Ich lernte Amelia kennen, als mein bester Freund mit ihrer besten Freundin eine Beziehung anfing. Mir war von Anfang an klar, dass es zwischen den beiden nicht lange halten würde, aber ich sprach sie nicht darauf an. Stattdessen rechnete ich einfach damit, die nächsten paar Wochen stumm auszuhalten. Denn während die beiden sich vergnügten, wurden Amelia und ich immer mitgeschleppt. Wir hatten davor noch nie ein Wort miteinander geredet, obwohl wir in derselben Jahrgangsstufe waren. Jedes Mal wenn unsere Freunde also turtelnd nebeneinander saßen - und das kam wirklich oft vor - saßen wir peinlich schweigend beieinander.
Es war nicht so, als könnte ich Amelia nicht leiden oder so. In der Schule war sie immer gutgelaunt und lachte viel. Obwohl sie meistens nur mit ihrer besten Freundin unterwegs war, wurde sie auch von den anderen in ihrer Klasse gemocht. Die Atmosphäre um sie herum war immer fröhlich. Ich glaube es gab keinen, der schon mal ein schlechtes Wort über sie verloren hatte oder sie nicht mochte. Sätze wie „Ich komm mit ihr einfach nicht klar" wurden nie über Amelia gesagt. Dementsprechend war sie mir auch nicht unsympathisch, ich wusste nur nicht, worüber ich mit ihr reden sollte. Und sie schien es auch nicht zu wissen. Deswegen waren die Besuche im Park, im Restaurant oder im Shoppingcenter immer sehr unangenehm. Ich hatte das Gefühl, dass wir uns beide wünschten, dass das schnell aufhören würde.
Wir saßen wieder im Shoppingcenter und warteten auf den Bänken auf unsere Freunde, die sich seit Stunden in der Fotobox amüsierten. Mittlerweile verstand ich wirklich nicht, warum wir uns immer zu viert trafen. Falls die beiden uns nicht vernachlässigen wollten, taten sie sich damit jetzt auch keinen Gefallen. Andererseits waren sie auch erst zwei Wochen zusammen. Diese Phase würde also nicht mehr so lange gehen. Hoffte ich. Vorsichtig schielte ich zu Amelia rüber, die erst in ihr Handy vertieft war und stumm Piano Tiles spielte - sie war nicht besonders gut - als sie plötzlich den Kopf anhob. Ich folgte ihrem Blick und sah eine gemischte Gruppe an uns vorbeilaufen. Eine von ihnen entdeckte Amelia und gab ihren Freunden Bescheid. Einer der Jungen drehte sich recht schnell um und die anderen auch irgendwann.
Wieder warf ich Amelia einen Blick zu. Ihr Gesichtsausdruck hellte sich auf, als die Gruppe zu uns kam, aber davor hatte sie für eine winzige Sekunde traurig ausgesehen. Amelia sagte ihnen Hallo und führte kurz Smalltalk, bevor sie sich auch schon verabschiedeten. Der Junge, er hatte dunkelbraune Haare und trug ein Beanie, der sich vorher schnell zu ihr umgedreht hatte, umarmte sie wie die anderen zum Abschied, aber er war der einzige, bei dem sie nur zögerlich die Hand auf den Rücken legte. Als sie weitergingen, konnte ich sehen, wie er seinen Arm um eines der Mädchen legte. Sie sprach aber unbeirrt mit ihrer Freundin weiter, weshalb ich bezweifelte, dass sie zusammen waren. Er wollte vielleicht was von ihr, aber das wurde anscheinend nicht erwidert. Amelia hatte sich zwar wieder hingesetzt, sah dem Beanie-Typen aber hinterher.
„Waren die alle aus deiner Klasse?", fragte ich und merkte plötzlich, dass mein Hals irgendwie trocken war. Ich hustete, während sich Amelia zu mir drehte und antwortete: „Früher. Jetzt sind die meisten von ihnen nicht mehr in derselben Klasse, aber sie schaffen es trotzdem noch den Kontakt aufrecht zu halten, was ich echt cool finde"
„Was ist mir dir? Triffst du dich auch noch mit ihnen?"
Sie zuckte mit den Schultern: „Manchmal. Aber nicht oft"
Ich blickte auf den Beanie-Typ und wieder zu Amelia: „Und der Typ dort ist auch nur ein früherer Klassenkamerad?", ich gestikulierte Anführungsstriche mit den Fingern, als ich das nur scheinheilig aussprach. Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, aber ich zog überrascht die Augenbrauen hoch, als ich merkte, wie traurig es eigentlich war: „Er war mal mehr für mich"
Bevor sie mehr sagen konnte, kamen unsere Freunde zurück und informierten uns, dass sie noch in den Levi's Shop wollten. Sie gingen mehrere Meter vor uns, und turtelten immer noch herum, als Amelia sich die drei Einkaufstüten von ihrer Freundin und sich schnappte und aufstehen wollte.Wir mussten ans andere Ende des Centers, weshalb der Weg uns an einem Pizzaladen vorbeibrachte. Schon mehrere Meter vorher, konnte ich den Beanie-Typen sehen, wie er sich wieder neben das Mädchen gesetzt hatte und fast um ihre Aufmerksamkeit bettelte. Aus irgendeinem Grund vermutete ich, dass Amelia ihn noch vor mir entdeckt hatte. Ich konnte mir selber nicht erklären, warum es mich störte. Kurz bevor wir in ihrem Sichtfeld sein würden, beschloss ich etwas zu tun, was ich eigentlich total bescheuert fand. Ich nahm Amelia kurzerhand die Tüten ab und verringerte den Abstand zwischen uns auf ein Minimum. Fragend sah sie zu mir auf: „Ryan?"
Mir fiel auf, dass ich sie zum ersten Mal meinen Namen aussprechen hörte.
Außerdem merkte ich, dass sie hinter meiner Schulter in den Pizzaladen spicken wollte. Schnell drehte ich meinen Kopf zu ihr und beugte mich etwas vor: „Schau mich an"
Sie verstand zwar nicht, warum ich es wollte, tat es aber. Als wir schon mehrere Schritte an dem Laden vorbei waren, entfernte ich mich etwas von ihr und blickte über die Schulter kurz nach hinten. Der Beanie-Typ blickte uns hinterher.„Sag mal, was sollte das vorhin?", Amelia und ich standen bei dem T-Shirt Regal, als sie mich fragend musterte. Ich zuckte mit den Schultern: „Es war plötzlich so überfüllt"
Sie zog eine Augenbraue hoch: „Ja, und mein Name ist Sharpay Evans"
Automatisch begann ich zu grinsen und spielte bei der High School Musical Anspielung mit: „Oh, freut mich dich zu sehen, Schwesterherz"
Sie begann zu lachen. Ihre Lache war zwar sehr eigen, aber sie brachte mich ebenfalls zum Lachen. Ich wollte mich weiter mit ihr unterhalten, weshalb ich einfach bei demselben Thema blieb: „Weißt du wen ich in der Filmreihe am meisten gemocht hab?"
„Ryan Evens weil ihr nicht nur denselben Namen habt sondern du dir insgeheim wünscht so zu sein wie er!", schlug sie begeistert vor und grinste mich wohlwissend an. Ich verdaute diese absolut falsche Information und schüttelte den Kopf: „Nein. Einfach nur nein", ich zog ein T-Shirt in meiner Größe raus: „Chad Danforth. Ich hab ihn geliebt"
„Ich auch", stimmte sie mir nickend zu: „Aber meine erste Fernseherliebe war immer noch Drake Parker"
„Meine auch", stimmte ich zu und brachte sie wieder zum Lachen. Wie gesagt, ihre Lache war zwar eigen, aber ich mochte sie. Ich verstand auch, warum die Atmosphäre um sie herum immer so heiter war und warum keiner schlecht von ihr sprach.Amelia war cool. Sie war schlagfertig auf eine witzige Art. Sich mit ihr zu unterhalten war eigentlich sehr einfach.
„Kam nach Drake als echte Liebe der Beanie-Typ?", fragte ich, als wir den Laden verließen und zusammen mit unseren Freunden heimliefen. Ich hatte ziemlich lange mit mir gerungen, ob ich die Frage stellen sollte oder nicht. Irgendwie kannte ich die Antwort ja schon, aber ich musste sicher gehen, bevor ich es ihr erzählte.
Sie blickte nicht zu mir hoch, als sie antwortete: „Echt war daran von seiner Seite aus gar nichts"
„Was hat er getan?", eigentlich wollte ich gar nicht mehr wissen, es hatte mich bisher schon wütend genug gemacht. Ich konnte den Beanie-Typ jetzt schon nicht leiden. Amelia seufzte: „Die Kurzgeschichte ist, dass ich ihm gesagt habe, dass ich ihn liebe und er, um mich nicht zu verletzten, gemeint hat, er würde mich auch lieben, aber keine Beziehungen führen könnte"
Ich kannte zwar nichts Genaueres, aber ich wusste genug, um mir ihre damaligen Gefühle vorzustellen. Ewig anhaltende Hoffnung und Schmerz, der am Anfang viel weniger tief gewesen wäre. Okay, ich hasste diesen Beanie-Arsch.
„Er hat zu uns geschaut", erzählte ich ihr das, was ich eigentlich für mich behalten sollte: „Als wir an dem Pizzaladen vorbei sind, da hab ich getestet, ob er dir nachschaut, wenn du mit einem Anderen weg bist"Nachdem ich meinen Kopf wieder zu ihr drehte, konnte ich sehen, wie überrascht ihr Gesichtsausdruck wirkte. Es verpasste mir einen Stich, als sie kurz danach in sich hineinlächelte. Sie sah so... verliebt aus.
DU LIEST GERADE
Tales
RomanceDas hier wird eine Zusammensetzung aus kurzen (Ab 2 teiligen) Geschichten zu all den Themen die mir einfallen. Liebe, Streit, Trennung, Versöhnung, ... alles Mögliche eben. Die Erzählweise nehme ich immer so, wie es passt. Manche Geschichten sind in...