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Es waren schon alle da, als wir das Gelände betraten. Es war die Gang mit der Tom gestern gesprochen hatte. Das hörte ich an der Stimme des Anführers, welcher gerade den Namen des Auserwählten verkündete. Deshalb war Tom also heute nicht hier. Es ging nicht um seine Gang. Auch wenn er Gustav ein bisschen angewiesen hatte, dass er auf mich aufpassen sollte, was ich insgeheim trotz der Abstreitung von Gustav glaubte, hatte ich nicht vor den Mitgliedern der anderen Gang oder der Tatsache, dass sie alle hinter mir her waren, so viel Angst, sondern vor meiner eigenen Gang.

Auch, wenn ich es nicht wollte, musste ich jetzt zu Oli gehen, denn der Schein eines glücklichen Paares musste bewahrt werden. Das hatte ich mittlerweile verstanden. Wenn ich ihm diese Tour noch versauen würde, bekam er Schwierigkeiten und das hieß ich bekam ungefähr doppelt so viele. Als ich neben ihn trat, legte er den Arm um mich und zog mich an sich. „Na, schon Fortschritte gemacht?", flüsterte er mir grinsend ins Ohr, da er genau wusste, dass ich nun nein sagen würde. „Das ist aber schade." Dann ließ er mich wieder los.

Tom hatte Recht gehabt, Oli schickte wieder einmal Lenn in den Kampf. Man konnte nicht sagen, dass mich das ganze Spektakel langweilte, eher anekelte, deshalb verschwand ich von Olis Seite, an der ich mich im Moment sowieso nicht wohl fühlte und stellte mich in den Hintergrund. Wie sollte ich das nur anstellen? Wie sollte ich nur dieses Armband wieder beschaffen? Oder war es besser, wenn ich mich sofort selbst umbrachte? Verzweiflung war im Moment der beste Begriff für meinen Zustand, denn ich hatte keinen blassen Schimmer, wie ichaus diesem Schlamassel wieder raus kommen sollte. Ich ließ meinenBlick schweifen, über den Kampf, über den benachbarten Wald, über die Halle zu meiner Rechten und über...Tom. Moment! Ich schaute noch einmal unauffällig auf das Dach der Halle und tatsächlich konnte ich hinter einem der Schornsteine Tom erkennen. Für Jeden der nicht bewusst hinschaute, war er nicht zu erkennen. Aber für mich schon.

Unsere Blicke trafen sich und es schien als ob er mir ein Zeichen gab, dass wir uns treffen sollten. Nur wo? Ich machte mich unauffällig auf den Weg, um hinter die Halle zu kommen. Dass mich jemand vermissen würde, war eh ungewiss, da sich jeder auf den Kampf konzentrierte. Außer Gustav natürlich, den langweilte das alles tatsächlich. Hinter der Halle angekommen, war das Gegröle des Battles nur noch abgeschwäch zu hören, demnach konnte ich mir auch ziemlich sicher sein, dass uns hier keiner hören würde. Der Wind kam sowieso aus einer anderen Richtung.

Plötzlich hörte ich hinter mir Schritte und fuhr herum. Im Schatten des Gebäudes erkannt ich einen großen schlanken Körper, verpackt in einer schwarzen Lederjacke und großer Jeans. „Geht es dir gut?", fragte eine mittlerweile vertraute Stimme und ich flüsterte ein dünnes 'Ja', dann ging ich auf ihn zu und wollte ihn ohne zu überlegen einfach nur umarmen, als er mich plötzlich am Kinn fasste und von ihm wegdrückte. Das Veilchen fiel mir wieder ein und ich schloss ertappt die Augen. „Das war er, nicht wahr?" So konnte sich der Tonfall ändern. Seine Stimmfarbe ließ mir eine Gänsehaut über den Körper fahren und ich schüttelte mich kurz. „Ist doch egal, mir geht es gut." „Wieso glaube ich dir das nicht?" „Weil du etwas anderes hören willst", presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und seine Reaktion war mir im Moment erstaunlicherweise egal! Es war mein Problem, ob ich an der Wange ein Veilchen hatte oder nicht, nicht seines, deshalb brauchte er mir keine Szene zu machen! „Da hast du etwas verwechselt, ich heiße nicht Oli, mir ist dein Zustand nicht egal und wenn ich sehe, dass er dich geschlagen hat, will ich eine ehrliche Antwort haben! Was hat er zu dem Armband gesagt?"

„Naja, gefreut hat er sich nicht, sagen wir es einmal so." Er schnaubte kurz. „Dumm von mir gewesen zu fragen, ich sehe die Antwort ja vor mir." Dann ließ er mich endlich los. Tom drehte sich von mir weg und drückte sich die Handflächen ins Gesicht. Mit einem Seufzen ließ er diese wieder sinken und trat mir wieder gegenüber. „Er will, dass du es wiederholst, hab ich Recht?" „Ja." „Hab ich es mir doch gedacht." „Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, ich schaff das schon...irgendwie."

„Sicher schaffst du das. Sorry, ich will dich nicht auslachen, aber du hast keine Ahnung mit wem du es da zu tun hast", lachte Tom plötzlich los und ließ mich sprachlos werden. „Ach nein? Dann sag es mir doch, wenn du alles so gut weißt!" Es war doch höchst interessant, welche emotionalen Richtungen unsere Treffen doch immer wieder annahmen. Entweder stritten wir uns oder wir landeten in der Kiste. Bevorzugen tat ich keine der beiden Möglichkeiten. „Vitaly ist ein guter Bekannter von mir, dennoch skrupellos. Mal sehen was sich machen lässt." „Du weißt wer es hat?!" Jetzt war ich entgeistert! Was war das hier nochmal für ein Spiel? „Entschuldige, wann hätte ich es dir wohl erzählen sollen?" Am besten ich sagte nun gar nichts mehr. Ich ließ den Kopf hängen und lehnte mich gegen die Steinwand neben mir.

„Ich kriege das schon wieder hin, keine Sorge." Und plötzlich stand er wieder ganz nah vor mir und hob mit seinem Finger mein Kinn an. „Und wie willst du das machen ohne dir irgendwas zu tun?", flüsterte ich und sah direkt in seine Augen. „Das lass meine Sorge sein. Doch an Olis Stelle würde ich mir Sorgen machen, denn für die Ohrfeige bekommt er noch was. Man schlägt keine Frauen." Dann ließ er mich los und drehte sich von mir weg. Ohne zu Überlegen griff ich nach seiner Hand, ebenso schnell hatte er sich wieder zu mir gedreht. Mit zusammengezogenen Augenbrauen sah er mich nun an und wartete auf irgendeine Erklärung, doch mir fiel ebenso keine Erklärung hierfür ein. „Danke." Mehr brachte ich nicht heraus und für mehr fehlte mir das Vermögen zu denken. Was war nur mit mir los?

„Bedanke dich, wenn ich es geschafft habe." „Wenn wir es geschafft haben", verbesserte ich ihn und erlangte meine Fähigkeit zum Denken wieder. „Vergiss es!" Und so wurde mir seine Hand wieder entrissen. Wie ein kleines Kind, welches nach seinen Spielzeug griff, tat ich es bei seiner Hand, doch es gelang mir nicht, diese noch einmal zu berühren. „Tom, bitte! Ich habe es verbockt, also helfe ich dir auch! Was ist eigentlich so verdammt wertvoll an diesem Teil? Es ist doch nur einfach Gold!"

„Erstens, du wirst mir nicht helfen, dass ist zu gefährlich und Zweitens darf ich dir nicht erzählen, was dieses Ding so wertvoll macht." „Diese Regelungen gehen mir mittlerweile auf die Nerven. Oli wird es sicher nicht mehr tun, jetzt da es weg ist." „Frag Gustav." Aha, da ist die Katze aus dem Sack. Ich legte mir die Hand an die Stirn und seufzte. Gott, wo war ich hier gelandet? „Okay, ist okay! Werde ich tun, sonst noch was?"

„Werde freundlicher", grinste Tom plötzlich, trat auf mich zu und nahm mich überraschenderweise in den Arm. Ich zögerte, doch dann legte ich meine Hände auf seine Schultern und plötzlich wurde ich ruhiger. Ich legte mein Kinn auf seiner linke Schulter und schloss kurz die Augen. „Danke, für alles", flüsterte ich und atmete kontrolliert ein und aus. „Bitte", war seine Antwort und es kam mir so vor, als ob er mich kurz fester an sich drückte, bevor er die Umarmung löste. „Und jetzt geh zurück, sonst fällt es auf." Er lächelte leicht, bevor er sich umdrehte und in der Dunkelheit verschwand. Und wieder musste ich tief ein und aus atmen, um die Fassung nicht zu verlieren. Ich machte mich wieder auf den Weg zurück und stellte mich auf meinen alten Platz, so als wäre ich nie weg gewesen. Es war mir unbegreiflich, warum ich wieder zu dem Dach des Gebäudes schaute, ob es Intuition war, doch als ich nach oben sah, stand Tom ebenfalls wieder an seinem Platz und schaute zu mir rüber. Ertappt begann ich peinlich berührt nach unten zu schauen und zu lächeln. Es war ein komisches Gefühl zu wissen, dass er daoben stand und sich in Gefahr brachte, nur um mich zu beschützen. Vor was auch immer er mich beschützte.

Streetbattle - Faust gegen Faust (Tokio Hotel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt