Ankunft

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Also wie gesagt mein Vater ist Arzt. Fazit: Ich sehe ihn fast nie. Früher war ich fast jedes Wochenende bei ihm. Als er befördert wurde, hatte er dann keine Zeit mehr für mich. Er bekam nachts Anrufe, dass er sofort ins Krankenhaus komme solle. Notfälle und so. ALLES wichtiger als seine eigene Tochter.
Versteht mich nicht falsch. Natürlich kann ich das verstehen, wenn jemand in Lebensgefahr ist aber mit 5 Jahren um 02:00 Uhr nachts alleine gelassen zu werden...

Irgendwann fand meine Mom das raus und hetzte ihm das Jugendamt auf den Hals. Naja worauf ich eigentlich hinauswollte war, dass ich jede Menge Freizeit bei Dad haben werde.

Ich bin gerne alleine. Ich brauche nichts. Keine Freunde, keine Familie. Ich brauche nur mich.

Da meine Mom mich nicht fahren konnte, Beziehungsweise nicht fahren wollte, was ich eher in Erwägung ziehe, muss ich mit dem Zug zu meinem Dad fahren. Aber das macht mir nichts. Eigentlich mag ich Zufahrten. Sie beruhigen einen und man hat mehr Platz, als in einem Auto.

*

Als ich aus dem Zug ausgestiegen war, sah ich ein kleines Mädchen. Ich schätzte sie so auf 5 Jahre.
Sie trug ein rotes Kleid mit Rüschen. Die Haare hatte sie zu einem Kranz geflochten.
Was machte sie alleine hier am Bahnhof?

Da fiel mir auf, dass sie gar nicht alleine war. Von hinten kam ein Mann, Mitte 20 schätzte ich, auf sie zu und hob sie hoch.
Das Mädchen schrie vor Lachen auf und umarmte ihren Vater.
"Ich liebe dich Daddy", murmelte sie ihm in seine Schulter.

Sollte ich etwas fühlen?
Er wird nicht kommen. Er wird dich nicht abholen.
Richtig das wird er nicht aber das ist okay.

Während ich mich auf den Weg machte, zum Haus meines Vaters, lief ich eine leere Gasse entlang. Keine Menschenseele war zu sehen. Als ich nach rechts sah, entdeckte ich etwas gold funkeln in einem Schaufenster.
Näher betrachtet sah es aus, wie die Spieluhr, die ich früher einmal hatte.

Plötzlich hörte ich ein Rascheln. Der Wind war ziemlich stark geworden und blies mir nun mein Pony ins Gesicht. Doch als ich mir die Haare aus dem Gesicht strich war ich nicht mehr alleine. Noch etwas wurde mir klar als ich in meine Tasche fasste.
Er hatte mein Portmonee. Mit einem Grinsen hielt er es hoch, er hatte wohl bemerkt, dass ich es suchte.

Wie ist der nur daran gekommen? Ich fühlte mich immer unwohler. Wie er mich ansah - als wäre ich irgendetwas zum Essen. Ekelhaft. Abartig.
Er betrachtete mich von Kopf bis Fuß. Starrte mich regelrecht in Grund und Boden. Da mir dies missfiel, entschloss ich mich einfach in die andere Richtung zu gehen. Sollte er es doch behalten. Ich würde Dad einfach sagen, dass ich es verloren hätte.

Ich merkte, wie er es mir gleich tat und jeden meiner Schritt immitierte. Es schien so als ob er nicht mehr an meinem Portmonee interessiert war. In einer schnellen Bewegung bekam er meine Hand zu fassen und drehte sie mir auf den Rücken.

Auch wenn man es mir nicht ansah, das tat höllisch weh.
Was würde es helfen Schmerz zu zeigen? Nichts
Rumzuheulen?  Nichts
Zu schreien? Weit und breit war niemand also? Nichts
Hm ich glaube meine Chancen stehen 99% dafür hier raus zu kommen.

Hach war ich witzig. Wenigstens blieb mir mein Humor.

Naja auch wenn es übertrieben klingt, aber ich sah schon mein Leben an mir vorbeiziehen und es war - langweilig.

Ich habe einen Drang zu Melodramatik, also nicht wundern.

Alles, was mir durch den Kopf ging war, dass ich sterben würde. Dass ich meine Mom nie wieder sehen würde...

Ich könnte mich nie bei meiner Mom entschuldigen. Das musste ich unbedingt noch machen.

Denkt ihr das würde ziehen, damit mir nichts passiert, weil eigentlich hatte ich nichts dergleichen vor. Irgendwo gab es doch eine höhere Macht oder sowas, die sich jetzt denken
müsste:" Hach, was für ein süßes Mädchen, da hat sie es aber net verdient so zu sterben, dat müssen wir ändern." Oder so was in der Art...

Ich glaube das Schicksal weiß, wann man versucht es zu verarschen und es gefiel ihm ganz und gar nicht, dass man es versuchte.

Ach Schicksal alter Freund...

Ein Versuch war's Wert aber sofort kam eine Antwort, denn nun lag ich auf dem Boden und der Mann über mir. Naja jetzt war sowieso alles vorbei. Ich schloss meine Augen und wartete nur darauf meine letzten Atemzüge zu tätigen.

*Das Bild ist vom Tumblr*

SilenceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt