01 - Amelia & Ryan (2)

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Die Geschichte zwischen Nolan und mir war fast vier Jahre her. Wir waren nie ein Paar und auch nie intim gewesen. Wir hatten einander nie geküsst oder uns wirklich lange umarmt. Beim Schlittschuhlaufen hatten wir Händchen gehalten und viel miteinander geschrieben, aber mehr war nie gewesen. Trotzdem hatte mich die Geschichte so tief getroffen, dass ich bis heute seelische Narben davon trug und immer wenn ich glaubte, endlich über ihn hinweg zu sein, geschah irgendwas und ich merkte, dass ich es nicht war. Wir schrieben zwar nicht mehr und sahen einander nur noch selten, aber ich war trotzdem nicht über ihn hinweg.

An dem Tag, an dem Ryan mir gesagt hatte, dass Nolan uns hinterher gesehen hatte, erhielt ich eine Nachricht von ihm. Er fragte mich, ob der Typ mein fester Freund sei und hatte einen Smiley hinter die Nachricht gesetzt, als wäre er ein früherer Kumpel gewesen, den ich einfach aus den Augen verloren hatte. Gut, aus seiner Sicht war es vielleicht auch so, aber ich hatte ihn nie aus den Augen verloren. Innerlich hatte ich sie geschlossen, weil ich wusste, dass er nie das für mich empfinden würde, was ich für ihn empfand. Trotzdem öffneten sie sich immer einen Spalt weit, wenn er sich mit mir unterhielt oder zum Beispiel eine Nachricht schrieb. Als gäbe es doch noch die Möglichkeit, mit ihm zusammenzukommen.
Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Nein wäre die Wahrheit aber ich hätte gern seine Reaktion gelesen wenn ich Ja schreiben würde. Allerdings würde ich Ryan dann noch mehr einbeziehen, als ich es eh schon hatte. Deswegen antwortete ich nicht.

Ich musste die ganze Zeit über die Nachricht nachdenken, weshalb ich mich nicht auf den Unterricht konzentrieren konnte. Als es zur Pause klingelte war ich übertrieben froh, dass kein Lehrer mich ohne Meldung drangenommen hatte.

„Baby!", ertönte die Stimme von Ryans Freund und er betrat unser Klassenzimmer. Meine Freundin begrüßte ihn mit einem Kuss: „Was machst du hier, Schatz?"
Er zeigte mit den Daumen hinter sich auf Ryan: „Er wollte vorbeikommen"
Obwohl ich es nicht wissen konnte, war ich mir ziemlich sicher, dass Ryan nicht wegen meiner Freundin herkommen wollte. Als ich zu ihm blickte, hob er die Einkaufstüte von Levi's hoch: „Ich hab dir gestern ausversehen meine mitgegeben"
Ich verzog das Gesicht: „Hast du nicht. Ich hab mein T-Shirt doch an", erwiderte ich und sah an mir selber herunter. Seit Monaten hatte ich ein weißes Levi's Shirt gewollt und war endlich dazu gekommen, es zu kaufen. Deswegen hatte ich es heute Morgen auch gleich angezogen. Ryan zog das Oberteil aus der Tüte heraus und warf es mir zu: „Ich glaub du trägst meins, denn das was ich habe ist zu eng. Oder ich sollte mir Sorgen über meine Linie machen"
Er hatte Recht. Als ich das Shirt auffing und stramm zog konnte man die Taillenform klar sehen. Ich hatte seins an: „Oh. Wenigstens ist mit deiner Linie alles in Ordnung"
Übertrieben erleichtert seufzte Ryan aus: „Gott sei Dank!"
Ich musste grinsen: „Ich geh kurz aufs Mädchenklo. Du kannst mitkommen, außer du siehst denen gerne zu", bot ich ihm an und zeigte auf unsere Freunde, die sich gegenseitig verschlangen. Ryan verzog das Gesicht: „Nein, ich komm lieber mit"

Als ich aus der Toilette kam, reichte ich ihm sein leicht zerknicktes Oberteil: „Vielleicht riecht es ein bisschen nach mir", sagte ich gespielt verführerisch.
„Verarsch' mich nicht!", kam es schockiert von Ryan: „Dann darf ich es niemals waschen oder anziehen!"
Ich zwinkerte ihm grinsend zu: „Am besten du hängst es auf"
„Das muss ich wohl", stimmte er mir nickend zu: „Ich werde es Isolieren, Amelia, dass es niemals nach etwas Anderem riechen kann"
Wir begannen beide zu lachen. Er faltete das Shirt ordentlich zusammen und packte es in seine Tasche. Ich runzelte die Stirn als mir auffiel, dass er mich zum ersten Mal beim Namen genannt hatte.
„Ehm... Ryan?", ich biss mir auf die Unterlippe, als er zu mir aufsah: „Kann ich dich bei was um Rat fragen?"
„Geht's um den Beanie-Typ?"
Der Kerl nahm wohl nie ein Blatt vor den Mund. Ich wurde plötzlich total nervös. Die Worte hatten meinen Mund einfach irgendwie verlassen. Ich wusste selber nicht warum. Aber er hatte eine gute Auffassungsgabe. Er hatte bemerkt, dass ich Nolan mochte, ohne dass ich etwas über ihn gesagt hatte.
Ich knabberte weiter auf meine Unterlippe: „Er hat mich gefragt, ob du mein Freund bist"
Ryans Mund verzog sich zu einem selbstgefälligen Grinsen. Fast sah es so aus, als würde er selbst darüber staunen wie genial er doch war, weil seine kleine Geste Nolan in Bewegung gesetzt hatte.
„Dieser Ausdruck gefällt mir nicht", tadelte ich ihn. Schnell lachte er sein Grinsen weg und machte sich mit mir auf den Weg zurück in mein Klassenzimmer.
„Hast du ihm geantwortet?", ich schüttelte den Kopf und Ryan sprach weiter: „Dann sei ehrlich. Ich hab ihn zwar etwas ausgetrickst, aber man sollte in diesem Bezug immer ehrlich sein. Egal, ob es jemanden verletzt oder nicht"

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