Sharing Death

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 Prolog:

Ich lag mal wieder in meinem ungemütlichen Bett. Es war dunkel draußen, das erkannte ich am kleinen Fenster, durch den das Licht der Straßenlaternen fiel. Der Schlaf wollte mich einfach nicht holen. Ich rollte mich so hin, dass ich mit der Brust auf dem Bett lag. Ich presste meinen Kopf auf das Kissen und hielt mir die Ohren zu. All die schrecklichen Erinnerungen blitzten schemenhaft in meinem Kopf auf. Es war eigentlich eine heruntergekommene Couch, auf der sich ein Kissen und ein großes Stück Stoff befand, welches als Decke diente. Ich setzte mich auf und boxte mit den Händen aufs Bett. Wieso? Wieso war ich hier? Gefangen. Versteckt von der Welt. Mit gefesselten Händen hier in einem Verlies. Ich hoffte inständig eines Tages würde jemand kommen und mich retten, mich aus diesem verdammten Rattenloch befreien. Ich ballte meine Hände und schlug mir an den Kopf. Es wird dich niemals jemand befreien. Niemand weiß von deiner Existenz. Wieso sollte dich dann jemand retten kommen? Erst als eine Träne auf dem Sofa landetete merkte ich, dass ich weinte. Diese Welt ist so grausam und kalt. Eine Türe öffnete sich. In mir stieg die Hoffnung auf Freiheit auf und ich schützte meine Augen mit den Händen vor dem grellen Licht, welches ins dunkle Verlies fiel, doch ich wurde enttäuscht, mal wieder. Die Tränen flossen über meine Wangen und tropften auf mein Bett. Ich erkannte die Umrisse einer mir bekannten Frau. Sherry, einer der Menschen die mich der Welt vorenthielten, betrat das schmutzige Kellerverlies. "Du hast ja geweint? Wieso denn? Gefällt es dir nicht? Dieses Leben? Nein? Wieso antwortest du nicht?", sagte sie provokant und ließ sich vor mir aufs Sofa sinken. Ich hörte ein lautes Klatschen und meine Wange pochte vor Schmerz. In mir stauten sich die Tränen auf, doch ich wollte sie ihr nicht zeigen. Ich wollte ihr nicht das geben, was sie wollte! "Antworte mir Kleines oder du wirst es bereuen! Du gehörst nicht in die Welt dort draußen. Es ist uns egal, dass du ein Kind bist. Du bist gefährlich, deswegen haben wir beschlossen uns und besonders der Welt einen Gefallen zu tun. Du wirst heute sterben", sagte sie zögernd und genüsslich zugleich, als würde sie sich ein Stück Schokolade auf der Zunge zergehen lassen um den süßen Geschmack länger zu behalten. Würde sie nicht dies alles hier tun, hätte ich eine komplett andere Vorstellung von ihrem Charakter. Mit ihren langen blonden Haaren und braunen Augen, hatte sie das Erscheinungsbild eines Engels. Es bewies mir, dass nur der Charakter zählte und wie sehr man sich doch täuschen konnte. Sie schubste mich vom Sofa runter und trat mir in meine Magengegend, als ich zu Boden fiel. Ich sah ein wenig Blut auf dem Boden, welches aus meinem Kopf und aus meinem Mund strömte. Ich rappelte mich auf und ging dem Weg, welchen sie mir wies. "Auf diesen Tag habe ich lange gewartet und was für ein Zufall? Du hast heute Geburtstag. Du bist so sehr vom Pech verfolgt", erklärte Sherry schadenfroh. Sie hatte Recht und beinahe hätte ich es vergessen. Heute war mein 12. Geburtstag. Ich war hier schon seit ich denken kann gefangen. Seitdem sie merkten ich war anders. Alle hatten vor mir Angst. Mit schweren Schritten ging ich durch den Flur. Die anderen Gefangen weichten einige Schritte von den Gitterstäben ihrer Kammern und musterten mich mit einem angsterfüllten Blick. Ich war wohl die einzige, die alleine in einem abgesperrten, dunklen Raum gefangen war. Ich senkte den Kopf und ließ einige Tränen zu. Wieso hatten sie Angst und was hatte sie gemeint mit gefährlich? Ich hatte nie jemanden etwas getan! Sherry ging einige Schritte vor mir her und öffnete eine Stahltür. Sie schubste mich in einen kleinen Raum ohne Fenster in dem viele Tische mit verschiedenen Werkzeugen standen. "Sherry, wieso hat das so lange gedauert? Wir haben sowieso genug zu tun! Na zeig mal unsere heutige Unterhaltung her", sagte eine, mir noch unbekannte, Stimme streng. "Pierre es war nicht meine Absicht sie hat sich gewehrt. Wir müssen dieses Problemkind loswerden!", erwiderte sie. Was für eine Lügnerin. Ich traute mich nicht meinen Kopf zu heben um den Mann zu erkennen, der mich nun töten würde. Pierre und Sherry diskutierten noch lange. Als sie ihr Gespräch beendeten, hörte ich Schritte in meine Richtung kommen. Mein Kinn wurde leicht angehoben und er flüsterte: "Na, Kleine wie heißt du?" Als er diese Worte aussprach beachtete er mich gar nicht und ließ nach kurzer Zeit los. "Sherry, wieso blutet sie? Verdammt ich hab dir gesagt, du sollst das lassen! Das wird ein Nachspiel haben und jetzt verschwinde", schrie er ernst. Sie zögerte erst, doch nach dem Pierre sie ins Gesicht schlug, verließ sie den Raum. "Man nennt mich Mercury. Meinen wahren Namen kenne ich nicht", sagte ich zu dem Mann mit braunen Haaren und blauen Augen, namens Pierre. Er lächelte noch in seiner Bewegung um mich genauer in Augenschein zu nehmen, doch als er genau vor mir stand betrachtete er mich mit einer undefinierbaren Miene. Was war an mir so ungewöhnlich? Ich hatte braune, lange, lockige Haare. Doch ich kannte meine Augenfarbe nicht, denn ich hatte noch nie in einen Spiegel gesehen. "Mercury? Du bist die Gefürchtete Mercury?", fragte er total aufgebracht und eine Welle der Überraschung schwang darin mit. Ich nickte leicht. "Obwohl ich nicht weiß, was an mir so gefährlich und anders ist. Könnten Sie mir einen Gefallen tun und das hier sehr schnell hinter uns bringen?", erwiderte ich. Für mein Alter spuckte ich sehr große Töne, doch ich könnte nicht mal einer Fliege ein Haar krümmen. Pierre betrachtete mich bemitleidend. Ich konnte mir das nicht vorstellen. Pierre und Mitleid? Irgendjemand hier und Mitleid? Nein, so was gibt es nicht! 'Bild dir nichts ein Mercury!', ermahnte ich mich. Ich ließ mich auf den kalten Betonboden sinken und senkte meinen Kopf. Eine gefühlte Ewigkeit später fühlte ich eine Hand auf meiner Schulter. Als ich den Kopf hob, traute ich meinen Augen nicht. Es war Pierre. Plötzlich machte er eine schnelle Bewegung. Ich dachte, ich würde sterben, zuckte zusammen und schloss reflexartig die Augen. Eine Träne riss sich los und ich zitterte am ganzen Leibe. Etwas stimmte hier eindeutig nicht, denn ich spürte nur zwei Arme um mich umschlungen und keinen Schmerz. Ich erwiderte die Umarmung nicht und wartete auf seinen nächsten Zug, denn es könnte eine Falle sein und ich wollte die Letzte sein die naiv ist. "Mercury. Es tut mir Leid, was du erleben musstest. Doch ich verspreche dir, ab dem heutigen Tag werde ich nie wieder zulassen, dass dich jemand anfasst! Ich hol dich hier raus", erwiderte er verzweifelt. Ich riss die Augen auf. "Was sagen Sie denn da? Niemand holt mich hier raus. Keiner hört meine Schreie. Niemand sieht meine Tränen. Ich werde hier elendig sterben", stammelte ich ungläubig. Er löste sich von mir. "Du bist etwas Besonderes, glaub mir. Deswegen versteckt man dich. Ich werde dir helfen, dich in eine komplett neue und wunderbare Welt zu bringen. Ich werde dich dort hinführen. Ich werde immer bei dir sein", entgegnete er und musterte mich mit einem nachdenklichem Blick. Ich stand langsam auf, doch ich fiel wieder hin. Hier gab man uns so wenig essen, dass wir alle abgemagert waren und unsere Muskeln so an Kraft verloren hatten. Pierre half mir auf und hielt mich an meiner Hand um mir zur Flucht zu helfen. "Sherry und die anderen werden uns nicht einfach so hier rausspazieren lassen. Den Notausgang können wir nicht nehmen, denn der Alarm würde angehen. Es gibt keine andere Chance. Wir müssen durch die Kanalisation gehen", erklärte er angewidert und verzog das Gesicht. Um ehrlich zu sein war ich auch nicht gerade verzückt von der Kanalisation, aber besser als hier zu verrotten. Er ging sich mit der freien Hand durch die Haare und flüsterte mir zu, dass er nur zusammen packen würde und ließ mich hier stehen. Eine gefühlte Ewigkeit saß ich dort, hatte Angst er würde mich nur anlügen und nie wieder kommen. Jemand würde mich entdecken und mich umbringen. Ich hörte Schritte und versuchte irgendwo ein Versteck zu suchen, doch es war aussichtslos. Ich hatte keine andere Wahl und schleuderte meinen Kopf auf den Boden, um meinen Tod vorzutäuschen. Meine Augenlider schloss ich und hoffte darauf, derjenige würde nicht meinen Herzschlag hören. Die Schritte hielten an und waren etwa zwei Meter von mir entfernt. "Was für eine Verschwendung", sagte eine männliche Stimme, doch ich konnte sie beim besten Willen nicht einordnen. Vielleicht kannte ich sie nicht oder ich hatte zu viel Blut verloren und war so benommen. Ich hatte schon längst jede Hoffnung verloren und wollte nur noch sterben. Die Schritte kamen immer näher und ich schloss langsam die Augen auf und erkannte Füße, bedeckt von schwarzen Schuhen. Ich spürte einen leichten Tritt gegen meine Magengegend und wurde somit umgedreht. "Da hat sich jemand wohl sehr den Kopf angeschlagen", sagte er und kicherte. "Wahrlich eine Verschwendung. Wie schön sie doch war", fügte er hinzu. Ich fühlte wie er sich zu mir runterbeugte und meinen Körper leicht anhob. Genau als ich seinen Atem auf meiner Wange spürte und zusammenzucken wollte, schrie jemand dazwischen. "Damien, was machst du da? Lass sie los", befahl er. Es war Pierre und in mir stieg die Hoffnung immer mehr, bis er noch etwas dazu sagte, was mich schockte. "Das ist mein Spielzeug", fügte Pierre hinzu und lachte höhnisch. Damien stimmte ins Lachen mit ein. "Kleines, mach die Augen auf. Ich bin auch auf eurer Seite", sagte Damien. Ich öffnete die Augen automatisch und musterte die beiden mit einem hasserfüllten Blick. Was fiel ihnen ein mich zu erschrecken? Danach umspielte ein schelmisches Lächeln meine Lippen. "Lasst uns hier abhauen", sagte ich und wischte mir das Blut vom Kopf, stand auf wackeligen Beinen, denn Hoffnung gab mir die Kraft dazu. Damien und Pierre sahen einander an und ich realisierte erst jetzt, dass Damien eigentlich sehr gut aussah. Seine Haare fielen ihm in goldenen Locken in den Nacken und dazu hatte er wachsame grüne Augen. "Du trägst sie", sagte Damien schließlich und sah Pierre erwartungsvoll an. Er wiederrum nickte stumm und ging auf mich zu. "Er trägt was?", fragte ich verwirrt und spielte geistesabwesend mit meinen Fingern. In meinem Hinterkopf spielte sich schon eine Szene ab. Pierre würde mich tragen. Bei diesem Gedanken war mir etwas mulmig zumute, denn ich kannte diese Männer erst seit zehn Minuten. "Dich natürlich", erwiderte Pierre lächelnd und bestätigte meine Vermutungen. Er baute sich vor mir auf und reichte mir eine Hand. Sollte ich sie nehmen? Ich war immer noch ein wenig misstrauisch, aber ich musste lernen ihnen zu vertrauen, denn ein Beweis für ihre Kooperation war ja, dass ich noch lebte. Als ich gerade meine Hand nach ihm streckte berührte Damiens kalte Stimme förmlich meine Haut und mich durchlief ein kalter Schauer. "Stopp. Dein erster Fehler. Seit wann kennst du uns? 15 Minuten? Und schon vertraust du uns?", er runzelte die Stirn und schien wütend zu sein. Ich bekam plötzlich ein schlechtes Gefühl und zog meine Hand ruckartig zurück. Meinen Blick riss ich mit Gewalt von Damien los und starrte den kalten Betonboden an. Ich biss die Zähne vor Wut aufeinander und innerlich erstickte ich vor Selbstvorwürfen. Du bist eine Idiotin! Wieso? Wieso hast du deine zurückweisende und emotionslose Maske abgelegt? Bevor ich in Tränen ausbrach, unterbrach er seine Pause. "Du hast gezögert. Das ist gut, aber wären wir nicht die Personen, die wir sind, hättest du dich später wahrscheinlich gefesselt und vergewaltigt in einem abgeschlossenen Keller wiedergefunden. Vertraue niemandem. Nicht einmal uns", erklärte er in einem starkem und machtvollen Ton. Ich hob den Kopf an und sah die beiden verzweifelt und sehnsüchtig an. Bitte. Bitte gebt mir eine Chance ich selbst zu sein. Ich will euch lieben lernen, blind vertrauen können und mit euch unsinniges Zeug reden. Holt mich aus dieser Hölle und ich weiche nicht von eurer Seite bis ihr es so verlangt. Ich will nur nicht noch mehr enttäuscht werden. Ich wollte so vieles sagen, doch ich brachte kein einziges Wort heraus, stattdessen nickte ich einfach und nahm seine Hand. Seine Hand war im Gegensatz zu meiner Hand warm. Pierres Wärme durchflutete meine Hand und ich war wie hypnotisiert und starrte ihn an. "Was? Sag mir nicht du hast noch nie Hand eines Mannes gehalten?", scherzte er und sah mich amüsiert an. Ich wendete den Blick ab und schämte mich. Das Blut schoss mir in die Wangen und ich fühlte wie sie rot wurden. Verdammt. Diese Seiten von mir kannte ich gar nicht und um ehrlich zu sein wollte ich das auch nicht. "Nein. Das habe ich nicht nötig,Mr.-Ich-halte-die-Hand-eines-Mädchens-und-lächle-so-pervers-wie-möglich", zischte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen. Er hatte es, doch nicht so gemeint Mercury! Du bist eine Idiotin. Ich stellte mir mehr als 20 Möglichkeiten seiner Reaktion vor und keine einzige davon gefiel mir. Zögernd drehte ich meinen Kopf zu ihm und sah, dass er sich zu mir runterbeugte und meinem Gesicht gefährlich nah kam. Hatte er vor mehr meiner verborgenen Seiten zu zeigen? "Bei so einer Schönheit kann man eben nicht anders", flüsterte er in mein Ohr und seine Worte kitzelten meine Haut und hinterließen einen süßen Nachgeschmack. Mein Herz stoppte und wie betäubt von den Worten stand ich einfach fassungslos da und ließ mich protestlos von ihm Huckepack tragen. Innerlich strahlte ich bis über beide Ohren, aber ich ließ es mir äußerlich nicht anmerken. Jedoch huschte immer wieder ein idiotisches Lächeln über meine Lippen und wenn dies passierte vergrub ich es in Pierres Rücken. Mein Gefühl sagte mir aber ich würde nur zu viel hinein interpretieren. Ich umklammerte ihn ängstlich und sog seinen Duft ein. Er duftete nach einer Mischung aus Rasierwasser und Zigaretten. "Keine Angst, Kleines. Ich lasse dich nicht fallen", versicherte er mir in einem ernsten und mitfühlendem Ton zugleich. "Entspann dich einfach okay? Wir sind hier bald raus." Während Damien und Pierre ein Gespräch führten, dem ich nicht mehr folgen wollte und konnte, beobachtete ich meine Umgebung. Ich würde diese schmale grauen Gänge nie wieder sehen, dieses milchige Licht nicht mehr ertragen müssen und an die frische Luft kommen. Ich hatte oft die Wächter vor dem Verlies über die Außenwelt reden gehört. Es klang nach einem ziemlich friedlichen Ort mit vielen Schattenseiten. Jedenfalls war das meine Vorstellung. Ich hatte es mir wieder im Geiste ausgemalt. Meine Flucht. Aber die Realität unterschied sich beträchtlich von meiner Fantasie. Die Fantasie war... Naja. Spannender. Wo man schon von spannend redet. Wir standen vor dem Tor zum Schlaraffenland für Arme oder besser bekannt unter dem Namen Kanalisation. Damien verzog das Gesicht und Pierre ließ mich behutsam herunter. Damien und Pierre öffneten gemeinsam die Öffnung im Boden und sofort schlug uns der ekelhafte Gestank entgegen. "Hey Damien. Riecht doch verdammt lecker oder nicht?"

 So. Ende des Prologs. Wenn wir genug VOTES kriegen, dann geht's weiter.. :)

Wenn es euch gefällt, wäre es echt cool wenn ihr Kommis abgeben würdet :D

Zeho&Ceyda ♥
 

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