Kapitel 1

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Kapitel 1


Ich rannte eine Gasse entlang. Ich konnte Schüsse hinter mir hören,wagte aber nicht mich umzudrehen. „Verdammt, Papa!", rief ich, in dem Wissen, dass er mich weder sehen noch hören konnte. Wenn er mich fluchen hörte, war alles vorbei. Ich sollte froh sein, dass ich die Chance auf so eine Ausbildung bekam. Und das war ich. Die Rolle der Frau in unserer Gesellschaft erschien mir um einiges schlimmer. Nur wegen meinem Papa hatte ich die Möglichkeit auf eine Ausbildung beim FSB, wenn auch in einer Abteilung, die so geheim war,dass nicht einmal die russische Regierung davon wusste.

Da!Ein Hauseingang!

Mit einem Satz sprang ich nach rechts und durchbrach die Tür zu meiner Seite. Ich befand mich in einem Treppenhaus. Ohne weiter zu überlegen stieg ich Etage um Etage immer höher und kam schließlich auf dem Dach des Gebäudes an.

Verzweifelt suchte ich nach einem anderen Weg nach unten, doch als ich über die Kante des Daches sah, musste ich feststellen, dass sich nicht einmal Balkone unter mir befanden. Ich hatte eine der wichtigsten Regeln vergessen. Ausschau halten nach Fluchtwegen. Ob ich nun vom Dach sprang oder meine Verfolger mich einholten, es bedeutete den sicheren Tod.

Ich kauerte mich in einer Ecke des Daches zusammen und verbarg meinen Kopf in meinen verschränkten Händen. Ich hatte verloren.

Es brauchte nicht lange bis meine Verfolger mit ihren Gewehren kamen und mich umkreisten. Dann ertönte ein lauter Gong und alle ließen ihre Waffen sinken. Ein Hubschrauber landete auf dem Dach und Victor stieg aus.

Komm schon, Jamia. Dein Vater will dich sehen. Ich hatte irgendwie mehr von dir erwartet." Ich erwiderte nichts und stieg in den Hubschrauber.

Wenig später stand ich im Büro meines Vaters. Dieser saß an seinem Schreibtisch und schimpfte auf Russisch auf mich ein. Ich hielt den Kopf gesenkt und sagte nichts. Das war nichts neues für mich. Papa stand auf und ging um den Schreibtisch herum.

Jamia, mein Kind. Ich bin enttäuscht. Nichts als Sorgen bringst du mir."

Ängstlich sah ich zu ihm hinauf. Da war etwas neues in seinen Augen, etwas,dass ich nie zuvor gesehen hatte.

Du weißt, was geschieht, wenn das so weiter geht.",drohte er, „Und was es meiner Reputation antun würde!"Seine Stimme wurde immer lauter. Es klang wie ein Gewitter, dass auf mich einprasselte.

Ich rede mit dir!", schrie er, als ich weiterhin nichts sagte und keine Reaktion zeigte.

Bedrohlich kam er noch näher auf mich zu und beugte sich zu mir herunter,sodass ich seinen Atem auf meinem Gesicht spürte. Er hatte wieder Zigarre geraucht und pustete mir seinen Qualm direkt ins Gesicht. Ich schloss die Augen.

Auf einmal klatschte eine Hand mit voller Wucht in mein Gesicht, sodass ich zu Boden fiel. Die Stelle, an der seine Hand mich erwischt hatte,fing an zu brennen, so sehr, dass ich anfing zu weinen.

Du hörst nicht!Du hörst nicht!", wütete mein Vater.

Da klopfte es an der Tür. Eine kleine Gestalt schlüpfte durch den Türspalt und sah erschrocken zu mir auf den Boden. „Jamia!",rief Dimitri, mein kleiner Bruder und rannte zu mir um mir zu helfen.

Hörst du wohlauf ihr zu helfen!" Mein Vater konnte nicht mehr an sich halten. So wütend hatte ich ihn noch nie erlebt. Etwas anderes musste vorgefallen sein.

Dimitri hörte nicht und half mir mich aufzusetzen. Da kam mein Vater auf ihn zu und riss ihn an seinen dünnen Ärmchen hoch. Wutentbrannt fing er an auf den Kleinen einzuschlagen.

Hör auf damit!",schrie ich. Damit hatte er seine Reaktion! Doch Vladimir Smirnow hörte nicht auf. All die angestaute Wut auf mich, ließ er jetzt an meinem Bruder aus. Und ich konnte rein gar nichts dagegen unternehmen.


Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich schrie, bis mich etwas aus meinem Schlaf holte.

„Jamie, Jamie!" Irgendwer rief meinen Namen und schüttelte mich. Erschrocken öffnete ich die Augen und sah Zayn über mir. Er sah mich besorgt an.

Schnell drehte ich mich weg, stand auf und ging ins angelegte Bad. Ein Ausdruck des Horrors blicke mir aus dem Spiegel entgegen. Ich schüttelte mich. Lange hatte ich nicht mehr davon geträumt. Ich war so gut darin gewesen, alles zu verdrängen und jetzt, wo ich wieder in Russland war, kam alles zurück. Ich füllte das Waschbecken mit kaltem Wasser und als es fast bis zum Rand gefüllt war, drehte ich den Hahn aus und tauchte mit meinem Gesicht durch die Wasseroberfläche.

Ich konnte erstaunlich lange die Luft anhalten und die Kühle an meinem Kopf tat mir gut, sodass ich einen Moment so verweilte. Dann riss ich meinen Kopf wieder nach oben, wusch und zog mich an. Ein letzter Blick in den Spiegel bestätigte mir, dass ich mein Pokerface wiederhergestellt hatte. Zeit dafür, Zayn abzuschieben. Ich konnte es nicht gebrauchen eine solche Last am Bein zu haben, und aus irgendeinem Grund wollte ich nicht, dass er mich so sah.

Ich verließ das Badezimmer und sah Zayn mit verwirrtem Ausdruck auf dem Bett sitzen. Er war so ein Idiot, dass er hergekommen war! Er hatte keine Ahnungen, welchen Gefahren er sich dadurch ausgesetzt hatte. Mikael hatte ihn bestimmt gesehen, als wir davon liefen. Er war nicht mehr sicher, auch wenn Mikael nichts war im Vergleich zu Alexej.

„Geh dich waschen.", befahl ich Zayn, der sofort aufsprang, als ich anfing zu reden. „Ich rufe dir ein Taxi, das bringt dich zurück zum Flughafen. Keine Widerrede." Die letzten Worte fügte ich noch schnell hinzu, weil ich merkte, dass er mir widersprechen wollte.Trotzdem öffnete er seinen Mund und setzte dazu an. Schnell schob ich ihn ins Bad und schloss die Tür hinter ihm.

Fast schon rechnete ich damit, dass er wieder herauskam um mich weiter zu nerven, aber er hatte sich wohl dafür entschieden, sich erst einmal zurecht zu machen. So hatte ich Zeit mich für die kommende Diskussion zu wappnen. Doch die kam nicht.

Stattdessen kam alles ganz anders.

Zayn war noch gar nicht ganz fertig, als ich von draußen Schüsse hörte.Ich lief zum Fenster und sah wie mehrere Männer in Militäruniform auf das Gelände kamen, auf dem das Motel stand. Die Nachtwache war es, dem der Schusswechsel galt und der jetzt tot auf dem Boden lag.Das Motel war klein. Die Männer würden nicht lange brauchen um uns zu finden. Zayn kam aufgescheucht aus dem Bad und sah mich entsetzt an. Ich sagte nichts und packte schnell meine Sachen zusammen. Erfolgte meiner stillen Anweisung dasselbe zu tun.

Ich hatte gehofft noch eine Kleinigkeit essen zu können, vor dem 46 Stunden Trip, der vor mir lag, doch dazu würde es jetzt wohl nicht mehr kommen. Ich konnte nur hoffen, dass es auf dem Weg nach Bolochowo noch ein paar Plätze zum Halten geben würde.


Ich schnappte mir meine Waffe und verließ gemeinsam mit Zayn das Motelzimmer. Es dauerte nicht lange, bis uns die Männer entdeckten und los feuerten. Es war fast schon komisch, wie Zayn quiekte und schrie, als ihm ein paar Schüsse zu nahe kamen. Doch jetzt war keine Zeit für Komik. Ich schoss uns den Weg frei und wir verschwanden durch eine Hintertür, die ich am Tag zuvor noch ausgekundschaftet hatte. Niemand folgte uns. Doch um sicher zu gehen, mussten wir erst einmal noch ein Stück von hier weg und ich hatte keine andere Wahl,als Zayn mitzuschleppen. Dem Tod wollte ich ihn dann doch nicht überlassen. 

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 06, 2016 ⏰

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