The Ghost of Me

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"Doch besser zu spät als zu früh und besser zu früh als nie. Der eine hat Macht und der andere Genie und wer beides nicht hat der hat nichts und nichts ist so viel wie sehr wenig und sehr wenig ist nicht viel.. Verstehe es und du kannst alles schaffen, Rin!"
Ich habe es nie verstanden.
Und deshalb habe ich es auch nicht geschafft.
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Es war vor drei Jahren, und ich wünschte wirklich, es gäbe Wunder. Ich würde mich in die Zeit zurückwünschen und alles ändern.
Ich war gerade 15 und war seit Monaten eine Gefangene von der Ghoula Namens 'Big Madame'. Es sollte mich ins Verderben stürzen. Offenbar hatte sich das Gute in der Welt gehen mich gewandt, falls es überhaupt existierte.
Ich wusste nichts mehr von dem Leben, dass ich - vor meiner Entführung in diese Hölle - gelebt hatte. Es war, als hätte man meine Erinnerung gelöscht und ich hätte einfach angefangen, zu existieren. Ich habe lediglich meinen Namen bekommen: Rin Nanashi. Man schreibt meinen Vornamen mit dem Zeichen für "Kalt". Ich erhielt den Nachnamen "Nanashi" weil er die Bedeutung "Namenlos" trägt. Ich bin nicht nur namenlos, sondern auch bedeutungslos.
Zurück zur Vergangenheit. Ich befand mich seit ungefähr 3 Monaten in Gefangenschaft. Weder kannte ich den Grund, noch die Art meiner Entführung. Ich wusste nicht, woher ich kam oder wer ich war.
Als ich aus einem unruhigen Schlaf zu mir kam, sah ich eine verschwommene Silouhette vor meiner Zellentür. Dann fielen mir die schneeweißen Haare auf, und danach die blitzend roten Augen, die mich fixierten.
Ich richtete mich auf und freute mich, dass endlich jemand kam um mir zu helfen. Ich dachte wirklich, dass man mich retten und von all diesen ungeklärten Fragen befreien würde.
"Hallo?.. Wer bist du? Hilfst du mir hier heraus?", fragte ich die Gestalt vor mir und kroch freudig auf sie zu. Die Gestalt trat näher an meine Zellentür heran und hockte sich hin. "Mama sagt, du bist nicht reif genug um für sie zu spielen. Sie sagt, du riechst merkwürdig, aber du seist ein Mensch. Was bist du? Wer bist du?", fragte mich die Gestalt, die sich als einen Jungen heraustellte. Sein Gesicht war dreckig, seine Augen waren glasig und sahen müde aus. Er war dünn, aber nicht mager. Unzählige Wunden zierten seine Arme und Beine. Er trug ein schmutziges weißes Hemd und eine kurze schwarze Hose.
Er streckte mir seine Hand hin, welche leicht zitterte und in dem schwachen Licht des Untergrunds sehr merkwürdig aussah.
Ich ergriff die Hand des Jungen. Sofort spürte ich eine Art Verbindung, die ich zu ihm aufbaute. Er drückte meine Hand leicht und sah mich an. "Bist du ein Mensch?", fragte er mich und ich starrte nachdenklich seine Hand an. "Ich weiß es nicht", antwortete ich deshalb.

Woher konnte ich wissen, was ich war, wenn ich nicht einmal wusste, wer ich war?

Der Junge sah mich an und schwieg eine ganze Weile. Langsam ließ er meine Hand wieder los. "Wie heißt du?", fragte er mich. "Ich bin Rin Nanashi..", sagte ich. In seinen Augen blitzte ein kleiner Funke der Erinnerung auf. "Die kalte Namenlose..", stellte er leise fest.

Plötzlich hörte ich ein lautes, stampfendes Geräusch und klirrende Schlüssel. Der Junge sprang auf und rannte zurück in seine Zelle, die direkt neben meiner war. Ich blieb an meiner Zellentür sitzen und wartete. Big Madame trat in den Zellenflur und lief auf die Zelle des Jungen zu. Sie ging hinein und wurde mit einem schwachen "Hallo Mama.." begrüßt. Sie stieß ein freudiges Seufzen aus und ich hörte, wie sie eine aus Metall gemachte Zange auf- und zuschnappen ließ. "Wie schön, du bist brav in deiner Zelle geblieben, mein süßer Rei.. Dafür bekommst du 30 Good-Boy Punkte!", sagte sie mit einer heiteren Stimme. "30 Punkte.. Ja.. Ich werde gut sein..", gab der Junge leise zurück. Rei hieß er also. Aber was war das mit den Punkten? Was machte Big Madame mit Rei?

Big Madame spielte erneut mit der Zange und sagte: "Es wird Zeit, dass du deine Belohnung bekommst" Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Mir wurde schlecht und mein Herzschlag beschleunigte sich. Ich hatte ein sehr schlechtes Gefühl. Und ich hatte Angst.

Ich hörte einige undefinierbare Geräusche und dann das markerschütternde Geschrei von Rei. Er schrie vor Schmerzen, er weinte und schrie. Ich saß wie erstarrt an meine Zellenwand gepresst. Ich konnte nicht einen Muskel bewegen. Ich hörte sogar einen Moment auf, zu atmen.

Und dann roch ich es. Blut. Frisches Blut aus der Zelle von Rei. Der Geruch weckte etwas in mir. Es war fast wie .. Hunger .. Und ich fühlte Wut. Todeswut auf Big Madame. Ich fühlte etwas lebendiges in mir erwachen. Irgendetwas war dort. Ich stand auf und sah in den zerbrochenen Spiegel, der in meiner Zelle hing.

Und erschrak gewaltig.

Meine Augen waren anders. Das, was einmal weiß war, war nun tiefschwarz. Und meine Augenfarbe hatte von Blau zu Feuerrot gewechselt. Kleine rote Adern erschienen unter meinen Augen. Und aus meinem Rücken stieg kriechend und leise etwas leuchtendes, rot-orangenes hervor. Es sah aus wie Flügel aus Feuer. Sie wuchsen und wuchsen. Ich hatte mich in eine Ghoula verwandelt.

Ich berührte leicht meine Wange. War das mein wahres Ich? Ich zitterte und versuchte, mich zu beruhigen. Nicht gut, das war keineswegs gut.

Ich brauchte eine Weile, bis ich herausfand, wie ich wieder "normal" wurde. Ich ließ mich auf den Boden fallen und schloss meine Augen.

Ich wollte einfach vergessen, was gerade passiert war und zog mir mein Shirt aus, um meine Nase zuzuhalten, damit ich das Blut von Rei nicht mehr riechen konnte. Am ganzen Körper zitternd wartete ich ab, bis Rei sich beruhigt hatte, oder besser einfach ohnmächtig wurde, damit er die Schmerzen nicht mehr spürte.

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Am nächsten Tag, nach einer sehr unruhigen Nacht, wachte ich auf Rei hockte wieder vor meiner Zellentür und beobachtete mich.

Überwältigt vor Freunde kroch ich auf ihn zu. "D-Du lebst!!", stieß ich glücklich aus. Rei sah mich verwundert an. "Wieso sollte ich nicht?", fragte er und ich lachte leise. Ich freute mich so sehr, ihn zu sehen. "Das war doch gar nichts. Mama hat mich lieb, und so zeigt sie es mir.", sagte Rei und lächelte. Ich schluckte und ein Schauer überkam mich. War das wirklich Liebe? Es war mehr krank, was Rei angetan wurde. Doch irgendetwas sagte mir, dass ich Rei nicht davon überzeugen konnte.

Rei lehnte sich an meine Zellentür und begann, über irgendwelche Themen mit mir zu reden. Essen, Menschen, Ghoule, Töten.. Er kannte sich gut aus. Ich fand auch mehr über ihn heraus: Er war gerade 16 und er liebte seine "Mama" sehr. Er sollte oft Kleider tragen, und wie ein Mädchen leben, als "Rei-chan". Ich erzählte ihm alles, was ich von mir wusste.

Rei kam fast jeden Tag zu mir um mit mir zu reden. Wir lachten miteinander, manchmal schwiegen wir uns auch einfach nur an. Ich mochte es, in seiner Nähe zu sein. Irgendwas band mich an ihn und er fehlte mir, wenn er nicht da war. Doch oft kam Big Madame und ich hörte Rei wieder und wieder leiden. Es machte mich fast verrückt und ich musste mich stark beherrschen, um mich nicht wieder zu verwandeln. Es war, als würde mein Körper in Scherben zerbrechen. Ich schwor mir, Rei aus dieser Hölle zu befreien, egal wie..



Eines Tages meinte ich zu ihm: "Rei? Wieso fliehen wir nicht von hier? Es wäre schön, irgendwo in Frieden zu leben.." Rei seufzte leise und antwortete: "Es wäre bestimmt spaßig" Er drehte sich zu mir und griff durch die Gitterstäbe meiner Zellentür nach meiner Hand. "Du willst wirklich fliehen, Rin-chan?", fragte er. Rin-chan hatte er mich genannt. Es klang schön.

Ich nickte und sah ihn an. "Ich will hier raus. Aber nur mit dir!", sagte ich zu ihm. Rei lächelte mich an und tätschelte meinen Kopf, so gut es ihm möglich war. "Ich kann nicht einfach verschwinden. Mama wäre sehr traurig..", sagte er und ich schluckte. Rei lächelte erneut und ich hielt seine Hand fest, zu große Angst hatte ich davor, ihn loszulassen.

Ich fürchtete bereits den Moment, wo er wieder gehen müsste und wieder durch die Holle gehen würde..

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