aufmerksam an. "Ja?"
"Also, es ist so ... ich bin schwanger." Obwohl ich durch diese Aussage einen Knoten im Hals fühle, zwinge ich mich zu einem Lächeln. "Das ist doch schön."
"Ja, ist es. Und ich habe mit James geredet. Ich habe lange gebraucht um ihn zu überzeugen, aber er hat Ja gesagt." Ich sehe sie verständnislos an. "Severus, willst du der Pate von dem Kind werden?" Erst nach ein paar Sekunden realisiere ich, was sie gesagt hat. Etwas in mir scheint abzuheben. Ich schaffe es gerade noch zu nicken, dann versagt mein Gehirn. Heißt das etwa, dass wir wieder Freunde sind? Das wieder alles gut wird? So wie früher? Gut, sie hat James Potter geheiratet, aber sie redet wieder mit mir. Nach all dieser Zeit. Es fällt mir schwer, nicht loszuweinen.
"Severus?" Ich schrecke aus meinen Gedanken hoch. "Ja?"
"Ist das wirklich okay für dich?"
"Ja, ist es. Es freut micht, ehrlich. Ich bin nur etwas überrascht."
"Kann ich nachvollziehen." Sie lächelt mich an. "Und, wie geht es dir so?"
"Passt", murmle ich ausweichend.
"Ich habe gehört, dass deine Mutter gestorben ist."
"Ja, das ist wahr."
"Tut mir leid." Ich zucke mit den Schultern. "Ist nicht deine Schuld." Lily nickt. "Aber ich würde mich wirklich freuen, wenn du der Pate wirst. Das ist mein größter Wunsch." Ich spüre, wie ich etwas rot anlaufe. "Weißt du denn schon, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird?", frage ich schnell. Sie schüttelt den Kopf. "Nein, ich werde es in zwei Wochen wissen."
"Sagst du es mir dann?"
"Natürlich."
"Danke." Ich zögere kurz, dann füge ich hinzu: "Lily?"
"Ja?"
"Verzeih mir. Ich wollte dich nie Schlammblut nennen."
"Ach, die alten Kamellen. Das ist doch längst vergessen." Sie lächelt mich an. Ich senke den Blick. "Sind wir wieder Freunde?", frage ich fast unhörbar. Lily steht auf und kommt zu mir. Langsam hebe ich den Kopf und sehe sie an. Sie beugt sich zu mir und legt die Arme um mich. Mein Herz beginnt zu rasen und mir ist plötzlich sehr heiß. "Natürlich", flüstert sie in mein Ohr. Nun kann ich die Tränen nicht mehr zurückhalten. Zitternd lege ich die Arme um sie. "Nicht weinen, Severus", sagt Lily sanft, "jetzt wird wieder alles gut."

Eine Woche später ist sie gestorben.

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