Mutter, das ist Thomas Reed.

507 17 2
                                    

Nach unseren Geständnissen beschlossen wir, uns ganz unauffällig von der Menschenmenge zu entfernen, die sich um uns gebildet hatte. Zum Abschied wank ich meinen Freundinnen zu, die mir lächelnd zurück wanken. "Hast du denn eine Bleibe?", fragte ich. Thomas sah ertappt aus, als er antwortete: "Nun, meine Reise war sehr überstürzt, ich habe auch nur das Nötigste mit." Dieser Gedanke amüsierte mich schon ein wenig, weshalb meine Mundwinkel nach oben wanderten. "Animant, sag mal lachst du mich etwa aus?" Er klang gespielt empört und musste sich selbst ein Grinsen verkneifen, woraufhin mir ein Lachen entfloh. "Also wirklich, das ist aber nicht sehr höflich! Bei deinem hohen Stand in der Gesellschaft hätte ich das niemals erwartet!" Seine Kommentare brachten mich noch mehr zum Lachen, und irgendwann konnte er sich auch nicht mehr halten. Da wir einfach in irgendeine Richtung gelaufen waren, befanden wir uns nun auf einer verlassenen Straße, auf der uns niemand albern sah. "So, nun mal im Ernst. Ich würde dich gerne zu mir einladen. Wir haben noch ein Gästezimmer, falls du ... gewillt bist, es zu beziehen. Und ich würde dir gerne den Ort zeigen, an dem ich mich schon so oft in die Welt der Bücher begeben habe." Seine Augen funkelten vor Belustigung und Schalk. "Du meinst euren Dachboden? Nur, wenn der grüne Sessel anwesend ist." "Natürlich, er ist eine hervorragende Partie, was Sitzgelegenheiten angeht." Es war wirklich befreiend, mit Thomas so albern zu können. Ich beschloss, dass wir nun den Heimweg antreten würden und begann los zu laufen. Thomas bot mir seinen Arm an, welchen ich gerne annahm. Wir schwiegen den Rest des Weges und genossen es, gemeinsam spazieren zu gehen. Aber je näher wir dem Haus kamen, desto mehr spürte man unsere steigende Anspannung. Jetzt erst realisierte ich, wie aussichtslos dieser Plan war, der eigentlich keiner war. Was sollte ich denn gleich sagen? "Mutter, ich habe früher jede gute Partie abgewiesen, aber das hier ist Thomas Reed, der Bibliothekar. Wir sind verlobt?" Oh je. Jetzt standen wir schon vor der Haustür und rührten uns kein Stück. Wir sahen uns an, lächelten kurz nervös und dann schloss ich die Tür auf. Thomas ließ mir, wie ein Gentleman, den Vortritt. Als ich, nachdem wir unsere Mäntel abgelegt hatten, in den Salon trat, sah meine Mutter erstaunt auf, mein Vater war wohl außer Haus. "Ani, wieso bist du denn so früh schon wieder zurück?" "Ich habe jemanden wiedergetroffen, den ich dir vorstellen wollte." In diesem Moment trat Thomas durch die Tür. "Guten Tag Mrs Crumb, mein Name ist Thomas Reed. Wir begegneten uns bereits in der Bibliothek." Meine Mutter fragte erstaunt: "Aber Mr Reed, was führt sie denn den weiten Weg von London bis hierher?" "Um ehrlich zu sein, ihre Tochter."
Danach blieb es auf beiden Seiten still. In den Augen meiner Mutter las ich kurz Unglauben, dann Erstaunen und dann wieder Unglauben. "Aber was möchten sie denn von Animant?" Bevor sich das Gespräch weiter verzwickte, ging ich dazwischen: "Mutter, wir wollten dir mitteilen-" "Mrs Crumb, ich wollte sie um die Hand ihrer Tochter bitten." Thomas und ich sprachen gleichzeitig, sodass meine Mutter -ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen- nichts verstehen konnte. "Könnten sie sich bitte wiederholen, Mr Reed?" "Ich wollte sie um die Hand ihrer Tochter bitten. Ich bin zwar nicht die beste Partie, aber ich liebe ihre Tochter aufrichtig." "Ani, du wirst heiraten? Wirklich? Aber- wirklich?" "Ja Mutter, wirklich." Dann lachte meine Mutter laut auf und zog mich in eine feste Umarmung. "Meine Ani wird heiraten!" Dann bemerkte sie, dass Thomas auch noch anwesend war. Sie straffe die Schultern, nahm Haltung an und räusperte sich leicht. "Nun Mr Reed, sie dürfen meine Tochter ehelichen, aber nur unter einer Bedingung: Ihr beide werdet glücklich miteinander und verkriecht euch nicht nur hinter euren Büchern!"

"Mutter, Das Ist Thomas Reed."Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt