gatekeeper

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Flüssiges Gold rann durch ihre Finger, färbte ihre Hände. Was sie doch nicht alles für ein wenig Geld tat. Alles was nötig war, um die Miete zu zahlen, die Nebenkosten, die Schulden ihres Vaters. Und ein bisschen Luxus.

    Es war vier Uhr in der Früh und dieses Fotoshooting war das letzte was sie jemals hätte tun wollen. Doch wenn es hieß, sich für ein wenig Luxus nackt in goldener Farbe zu wälzen, dann tat sie es.

   “Spreiz die Beine.”, wies der Fotograf sie an. Sie tat was man von ihr verlangte, sehnte sich nach dem Satin der ihren Körper bedecken würde, wenn sie fertig war. “Weiter.”

Sie tat was man von ihr verlangte, dachte an den Pelz den sie sich vom Geld kaufen könnte. Oder vielleicht doch einen Kurztrip nach Paris? Es war kühl, im Pelz hätte sie es nicht gemerkt. Doch nackt in der Lagerhalle ohne Heizkörper war es durch Gänsehaut auf ihren Körper geschrieben. Aufgestellte Härchen hätte man gesehen, hätte sie nicht den Waxing-Termin gehabt. Perfektion, vor der Kamera war das alles was zählte. Die Lichter beleuchteten goldene Haut.
    “Leg den Kopf in den Nacken.”, forderte der Mann hinter der Kamera, während sein Assistent die Studioleuchten auf ihren Körper an passte. “Schließ die Augen.”

Sie erinnerte sich an ihren ersten solchen Termin, damals hatte sie beinahe geweint. Neunzehn, dachte sie, ich war damals neunzehn, noch ein halbes Kind. Doch die Großstadt hatte sie erwachsen werden lassen, die Branche hatte geholfen. Jetzt war es nicht mehr so Angsteinflößend, war Routine.

   “Mach den Mund auf, stöhn wenn es hilft.” Er gab eine Anweisung nach der anderen. Die meisten machten es so, hielten die Leine kurz, kontrollierten ihre Objekte vor der Kamera. Doch sie war keine Anfängerin, sie wusste was sie sehen wollten, was sie brauchten.

In Gedanken lag sie am Strand, die Sonne viel angenehmer als die klebrige, trocknende Farbe. Räkelte sich nicht in der Kälte, sondern am Rande zum Meer. Der Ozean blau, blau so weit das Auge reichte. Manchmal kam sie für einige Sekunden zurück in die Wirklichkeit. So wie jetzt; drehte sich auf den Bauch, die Beine verschränkt in der Luft. Sie wünschte sie wäre wirklich am Meer. Mit ein bisschen Fantasie war alles möglich -- die Lagerhalle verschwand, die Wellen rauschten, berührten ihre Knie, wuschen die Goldfarbe hinfort. Sie blätterte in ihrem Magazin, bis sie sich mit einem Mal abdrückte, die Brust herausstreckte und zur Sonne hinauf starrte. Der Assistent neben ihr war jung und unerfahren, sog scharf die Luft ein. So viel nackte Haut hatte der dickliche Jüngling wohl noch nie zuvor gesehen -- und das alles auch noch in Gold getaucht. Sie musste wie eine Trophäe aussehen. Der Wind war zu kühl um an der Karibik zu wehen. Jemand muss in die Lagerhalle herein getreten sein.

   Der Pelz, der Satin, das Samt, dachte sie. Ein Teller Lasagne vom Italiener, die Rechnung, die Steuern, die Versicherung, die Pflegekraft.

   “Du bist spät, zieh’ dich aus.” Sie hatte die Augen noch immer geschlossen, doch für einen Moment hatte das Blitzlicht aufgehört. Ihr Partner für die Nacht muss gekommen sein. Er war spät, hatte man ihr gesagt

   “Du bist spät.”, sagte sie noch einmal ohne mit der Wimper zu zucken, als sie spürte wie ein nackter Körper sich über ihren hing. Seine Hände stützte er neben ihre ab, seine Wange an ihrer.
   “Das sagt man mir oft.”, sagte er, rieb seinen kurz gestutzten Bart an ihrem Kiefer. Dieses Mal war es nicht die Kälte die ihr einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Sie fasste mit der Hand seinen Nacken, drehte ihr Gesicht.
   “Super, genau so.”

   “Das sieht klasse aus.”, stimmte der dicke Jüngling mit ein.

   “Na, dass sieht doch schon nach was aus.”, hörte sie eine neue Stimme, öffnete die Augen ein winziges Stück. Neben dem Fotografen hatte ein Mann im Anzug seinen Platz eingenommen, ein Smartphone in seiner Hand verankert. Seine Finger wollten nicht aufhören zu tippen, doch immer wieder warf er einen Blick zu ihr.
   “Dreh dich.”, wies der Fotograf sie an und sie legt sich auf den Rücken, drückte ihn durch. Sie spielte Exorzismus, doch die Dämonen würden sie nie verlassen. Die Stimmen die nach Geld lüsteten, die teure Stoffe bevorzugten, die ein hübsches Auto wollten. Irgendwann würde sie den Sprung schaffen. Nicht mehr nur Porno, nicht mehr nur Kalender. Nein, sie träumte von mehr -- immer war es mehr, mehr war mehr. Die Todsünden waren ein Teil von ihr, konnten nicht abgestriffen werden wie die Lagen Kleidung.

schmerzlosWo Geschichten leben. Entdecke jetzt