I lost

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Lautes Scheppern, das von meiner Zellentür kam, weckte mich auf.
"Aufstehen, es wartet Arbeit auf dich!", warf mir Big Madame entgegen und ich drehte mich zu ihr. "W-Wie..?", fragte ich verwirrt und sie schloss die Tür auf. "Du kämpfst mit Rei-chan, die Zuschauer müssen endlich mal wieder etwas neues zu sehen bekommen. Du schmeckst sicherlich herrlich, um Rei-chan wäre es allerdings schade..", sagte sie und es lief mir eiskalt den Rücken hinunter. Gegen Rei kämpfen? Ihm wehtun? Unmöglich!, ging es mir durch den Kopf. Big Madame zerrte mich aus der Zelle, in die große Halle, wo offenbar die ganzen Kämpfe stattfanden.
Das Publikum war bereits sehr aufgeregt und ich erstarrte, als ich auf die andere Seite der Halle blickte: Rei stand dort, mit Messern in den Händen und grinste mich an.
Ich riss mich von Big Madame los und versuchte, wegzurennen. Doch ich wurde an den Haaren gepackt und weiter Richtung Rei geschleudert. Meine Augen füllten sich mit Tränen und ich blickte hoch zu Rei. Dieser lächelte und sagte: "Endlich können wir zusammen spielen, Rin-chan!" Ich schüttelte heftig den Kopf und kroch rückwarts ein Stück zurück.
"Nein.. Nein.. Ich kann das nicht.. Ich will nicht.. Bitte.. Nicht..", wimmerte ich leise, doch niemand beachtete mich.

"Kämpft!!", schrie Big Madame uns zu und Rei sprintete auf mich zu.
Ich wich mit einem Rückwärtssalto aus und landete auf allen vieren. Ich atmete tief durch und versuchte, nicht viel nachzudenken.
"Rin-chaaan~ Spielen wir~!", rief Rei freudig und startete den nächsten Sprint auf mich, welchem ich mit einer Reihenfolge aus einem Radschlag und einem Flic-Flac erneut auswich. Rei's Lächeln wich ihm ein wenig aus dem Gesicht und er fixierte mich so gut er konnte. Ich dachte kurz nach. Ich entschloss mich dazu, dieses Mal nicht auszuweichen, sondern stattdessen etwas anderes zu tun. Ich musste das hier so schnell es geht beenden.

Als Rei erneut auf mich zurannte, packte ich ihn im richtigen Moment und umarmte ihn fest. Ich hielt ihn einfach in meinen Armen und drückte ihn sanft an mich. Zum ersten Mal. Beinahe wäre ich in meinen Emotionen und in meiner Überwältigung versunken, doch dazu war keine Zeit.

Rei hielt verdutzt inne und ließ seine Messer fallen. Ich spürte seinen schnellen, aufgeregten Herzschlag, wie bei einem gehetzten Tier.
"Rei.. hör auf.. hör bitte auf..", bat ich leise. "Aber warum? Warum sollen wir aufhören zu spielen?", fragte Rei mich und meine Emotionen strömten schließlich doch über: "Rei, bitte! Das ist kein Spiel! Einer von uns soll sterben!? Ich kann das nicht, ich will dir nicht wehtun! Wir sind doch Freunde!", schrie ich voller Verzweiflung und fühlte, wie Rei zusammenzuckte. Er sah zu Big Madame hoch, als würde sie ihm sagen können, was gerade passiert war.
"Das reicht jetzt!!", rief Big Madame und stieß ein lautes Pfeifen aus.
Plötzlich kamen mehrere Männer auf uns zugerannt und Rei riss sich von mir los, schnappte sich blitzschnell seine Messer und machte sich wieder kampfbereit. In der Hektik schnitt er sich in die Hände, woraufhin etwas von seinem Blut herauslief und ich fühlte wieder dieses etwas in mir erwachen, als ich den Geruch des Blutes vernahm. Nein. So weit durfte es nicht kommen.

"Schnappt sie euch!!", befohl der Größte der Männer, offenbar sowas wie der Anführer. Die Lage wurde brenzlig und ich musste etwas tun, um Rei zu beschützen.
Es fiel mir schwer. Ich wollte das nicht.
"Es tut mir so leid...", sagte ich leise zu Rei und verwandelte mich schließlich in einen Ghoul.
Es ist alles für Rei.. Ich muss ihn beschützen.., dachte ich mir, und dies war mein einziger Gedanke. Mein Kopf war vollkommen klar.
Die Männer, die uns umkreisten, wichen überrascht einen Schritt zurück und starrten mich an. Und auch Rei erstarrte, weshalb ich von ihm wegsah. Ich konnte diesen geschockten Blick nicht ertragen. Er hielt mich für ein Monster.. Ich sah es ihm an.

In der Menge ging ein lautes Rauen herum: "Sie ist ein Ghoul?" - "Ich habe keinen weiblich-menschlichen Geruch vernommen" - "Was ist hier los?" - "Jemand muss sie stoppen!" - "So tötet sie doch jemand!"

Ich streckte mich und prägte mir meine Gegner ein. Ich hatte volle Kontrolle über meinen Körper und gleichzeitig fühlte ich mich, als würde ich einstürzen. Die Männer machten sich bereit und griffen an.
Ich rannte, sprang, drehte mich und flog, als ich gegen sie kämpfte. Niemand sollte sich zwischen mich und Rei stellen, und wenn doch, würde ich ihn ausschalten, das war alles, woran ich denken konnte.
Einer nach dem anderen ging zu Boden, da jeder mich versuchte anzugreifen, und ich jeden von ihnen tödlich verletzte. Ob es Wut oder Verzweiflung war, die mich übernahm, wusste ich nicht.
Ich war von oben bis unten mit Blut bespritzt, doch es machte mir nichts. Jeder sollte sterben, solange es nicht Rei war.
Diese Welt ist verottet und nichts läuft richtig. Doch bevor ich mit der Welt zugrunde ging, rettete ich lieber das einzig wichtige in meinem jämmerlichen Leben.
Der Anführer rannte plötzlich auf Rei zu und hielt ihn fest im Griff, wobei er ein Messer an seinen Hals hielt. Rei zappelte und versuchte, sich loszureißen, doch er war nicht stark genug.
Geschockt starrte ich den Anführer an, der mich wie ein Irrer angrinste.
"Der hier ist dir wichtig, eh? Dann ergib dich, oder ich schlitze seinen Hals auf!", drohte er mir an.
Ich machte einen Schritt auf die beiden zu, doch als der Mann das Messer an Rei's Hals drückte, wich ich wieder zurück. Ich begann zu zittern und zu weinen.
"L-Lass ihn los.. bitte.. tu ihm nicht weh.. bitte..", flehte ich verzweifelt und bekam nur ein dreckiges Lachen zurück. Rei starrte erschrocken in meine Richtung und hatte seine Messer fallen lassen.
Niemand sagte etwas. Alle waren wie erstarrt.
Ich wusste, dass das einzige, was ich tun konnte, Fliehen war. Aber das war undenkbar, denn ich würde Rei niemals zurücklassen können.
"Mama, Mama, Hilfe!", winselte Rei, doch von Big Madame war nichts zu sehen. Rei's Unterlippe zitterte leicht, und er sah mich hilflos an.
Sollte ich ihn etwa so zurücklassen?

Es musste so sein.
Ich machte Anstalten, zu kapitulieren. Ich ging auf die Knie und der Anführer ließ den erschrockenen Rei endlich los. Als er vor mir stand, jagte ich ihm blitzschnell meinen verhärteten Flügel in den Körper und riss ihn entzwei.
Ich musste hier raus. Und wenn ich Rei mitnehmen würde, dann wäre er nur in Gefahr.

Ich ging langsam auf Rei zu. Immernoch war es fast komplett still um uns herum.
Rei sah mich an und ich kniete mich zu ihm herunter. Tränen rannen mir über die Wangen. "Wirst du mich etwa essen, Rin-chan?", fragte Rei ängstlich. Ich schüttelte leise weinend den Kopf.

Ich nahm Rei's Gesicht in meine Hände und küsste ihn sanft. Er wehrte sich nicht. Langsam, schmerzerfüllt, ließ ich sein Gesicht los und stand auf.
"Ich liebe dich, Rei. Ich liebe dich so sehr.", wimmerte ich und sprintete zu einem Hinterausgang.

Was ab diesem Zeitpunkt geschah, wusste ich nicht.
Ich rannte und rannte immer weiter weg. Ich fand mich nach Stunden in einem kleinen Park wieder. Weinend und heftig schluchzend warf ich mich auf die Wiese vor mir.
Ich hatte versagt.
Ich würde mir niemals verzeihen können.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 19, 2016 ⏰

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