Kapitel 1

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Erstes Siegel – Der Krieg

Los Angeles, Kalifornien

16. August 2020

07:32 AM

„Guten Morgen, hübscher Mann", die sanfte Stimme weckte mich, doch ich wollte nicht aufstehen. Wir waren doch gerade erst ins Bett gegangen. Ich öffnete die Augen kurz und schloss sie gleich wieder. Das grelle Licht der Sonne kam durch den geöffneten Vorhang und schien mir direkt ins Gesicht.

Es war ein sonniger Morgen. In der Ferne hörte ich einen Rasenspringer, der das halb vertrocknete Gras bewässerte. Noch war kein Notstand in Kalifornien ausgerufen worden, doch es war nur eine Frage der Zeit, bis die Regierung das Bewässern des Gartens verbot.

Die Tatsache, dass man sonst nichts hörte, war beängstigend. Kein Vogel zwitscherte, kein Hund bellte. Niemand war auf der Straße unterwegs. Mit einem kurzen Blick auf meine Armbanduhr stöhnte ich innerlich. So früh stand ich sonst nie auf. Was hat sich diese Brünette nur dabei gedacht, mich zu wecken.

Ich lag auf dem Bauch und ein dünnes Lacken schützte meine Körper vor der eisigen Luft aus der Klimaanlage, die über dem Bett hing. Meine Eroberung von letzter Nacht stellte das volle Tablett auf das Nachtschränkchen, setzte sich neben mich auf die Matratze und streichelte mir mit ihren perfekt manikürten Fingernägeln über meinen, mit feinen Narben verzierten Rücken. Sie hatte mich in der letzten Nacht öfter gefragt, woher die Striemen kamen, doch ich gab ihr darauf keine Antwort. Sie war ein One-Night-Stand und ein gefundenes Fressen für mein Inneres Tier.

Eigentlich war sie verheiratet, das hatte sie mir von Anfang an gesagt, doch es war mir egal. Den halben Abend hatte sie damit verbracht, mir von ihrem viel beschäftigten Mann und ihrem fünfzehnjährigen Sohn zu erzählen. Sie hatte ihn mit dreißig Jahren bekommen und war sehr stolz auf ihn. Sie hörte erst auf zu reden, als ich sie mit meinen Küssen unterbrach. Es schien so, als hätte sie nur darauf gewartet, denn ab diesem Zeitpunkt hatten sich die Worte aus ihrem Mund auf meinen Namen beschränkt.

„Wach auf. Ich habe Frühstück gemacht."

„Es ist noch mitten in der Nacht", beklagte ich mich nuschelnd und drehte mich zu ihr um. „Weck mich wieder, wenn die Abendnachrichten kommen." Ich hätte sie beim Namen genannt, wenn ich ihn noch gewusst hätte. Irgendetwas wie Sandy, Cindy, Candy...

Trotz ihres reiferen Alters hatte sie eine außergewöhnliche Sexuelle Energie. Das war wahrscheinlich der Grund, weshalb ich sie ausgesucht hatte. Eigentlich war sie gar nicht mein Typ. Ich stand auf junge Mädchen. Die, die gerade Volljährig geworden sind und aus reiner Neugierde in die Bar meines Chefs kamen und schüchtern am Tresen stehen. Aus irgendeinem, mir unerklärlichen Grund zog mich diese Frau an wie ein Magnet. Ihre Energie war atemberaubend. Ich hatte oft von ihr gekostet, konnte es aber nicht wirklich speichern, da sie unersättlich war und die gewonnene Energie gleich wieder verbraucht war.

Ich bin ein Demica. Ein Dämon, der sich von der Lebensenergie der Menschen ernährt. Es gab zwei Möglichkeiten, an diese kostbare Energie zu kommen. Einmal durch das Aussaugen des Blutes, oder durch Sex. Ich bevorzugte die zweite Option. Es war mühsam immer einen Dolch bei sich zu tragen. Wir waren immerhin keine Vampire. Wir hatten nicht so etwas Tolles wie Fangzähne. Nicht das es Vampire wirklich gab. Nein, das waren nur Hirngespinste irgendwelcher Autoren.

„Du musst aufstehen, ich fahre in einer Stunde zur Arbeit und kann dich mit in die Stadt nehmen. Die Busse fahren hier in der Ecke während den Ferien nur zweimal am Tag. Ich würde aber noch gerne das Frühstück mit dir genießen", flüsterte sie kess und strich mir meine schwarzen Haare hinters Ohr. Der Zauber von letzter Nacht war vorbei. Ich fand sie nicht mehr so unwiderstehlich anziehen wie gestern. Sie hatte Falten im Gesicht und ich entdeckte ein paar graue Haare in ihrem schnell zusammengebundenen Dutt.

Sieben Siegel - Die OffenbarungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt