1. Begegnung im Gang (NEU)

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Lillyan Whiteley rannte den Gang entlang, der von der großen Treppe aus in den vierten Stock führte, und blieb ratlos vor einer Abzweigung stehen. Gerade hatte ihr viertes Jahr in Hogwarts begonnen und wie immer brauchte sie so kurz nach den Ferien wieder etwas Zeit, um sich zurecht zu finden. Diese Zeit hatte sie aber momentan nun mal nicht, denn sie war gerade im Begriff, zu spät zu ihrer ersten Verwandlungsstunde in diesem Schuljahr zu kommen. Ging es jetzt nach links oder nach rechts zu den Verwandlungsräumen? Ah nein! Rechts ging es doch zur Bibliothek! Lillyan wandte sich nach links und rannte weiter. Sie wollte um jeden Preis vermeiden, sich gleich am ersten Tag nach den Ferien bei allen unbeliebt zu machen, indem sie sich 10 Punkte Abzug für Gryffindor einhandelte. Wohin jetzt? Ach, stimmte ja. Um diese Ecke, nach rechts und dann war sie da. Lillyan beschleunigte ihre Schritte, schlitterte um die nächste Ecke - und knallte mit voller Wucht in jemanden hinein.


„Hey, kannst du nicht aufpassen!", schimpfte der Junge, den sie umgerannt hatte. Er hatte kurze, schwarze Haare, die in alle Richtungen vom Kopf abstanden, ein schmales Gesicht und haselnussbraune Augen, die sie wütend anblitzten. Au weia! Sie war ­­­ausgerechnet in James Potter hineingerannt. Natürlich standen wie immer seine drei Freunde hinter ihm. Die vier waren eine richtige Gang. Niemanden ließen sie in Ruhe. Sie ließen Stinkbomben in Räumen, Büros und Taschen hochgehen, verhexten alle Schüler, die sie nervten oder die sie nicht mochten, handelten sich andauernd Nachsitzen ein, indem sie irgendwas Verbotenes taten und machten auch sonst andauernd Ärger. Lillyan war ihnen bisher aus dem Weg gegangen so gut es ging und zum Glück hatte sie deshalb noch nie Ärger mit ihnen gehabt. Dass sie jetzt aber ausgerechnet in Potter hineingerannt war, war wirklich Pech, denn erstens war Potter der Anführer seiner Gang und zweitens hasste er es, wenn ihn jemand schubste, selbst, wenn es unabsichtlich war. Das kannte Lillyan vom Quidditchtraining. Genauso wie James Potter spielte nämlich auch Lillyan in der Quidditchmannschaft von Gryffindor, jedoch als Jägerin. James Potter war der Sucher. Er war unglaublich gut und wurde deshalb von allen bewundert, aber angeberisch und hochmütig, wie er war, hatte er niemals auch nur ein Wort mit Lillyan gewechselt.


„Entschuldigung", murmelte Lillyan schnell und wollte sich an ihnen vorbei drängen, aber James hielt sie am Arm fest. „Warum rennst du denn so, Kleine? Hast du dich verlaufen?", fragte er spöttisch. Lillyan wurde rot vor Zorn: Nur weil er eine Stufe über ihr war, meinte er wohl, er könne sich alles erlauben! Sie wollte schon zu einer nicht sehr freundlichen Antwort ansetzen, aber einer von James Freunden war schneller. „Lass sie in Ruhe, James", sagte er müde und fuhr sich durch sein kurzes, braunes Haar. „Du siehst doch, dass sie es nicht mit Absicht gemacht hat." „Ach komm schon, Moony! Gönn mir doch mal ein bisschen Spaß!", sagte James und stieß den Jungen, den sie anscheinend Moony nannten, freundschaftlich in die Seite. Der kleinste der Jungen, der neben dem Jungen namens Moony stand, kicherte albern. Mit seiner langen Nase und den wässrigen blauen Augen erinnerte er Lillyan an eine Wasserratte. Moony warf ihm einen entnervten Blick zu, woraufhin der Kleine beleidigt eine Schnute zog. „Würdest du Idiot mich jetzt endlich mal durchlassen?" Wütend schaute Lillyan James an. „Ich komme gerade zu spät zu Verwandlung und kriege jetzt wahrscheinlich schon 15 Punkte Abzug für Gryffindor wegen dir!" Der Junge, der rechts neben James stand, pfiff bewundernd durch die Zähne. Als Lillyan ihn ansah, grinste er lässig zurück. Lillyan verschlug es für einen Moment die Sprache. Er sah unglaublich gut aus. Das lange, dunkle Haar fiel ihm elegant in die Augen, sein schmales, blasses Gesicht war nahezu fehlerlos. Aber am allerschönsten an seinem Gesicht waren seine schwarzen Augen, die dunkel waren wie eine Winternacht und doch eine unglaubliche Wärme ausstrahlten. „Wow, Krone! Es scheint, als wärst du gerade dem einzigen Menschen in der Schule über den Weg gelaufen, der dich nicht für lustig hält", bemerkte er zu James und sein Grinsen wurde noch breiter. Krone? Moony? Anscheinend waren das irgendwelche seltsamen Spitznamen. „Es sieht danach aus." James schaute zu dem gutaussehenden Jungen, dessen Lächeln, sobald sein Blick den von James traf, deutlich abkühlte. „Trotzdem, Moony hat recht, lass sie in Ruhe. Du solltest deine schlechte Laune wegen Professor Jenkins nicht an ihr auslassen. Heb dir das lieber für die Slytherins auf. Und außerdem: Je länger wir hier diskutieren, desto mehr Punkte verlieren wir und desto mehr Ärger bekommt diese hübsche junge Dame hier." „Eben!", sagte Lillyan energisch, noch bevor ihr bewusstwurde, was er da eigentlich gerade noch gesagt hatte. Sie versuchte krampfhaft, das Rotwerden zu unterdrücken. Hatte er ihr da gerade ernsthaft ein Kompliment gemacht? Ein Freund von James Potter?! Der kleine Junge mit den wässrigen Augen sah genauso verwirrt drein, wie Lillyan sich fühlte

Das Geheimnis der ersten Auroren- Die Abenteuer von Lillyan WhiteleyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt